Verhandlungen der G7
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G-7 einig

Globale Steuerreform ein großes Stück näher

Die Praxis, Konzerngewinne steuerschonend zwischen Ländern zu verschieben, scheint endgültig angezählt. Am Samstag einigte sich die Gruppe der sieben führenden Industrieländer (G-7) auf ein Modell für eine globale Steuerreform. Das ist freilich nur ein erster wichtiger Schritt. Entscheidend wird auch das Treffen der G-20-Finanzminister im Juli.

„Die sieben wichtigsten Industrienationen haben sich heute hinter das Konzept einer Mindestbesteuerung für Unternehmen gestellt“, sagte der deutsche Finanzminister Olaf Scholz (SPD) am Samstag der dpa. „Das ist eine sehr gute Nachricht für die Steuergerechtigkeit und die Solidarität, und eine schlechte Nachricht für Steueroasen in aller Welt.“ Konzerne könnten sich nun nicht mehr ihrer Steuerpflicht entziehen.

Bereits in der Nacht auf Samstag hatte Scholz von einem „Durchbruch“ gesprochen, „den wir erwartet und erhofft haben“. Zu Mittag war dann klar: Die Forderung nach einer globalen Mindeststeuer von mindestens 15 Prozent hat es in die Abschlusserklärung des G-7-Finanzministertreffens in London geschafft.

Zwei-Säulen-Modell

In der gemeinsamen Erklärung bringen die Finanzminister von Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Japan, Italien und den USA sowie ihre kanadische Kollegin ihre „starke Unterstützung“ für eine globale Mindeststeuer zum Ausdruck. Zudem hoffen sie auf ein noch weitreichenderes Abkommen in dieser Frage im Rahmen des Treffens der G-20-Finanzminister im Juli, bei dem neben den größten Industrieländern auch Schwellenländer vertreten sind.

Analyse von Hans Bürger (ZIB-Innenpolitik)

Welchen Effekt würde die globale Mindeststeuer nach dem Modell der G-7 haben? Hans Bürger, Leiter der ZIB-Innenpolitik, analysiert.

Geplant ist ein Modell mit zwei Säulen. Zum einen soll durch die Reform geregelt werden, wie viele Steuern multinationale Unternehmen zahlen müssen – und wo. Außerdem ist eine globale Mindeststeuer geplant, die nicht unter 15 Prozent liegen soll. Hier haben vor allem die USA Druck ausgeübt. Diese Mindeststeuer soll dem globalen Wettrennen um den niedrigsten Steuersatz ein Ende setzen.

Noch Überzeugungsarbeit zu leisten

In der G-7-Abschlusserklärung heißt es zudem, Länder, in denen große Konzerne ihre Umsätze machten, sollten stärker als bisher von den Steuerzahlungen der Firmen profitieren. Das dürfte viele Schwellenländer besserstellen. Es könnte helfen, die Zustimmung der G-20-Staaten zu sichern – also der erweiterte Kreis mit den wichtigsten Schwellenländern wie China, Indien und Brasilien.

Noch sträuben sich auch Länder mit niedrigeren Unternehmensteuern wie Irland gegen eine Mindeststeuer. In dem EU-Staat werden nur 12,5 Prozent Unternehmensteuer fällig, deshalb haben mehrere Großkonzerne dort einen Firmensitz. Sollte die Mindeststeuer wie geplant kommen, müsste Irland die Steuern erhöhen – oder es würden Strafen vonseiten der anderen Volkswirtschaften drohen.

Der irische Finanzminister Paschal Donohoe ging aber davon aus, dass sich das Land weiter multinationale Investitionen und Arbeitsplätze sichern kann. Viele Konzerne wie Apple seien schon seit Dekaden in Irland und dort fest verwurzelt, sagte Donohoe. Außerdem agiere Irland für ausländische Firmen stets vorhersehbar.

Technologieunternehmen im Fokus

Über eine Mindestbesteuerung von Unternehmen wird seit Jahren auf internationaler Ebene gerungen. Hintergrund sind Steuervermeidungsstrategien großer Konzerne. Bisher werden Unternehmenssteuern nur am Firmensitz fällig, aber nicht in den Ländern, wo die Konzerne ihre Umsätze erzielen. Das führte dazu, dass viele Unternehmen ihren Firmensitz in Länder mit niedrigeren Unternehmenssteuern verlagerten.

Besonders große Technologieunternehmen werden ob dieser Praxis stark kritisiert. Die Digitalriesen hätten von der CoV-Krise profitiert und „Gewinne eingefahren, die von keinem anderen Sektor übertroffen wurden“, sagte der französische Finanzminister Bruno Le Maire. Es sei „zunehmend klar, dass wir uns in einer komplexen, globalen und digitalen Wirtschaft nicht auf ein Steuersystem verlassen können, das in großen Teilen in den 1920er Jahren entworfen wurde“, sagte auch der britische Finanzminister Rishi Sunak.

Pandemie befeuerte Debatte

Die Pandemie und die daraus resultierenden Löcher in den Staatshaushalten hatten aber auch Schwung in die Debatte gebracht. Vor der Krise seien die Steuerpraktiken der Großkonzerne kritisiert worden, jetzt „sind sie unmöglich zu akzeptieren“, hieß es aus Diplomatenkreisen.

Gruppenfoto der G7
Reuters/Henry Nicholls
Beim G-7-Finanzministertreffen gelang laut den Teilnehmenden eine „historische“ Einigung

Nochmals an Fahrt gewann die Debatte, seit US-Präsident Joe Biden sich für einen Mindestsatz von 15 Prozent für international agierende Unternehmen aussprach. Zuvor hatten die USA sogar 21 Prozent als Mindestsatz vorgeschlagen. Vor allem über die Höhe des Steuersatzes wurde innerhalb der G-7 bis zuletzt gerungen. Le Maire hatte die vorgeschlagenen – und nun auch angenommenen – 15 Prozent am Freitagabend noch das „Minimum“ genannt. Sie wurden nun auch ausdrücklich als „Mindestwert“ deklariert.

US-Finanzministerin Janet Yellen freute sich am Samstag, sie gehe von einer positiven Wirkung auf die Weltwirtschaft aus, weil Unternehmen unter gleichen Bedingungen konkurrieren und investieren könnten. Auch Facebook begrüßte auf Twitter die Einigung – sogar unter dem Eingeständnis, dass diese bedeuten könnte, dass das Unternehmen bald mehr Steuern zahlen muss.

Blümel begrüßt Einigung

Österreichs Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) begrüßte die Einigung. Das Finanzministerium rechnet bei einer internationalen Umsetzung des globalen Mindeststeuersatzes von 15 Prozent mit mindestens drei Milliarden Euro Mehreinnahmen für den österreichischen Staat.

„Es braucht auf globaler Ebene mehr Steuergerechtigkeit und faire Rahmenbedingungen für die Unternehmen, davon profitieren auch heimische Betriebe. Wir hoffen, dass die Einigung unter den G7-Ländern auch zu einer raschen Lösung auf OECD-Ebene führen wird“, so Blümel in einer Stellungnahme.

„Wichtig ist, dass diese Steuergerechtigkeit vor allem auch zwischen digitalen und analogen Geschäftsmodellen gilt. Gerade die internationalen Digitalkonzerne sind Gewinner der Covid-Krise und daher wurde die Notwendigkeit für ein faires Regelwerk durch die Pandemie verstärkt“, so der Finanzminister weiter.