Demonstranten auf Booten, Kreuzfahrtschiff im Hintergrund
Reuters/Manuel Silvestri
Proteste in Venedig

Unmut über Rückkehr der Schiffstouristen

In die Serenissima strömen wieder die Reisenden – doch Venedig scheint sich an Ruhe während der Pandemie gewöhnt zu haben. Am Samstag legte nach gut eineinhalb Jahren wieder ein großes Kreuzfahrtschiff in Venedig ab – unter lautstarken Protesten. In kleinen Booten mit Fahnen und Spruchbändern passten die Demonstrierenden den Kreuzer ab.

Das Schiff, das auf Mittelmeerkreuzfahrt geht, sorgte mit seiner Route durch die Lagune für den Unmut der venezianischen Bevölkerung. Die Bewegung „No Grandi Navi“ (zu deutsch: Keine großen Schiffe) hatte bereits Anfang der Woche zu den Protesten aufgerufen. Am Samstag skandierten die Menschen „Große Schiffe raus aus der Lagune“.

Wegen der Pandemie hatte über viele Monate kein großes Kreuzfahrtschiff in der Weltkulturerbestadt angelegt. Am 1. April war dann eine Regelung der Regierung in Rom in Kraft getreten. Darin wurde ein Ideenwettbewerb gestartet, um Lösungsvorschläge für eine Anlegestelle außerhalb der Lagune zu sammeln. Konkrete Pläne lagen noch nicht vor. „Das hätte ein April-Scherz sein können“, schrieben „No Grandi Navi“ in ihrer Protestankündigung. Sie fordern, dass die großen Kreuzer sofort der Lagune fernbleiben. Die Menschen fürchten zu viele Touristen und Schäden an der Bausubstanz.

Auch Branche verlangt Lösung

Vor der Pandemie hatte Venedig jährlich Millionen von Reisenden beherbergt. Die Stadt war Ziel vieler Kreuzfahrtschiffe, über die seit Jahren gestritten wird. Das Thema rief sogar schon internationale Stars auf den Plan. Unter anderem Rolling-Stones-Sänger Mick Jagger, Schauspielerin Tilda Swinton und Regisseur James Ivory hatten kürzlich in einem offenen Brief einen „Stop für den Verkehr großer Schiffe in der Lagune“ gefordert. Das Schreiben war an Italiens Regierung adressiert.

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Demonstranten auf Booten
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„No Grandi Navi“ hatte zu Protesten aufgerufen, denn das erste Kreuzfahrtschiff legte wieder in Venedig ab.
MSC Orchestra in Venedig
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Die MSC Orchestra ist der erste große Kreuzer in Venedig seit rund 17 Monaten.
Proteste in Venedig
Reuters/Manuel Silvestri
Der Zulauf zu den Protesten am Samstag war groß.
Demonstranten auf Booten
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Eine nachhaltige Lösung im Streit ist nicht in Sicht – zumindest nicht bald.
Demonstranten auf Booten, Kreuzfahrtschiff im Hintergrund
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Venedig stöhnte vor der Pandemie unter den zahlreichen Besuchen der großen Schiffe. Die Menschen fürchten zu viele Touristen und Schäden an der Bausubstanz.

Dass es in Venedig aber jetzt schon mit den Kreuzfahrten wieder losgeht, überraschte auch den Kreuzfahrtverband Clia. Nach den Millionenverlusten in der Industrie sei das ein positives Zeichen, sagte der Italien-Chef des Verbands, Francesco Galietti, der dpa. Im Streit um die Fahrt durch die Lagune und die Suche nach einer neuen Anlegestelle, verlange die Clia eine stabile Lösung.

Spannungen auch im Nahverkehr

Die Reisebranche sorgte aber nicht nur wegen der Kreuzfahrtschiffe in Venedig für Ärger. Am Samstag wurde in der Stadt zwei Mal innerhalb einer Stunde das Personal an Bord der Vaporetti, der Wasserbussen, angegriffen. Wegen der Touristen ist derzeit der der öffentliche Wassertransport unter Druck. Viele Venezianer, die den Arbeitsplatz erreichen mussten, konnten nicht an Bord der Schiffe gehen.

Zurzeit dürfen lediglich 50 Prozent der Plätze an Bord der Vaporetti besetzt werden. Wegen der starken Touristenpräsenz kam es daher zu Spannungen. Eine Mitarbeiterin an Bord eines Wasserbusses wurde mit Fußtritten angegriffen. Ein weiterer Mitarbeiter wurde nach einem Angriff durch einen Passagier mit der Rettung ins Spital gebracht, berichtete die italienische Nachrichtenagentur ANSA.

Venedigs Nahverkehr steht im Mittelpunkt eines Streits, bei dem sich die Stadtverwaltung, die für die Wasserbusse zuständig ist, und die Gewerkschaften mit Fragen des Personalabbaus und der Sicherheit auseinandersetzen. Die Arbeitnehmer haben in letzter Zeit immer wieder ihr Unbehagen mit Streiks zum Ausdruck gebracht. „Ich fange an, Angst vor den Menschen zu haben, so kann man nicht arbeiten“, kommentierte ein Mitarbeiter der Nahverkehrsgesellschaft ACTV.