Steirischer Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer
ORF
Schützenhöfer

„Chats sind grauslich, Veröffentlichung auch“

Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) ist selbst in den Chats von Sektionschef Christian Pilnacek vorgekommen. In der ORF-„Pressestunde“ am Sonntag erklärte Schützenhöfer, nicht auf dessen Anfrage geantwortet zu haben. „Was glauben Sie, wie viele Menschen bei mir intervenieren?“, so der Landeshauptmann. Er sprach sich gegen die Weiterleitung solcher Chats aus, kritisierte aber auch jene Unterhaltungen der ÖVP, die sich um die Kirche drehten.

„Lieber Herr LH, Prosit 2021 und viel Erfolg im Vorsitz der LH-Konferenz; möchte nur informieren, dass Präsident des OLG Graz ausgeschrieben ist; wäre Gelegenheit, das an unsere (sic!) Familie begangene Foul auszugleichen“. Das schrieb Pilnacek in einer nächtlichen SMS an Schützenhöfer. „Bitte um Deine Unterstützung“.

Der angesprochene Landeshauptmann sagte am Sonntag dazu, er habe sich dabei nichts gedacht. Viele Menschen würden sich an ihn wenden. Er unterstütze Bedürftige oder Hilfesuchende im Rahmen seiner Möglichkeiten. Im Fall Pilnacek habe er nichts unternommen. Schützenhöfer verteidigte den vorläufig suspendierten Justizsektionschef aber auch. Dieser habe gute Arbeit geleistet, darüber hinaus „soll es keine Sippenhaftung geben“.

Pilnaceks Ehefrau Caroline List sei erste weibliche Strafrichterin in Graz gewesen, nun sei sie Präsidentin des Landesgerichts für Strafsachen. Zudem engagiere sie sich ehrenamtlich bei der Opferschutzanwaltschaft. „Ich lasse mir solche Menschen nicht schlechtmachen“, sagte Schützenhöfer. List werde unfreiwillig in einen Strudel hineingezogen.

Veröffentlichung „gibt’s sonst nirgends“

Auch bei Pilnacek dürfe man sich nicht nur eine Seite der Geschichte anhören. Man müsse auch fragen, wieso dieser mit der Justiz so unzufrieden gewesen sei. Zum Chatzitat Pilnaceks, wonach er einem „fehlgeleiteten Rechtsstaat nicht mehr dienen“ könne, sagte Schützenhöfer: „Zorn ist nie ein guter Ratgeber.“ In der Emotion könne das aber passieren. Insgesamt bewertete der Landeschef Pilnaceks Gespräche mit dem inzwischen zurückgetretenen Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter deutlich.

„Pressestunde“: Chats mit Sektionschef Pilnacek

In der „Pressestunde“ geht der steirische Landeshauptmann Schützenhöfer auch auf Chats des Sektionschefs Pilnacek ein.

„Diese Chats in allen Fällen sind grauslich. Dass sie veröffentlicht werden dürfen, auch was den persönlichen Bereich anlangt, ist ebenso grauslich. Das gibt es nirgends, auch in Deutschland nicht. Aber ich wende mich da nicht an die Justiz, ich habe einiges in mir, was zu kritisieren wäre, ich tue das nicht.“ Die Justiz sei eine große Säule im Rechtsstaat, so Schützenhöfer. Er selbst sei nicht mit jedem Urteil des Verfassungsgerichts (VfGH) einverstanden. Doch was dieser urteile, das gelte.

Kritik an Grünen

Schützenhöfer schwenkte im „Pressestunde“-Gespräch dann schnell zu Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) über und kritisierte Angriffe auf den Regierungschef. „Was ist aus diesem Österreich eigentlich geworden“, so Schützenhöfer. Es gebe permanent „sprachliche Grenzüberschreitungen“ gegen Kurz, eine Kampagne, bei der auch der grüne Koalitionspartner mit einstimme. Die ÖVP habe es schon einmal leichter gehabt, aber „wir lassen uns diesen jungen Kanzler nicht herausschießen“.

Anklage gegen Bundeskanzler Kurz

In der „Pressestunde“ spricht der steirische Landeshauptmann Schützenhöfer über die Ermittlungen gegen Bundeskanzler Kurz.

Angesprochen auf die Ermittlungen gegen Kurz wegen Falschaussage im Untersuchungsausschuss sagte Schützenhöfer, er rechne weder mit einer Anklage noch mit einer Verurteilung. Sollte es dennoch dazu kommen, werde man dann weitere Schritte besprechen. „Davon sind wir aber weit entfernt.“ Die ÖVP spekuliere auch nicht damit, „es auf die Spitze zu treiben“ und Neuwahlen anzustreben. Er sprach sich dafür aus, die gesamte Legislaturperiode durchzudienen.

Schmid-Chats „schrecklich“

Leise Kritik kam auf, als es um die Angriffe der ÖVP auf die Justiz ging: „Ich würde persönlich die Justiz nicht angreifen, auch wenn ich manche Einwände habe.“ Er selbst halte es mit dem früheren Bundeskanzler Alfons Gorbach (ÖVP, 1898–1972): Man solle seine Meinung sagen und auch streitbar sein, „aber in den eigenen vier Wänden und nicht am Hauptplatz“, so Schützenhöfer.

Angriffe der ÖVP auf die Kirche

In der „Pressestunde“ spricht der steirische Landeshauptmann Schützenhöfer über die Chats von Thomas Schmid und Bundeskanzler Kurz über die Kirche.

Auch die Chats vom Chef der Staatsholding ÖBAG, Thomas Schmid, waren Thema in der „Pressestunde“. Jene Unterhaltungen, in denen vom „Pöbel“ die Rede war, seien „schrecklich“ gewesen, so der Landeshauptmann knapp. Es habe ihn aber noch mehr entsetzt, was dort über die katholische Kirche zu lesen gewesen sei. Schmid hatte 2019 Peter Schipka, den Generalsekretär der Österreichischen Bischofskonferenz, unter Druck gesetzt und ihm mit der Kürzung von Steuerprivilegien gedroht. Bei Kurz holte er sich dafür das grüne Licht – „bitte Vollgas geben“, schrieb der Kanzler damals.

„Schwerer Schlag in die Magengrube“

Diese Chats seien „ein schwerer Schlag in die Magengrube“ gewesen, sagte am Sonntag dazu Schützenhöfer. „So etwas darf man nicht machen.“ Er sei auf Kurz „stolz“, sagte Schützenhöfer. „Auf manch andere aus seinem Umfeld nicht so wirklich.“ Die ÖVP habe sich immer als Schutzmacht der Kirche empfunden, er selbst sehe das auch weiterhin so, auch wenn man nicht immer einer Meinung sei, etwa bei der Flüchtlingsfrage oder einem Grundeinkommen.

Unterstützung für Bundespräsidenten durch die ÖVP

In der „Pressestunde“ spricht der steirische Landeshauptmann Schützenhöfer über die nächste Bundespräsidentschaftswahl.

Zur Strategie der ÖVP zur nächsten Bundespräsidentschaftswahl 2022 sagte der Landeshauptmann, jede Partei müsse „um der Selbstachtung willen“ kandidieren. Wenn Alexander Van der Bellen aber erneut antritt, könne die ÖVP „auch Größe zeigen, wenn man einen Schritt zurückmacht“. Van der Bellen mache seine Sache gut, er würde diesen Weg unterstützen, so Schützenhöfer. Wenn nicht, kämen seiner Ansicht nach etwa Irmgard Griss oder Helga Rabl-Stadler als ÖVP-Kandidatinnen infrage. Er selbst wolle die Landesspitze noch nicht so rasch verlassen, auch wenn er bald 70 werde. „Die Steiermark ist auf unruhiger See, da geht der Kapitän nicht von Bord.“

FPÖ sieht Skandale kleingeredet

Kritik an Schützenhöfer kam von der Opposition. Die ÖVP übe sich weiterhin in der Opferrolle, so SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch in einer Aussendung. „Sichtlich hat sich auch Landeshauptmann Schützenhöfer als gesprächsbereiter und verbindlicher Politiker der alten Schule schwer damit getan, die Fehlleistungen der Türkisen zu verteidigen. Wie sonst hätte er sich dazu versteigen können, dem Gericht schon vorab auszurichten, dass sein türkiser Kanzler weder angeklagt noch verurteilt wird“, betonte Deutsch.

Auch die FPÖ regierte kritisch auf Schützenhöfers Aussagen. Dieser habe versucht „die Dauer-Skandale der ÖVP kleinzureden“, sei aber „fulminant gescheitert“, so der steirische FPÖ-Chef Mario Kunasek in einer Aussendung. Schützenhöfer habe durch seine Aussagen belegt, dass die ÖVP den Staat für ihre Zwecke missbrauche. Zudem habe er „keine Antworten zu geltenden Kapazitätsbeschränkungen für Veranstaltungen im Sport- und Kulturbereich sowie zur Ankurbelung der Wirtschaft und des Tourismus“ geliefert. „Jemand hat die Zeichen der Zeit nicht verstanden“, so Kunasek.

NEOS-Generalsekretär Nikola Donig wies darauf hin, dass Kurz sich seine „Familie“ ganz allein ausgesucht habe: „Wenn es in diesem Umfeld zu Verfehlungen kommt – und das passiert derzeit am laufenden Band –, kann sich Sebastian Kurz nicht aus der Verantwortung stehlen.“