BIld zeigt Amazon-Logo auf einem Gebäude.
APA/AFP/Philippe Huguen
Mindeststeuer

Warnung vor Schlupfloch für Amazon & Co.

Der Grundsatzabeschluss der G-7-Finanzminister zu einer Mindeststeuer für Großkonzerne gilt als historisch. Auf dem Weg zur Umsetzung warten aber jedenfalls noch hohe Hürden. Und wie der „Guardian“ berichtet, könnten ausgerechnet jene Konzerne, für die die Maßnahme gedacht ist, über ein Schlupfloch der Steuerpflicht entkommen.

Die zwei Säulen der Einigung würden Unternehmen zur Zahlung eines Prozentanteils ihres Gewinns in den Ländern oder Märkten verpflichten, in denen sie besonders viel Umsatz machen, auch wenn sie dort keine oder kaum eine Firmenpräsenz haben. Außerdem würde eben ein Mindeststeuersatz von 15 Prozent festgelegt, den Staaten wie Irland, Luxemburg und die Niederlande dann nicht mehr unterbieten dürften.

Die erste Säule würde laut einer schriftlichen Unterlage der G-7-Minister nur dann zur Anwendung kommen, wenn die Gewinne zehn Prozent oder mehr ausmachen. Das würde etwa Amazon von einer Steuerpflicht befreien, obwohl es eines der größten Unternehmen weltweit ist, so die britische Tageszeitung „Guardian“ am Montag. Die Luxemburg-Tochter von Amazon zahlte 2020 keinerlei Körperschaftssteuer. Damit wurde das Unternehmen ein Inbegriff für die Notwendigkeit einer Änderung des internationalen Steuersystems.

Amazon unter der Gewinngrenze

Aber Amazon wies im Vorjahr – das aufgrund der CoV-Pandemie ein ausgesprochenes Boomjahr war – lediglich 6,3 Prozent Gewinn aus. Damit würde der Großkonzern nicht unter die Steuerpflicht fallen. Amazon weist seit Jahren traditionell wenig Gewinn aus – der Großteil wird reinvestiert, um die Marktanteile weiter zu erhöhen oder neue Geschäftszweige aufzubauen.

Der Bilanzexperte Richard Murphy bezeichnete die Zehn-Prozent-Gewinn-Grenze daher gegenüber dem „Guardian“ als „unpassend“. Jedes Unternehmen habe unterschiedliche Geschäftsmodelle. Außerdem könnte das Ausweisen von Gewinnen in jedem Land „ganz leicht ausgetrickst“ werden. Die Regelung könnte sich daher als „falsche Hoffnung“ entpuppen – außer die G-7-Staaten würden bei den Details die richtige Lösung finden.

Grafik zur Mindeststeuer
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: EU-Steuerbeobachtungsstelle

Die G-7-Einigung soll den Druck auf eine entsprechende Regelung innerhalb der G-20-Gruppe erhöhen. Auch die OECD hatte sich zuletzt wiederholt für eine weltweite Mindeststeuer starkgemacht. Paul Monaghan, Leiter der Organisation Fair Tax Foundation, sieht Amazon laut der offiziell vorliegenden G-7-Einigung nicht betroffen. Sollten weitere Details vereinbart worden sein, wäre das „großartig, aber Entsprechendes ist bisher nicht bekanntgeworden“, so Monaghan.

Yellen sieht auch Amazon umfasst

US-Finanzministerin Janet Yellen betonte am Wochenende gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass sie sehr wohl davon ausgehe, dass Multis wie Facebook und Amazon davon betroffen wären. Die Regelung werde „große, profitable Unternehmen betreffen, und diese Firmen werden meiner Überzeugung nach in jedem Fall unter diese Regelung fallen“. Auch OECD-Generalsekretär Mathias Cormann betonte gegenüber der BBC, er gehe davon aus, dass auch Amazon von den Regeln erfasst werde.

Möglich werden könnte das über einen Segmentierungsansatz. Das würde bedeuten, dass Amazon Steuern für seine Tochterunternehmen zahlen muss. Vor allem die für Web-Hosting zuständige Tochterfirma AWS ist hochprofitabel – in den meisten Ländern, in denen sie aktiv ist, klar jenseits der Zehnprozentmarke.

Warnung vor Vorlage für andere Multis

Die Details sind derzeit noch offen und müssen erst ausgehandelt werden. Alex Cobham, Leiter des Netzwerks Tax Justice, warnte aber bereits: Sollte die OECD es nicht schaffen, mit den Regeln auch Amazon zu inkludieren, werde nicht nur „das Bedürfnis der Öffentlichkeit nach Gerechtigkeit verfehlt. Es wird auch eine Vorlage für andere multinationale Konzerne geschaffen, dieser Reform zu entkommen.“

Drei Milliarden zusätzlich für Österreich

EU-weit würde eine globale Mindeststeuer für Großkonzerne pro Jahr zusätzlich wohl knapp 50 Mrd. Euro in die Kassen spülen. Das geht aus Berechnungen der EU-Steuerbeobachtungsstelle, einem unabhängigen Analyseinstitut, hervor. Für Österreich werden Steuermehreinnahmen von mindestens 3,0 Mrd. Euro geschätzt, für Deutschland 5,7 Milliarden.

Ende von „Unterbietungswettbewerb“

Günter Felbermayr, Chef des Kieler Weltwirtschaftsinstituts, betonte, dass der „Unterbietungswettbewerb“ der Staaten um niedrigere Unternehmenssteuern gestoppt werden könnte – vorausgesetzt, die Einigung werde tatsächlich umgesetzt. Felbermayr verwies im Ö1-Morgenjournal-Interview vor allem darauf, dass das Vorhaben auch innerhalb Europas ein wichtiger Schritt wäre. Es würde damit ein 30-jähriger Trend, die Unternehmenssteuern zu senken, gestoppt.

Chance auf Lohnsteuersenkung

Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, bewertete die G-7-Einigung als wichtigen Schritt, „um den Unterbietungswettbewerb bei Steuern für Unternehmen zu beenden“. Zugleich hofft er auf eine innenpolitische Wirkung: Die deutsche Regierung sollte die Einigung Fratzschers Meinung nach nutzen, „um den schleichenden Prozess der Umverteilung der Steuerlast von Unternehmen hin zu Bürgerinnen und Bürgern zu beenden und umzudrehen“.

Die globalisierungskritische NGO ATTAC kritisierte die G-7-Pläne scharf. Das Modelle benachteilige ärmere Staaten besonders stark. Es sei „eine Reform von reichen Staaten für reiche Staaten“, um "sich selbst den Löwenanteil der Einnahmen zu sichern“, so ATTAC Österreich.