Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt
APA/AFP/Ronny Hartmann
Sachsen-Anhalt

CDU laut Hochrechnungen klar vor AfD

Die CDU hat die Landtagswahl im deutschen Bundesland Sachsen-Anhalt klar für sich entschieden. Die Partei des seit zehn Jahren regierenden Ministerpräsidenten Reiner Haseloff baute am Sonntag laut Hochrechnungen von ARD und ZDF ihre Position als stärkste Partei sogar aus. Die AfD kam mit leichten Verlusten auf Platz zwei. Die SPD rutschte erstmals auf einen einstelligen Wert ab.

Die CDU erhielt 36,6 bis 36,9 Prozent (2016: 29,8) der Stimmen, die AfD 21,1 bis 21,8 (2016: 24,3). Die Linke wurde mit 10,9 bis 11,2 Prozent (2016: 16,3 Prozent) erneut drittstärkste Kraft. Die Grünen konnten mit 5,7 bis 6,2 Prozent leicht zulegen (2016: 5,2 Prozent), die SPD verlor mit 8,2 bis 8,3 Prozent (2016: 10,6 Prozent) – es wäre das bisher schlechtestes Ergebnis für die SPD in dem Bundesland.

Die FDP kehrte mit 6,4 bis 6,5 Prozent in den Landtag zurück. 2016 waren die Liberalen mit 4,9 Prozent an der 5-Prozent-Hürde gescheitert. Die schwarz-rot-grüne „Kenia-Koalition“ unter Führung von Haseloff könnte damit aller Voraussicht nach weiterregieren. Rein rechnerisch könnte Haseloff die Koalition mit SPD und Grünen fortsetzen. Womöglich würde es aber auch für eine Koalition der CDU mit SPD und FDP reichen.

Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt bei einer Ansprache
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Haseloff will nicht mit der AfD koalieren

Die Wahlbeteiligung lag nach einer Prognose des Mitteldeutschen Rundfunks MDR bei 61,5 Prozent, nach 61,1 Prozent vor fünf Jahren. Wahlberechtigt waren rund 1,9 Millionen Menschen. Wegen der Coronavirus-Pandemie gab es wohl sehr viele Briefwähler, wodurch sich die Ergebnisse noch verschieben könnten. Zahlen zu den Briefwählern lagen zunächst allerdings nicht vor.

Stimmungstest vor Bundestagswahl

Die Wahl ist die letzte Landtagswahl vor der Bundestagswahl im Herbst. Sie gilt nicht zuletzt für die CDU als Stimmungs- und Stresstest. Nach den Wahlniederlagen im Südwesten, der schwierigen Coronavirus-Lage und dem Machtkampf um die Kanzlerkandidatur braucht die CDU etwas Luft und auch Rückenwind. CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet hatte sich zuletzt mehrfach auch mit Blick auf Sachsen-Anhalt geäußert und etwa die Aufrechterhaltung der „Brandmauer“ zur AfD betont.

In einer ersten Reaktion wertete Haseloff das Ergebnis vom Sonntag auch als Rückenwind für die Bundestagswahl. „Wir sind geschlossen aufgetreten – CDU und CSU. Wir haben alle davon etwas“, sagte Haseloff im ZDF. Gefragt nach seinem künftigen Partner oder künftigen Partner wollte er sich weiter nicht festlegen. Man wolle sich auch von denkbaren Konstellationen im Bund nicht beeinflussen lassen.

„Abgrenzung nach rechts“

Haseloff nannte das Ergebnis „ganz klar eine Abgrenzung nach rechts“. 2016 war die AfD zur zweitstärksten Partei gewählt worden und hatte insgesamt ihr zweitbestes Ergebnis eingefahren. Im Wahlkampf war sie in Umfragen zwischenzeitlich eng an die CDU gerückt. Haseloff hatte eine Zusammenarbeit mit der AfD schon vor der Landtagswahl ausgeschlossen.

Laut ARD-Infratest erreichte Haseloff einen Zustimmungswert von 70 Prozent freuen. Laut ZDF wollen 63 Prozent der Menschen in Sachsen-Anhalt, dass der Amtsinhaber Ministerpräsident bleibt, 81 Prozent gaben an, Haseloff mache seine Arbeit „eher gut“.

CDU-Politiker Friedrich Merz, der im Rennen um die Kanzlerkandidatur unterlegen war, wertete den Ausgang als „Bestätigung für Laschet“ und eine gute Ausgangslage für die Bundestagswahl. Die Position Laschets, an dessen Kandidatur es anfangs innerhalb der Union deutliche Kritik gegeben hatte, sah Merz gefestigt. Laschet selbst will sich erst am Montag äußern.

Grüne und SPD enttäuscht, FDP und AfD zufrieden

Enttäuschung gab es bei der Linken, Co-Parteichefin Janine Wissler sah einen „Weckruf“ für den Herbst. Für SPD-Chef Norbert Walter-Borjans geriet die SPD in den „Windschatten“ der Auseinandersetzung zwischen CDU und AfD. Die Parteien dazwischen hätten „extreme Probleme“ gehabt. Er räumte ein, dass die SPD mit dem Ergebnis „alles andere als glücklich“ sei.

Ko-Parteichefin Saskia Esken sah auch einen Negativeffekt durch die Coronavirus-Pandemie. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte, er sehe keine Auswirkungen der Landtagswahl für die Bundestagswahl. Es gelte nun, die guten Werte von Olaf Scholz auf die SPD zu übertragen.

Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock machte die Bundespolitik für das Abschneiden ihrer Partei verantwortlich, etwa die Diskussion über die Erhöhung der Benzinpreise: „Solche Debatten helfen natürlich nie in einem Wahlkampf.“ Als Signal für die Bundespolitik wertete FDP-Vorsitzender Christian Lindner das Abschneiden seiner Partei. Es sei „ein wichtiges Signal über die Landesgrenzen von Sachsen-Anhalt hinaus“.

Eine Konsolidierung und „bedeutendes Ereignis“ sei das Ergebnis für seine Partei, so Thüringens AfD-Landespartei- und Fraktionschef Björn Höcke über das Abschneiden der AfD. „Für meine Partei kann die Lehre aus der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt nur lauten: Wir müssen mehr Osten im Westen wagen!“.

AfD profitierte 2016 von Flüchtlingskrise

Die AfD hatte 2016 in Sachsen-Anhalt unter dem Eindruck der Flüchtlingskrise auf Anhieb 21 von 87 Sitzen im Landtag bekommen. Damals hatte sich aufgrund einer herben SPD-Wahlschlappe auch Deutschlands erste „Kenia-Koalition“ aus CDU, SPD und Grünen zusammengerauft. Sie besetzte 46 der 87 Sitze im Landtag, weitere 16 gingen damals an die Linke.

Die AfD versuchte zuletzt, sich mit Fundamentalopposition gegen die Coronavirus-Politik zu positionieren. Ohnehin gab es abseits der Pandemie in dem Wahlkampf nur wenige Themen – am ehesten sorgten wirtschaftliche Themen und hierbei die Frage der Ost-West-Kluft für Resonanz. Für Aufmerksamkeit sorgte unter anderem eine Kampagne der Linken, die die Benachteiligung Ostdeutscher auf dem Arbeitsmarkt anprangerte.

Koalition mit Krisenerfahrung

Die Regierungsparteien warben im Wahlkampf vor allem mit den Erfolgen ihrer Arbeit. Allerdings gab es in der Zeit der „Kenia-Koalition“ bei Weitem nicht nur Schönwetter. Sie geriet wiederholt in Krisen bis an den Rand eines Koalitionsbruchs. Streitthemen waren dabei unter anderem die Umweltpolitik oder die Annäherung von Teilen der CDU an die AfD, die auch dem damaligen Innenminister Holger Stahlknecht das Amt kosten sollte. Er hätte Haseloff eigentlich beerben sollen.

Wahlveranstaltung der AfD in Haldensleben
APA/AFP/Ronny Hartmann
Die AfD war immer wieder Streitthema in der „Kenia-Koalition“

Erst Ende des vergangenen Jahres kam es in der Koalition zu heftigem Streit, weil die CDU sich vehement gegen eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags stemmte und Teile der Partei auch ein gemeinsames Veto mit der AfD in Kauf nahmen. Der Bruch wurde gerade noch abgewendet.