Frau mit einem Bierglas
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Sortenvielfalt

Stichtag in Streit über „Bierpatent“

Die Debatte über die Patentierung von Pflanzen, Saatgut und Nutztierzüchtungen durch Großkonzerne kocht immer wieder hoch – nicht zuletzt aufgrund von griffigen Beispielen wie den „Bierpatenten“ auf Braugerste. Brauereikonzerne hatten diese vor einigen Jahren erfolgreich schützen lassen. Mehrere Gruppen wollen die Entscheidung nun kippen und damit Schlupflöcher für künftige Biopatente schließen. Der Fall wird am Dienstag vor dem Europäischen Patentamt (EPA) verhandelt.

Begonnen hat der Konflikt über die „Bierpatente“ bereits 2009. Damals meldeten die Brauriesen Carlsberg und Heineken drei Patente auf Züchtungen von Braugerste und daraus gebrautes Bier an, die bessere Lagerfähigkeit und energiesparenderes Brauen ermöglichen sollten. Die Patente wurden schließlich 2016 auch von der EPA auch bewilligt.

Damit entbrannte allerdings auch eine Debatte über das Patentieren von Pflanzen, Saatgut und Nutztierzüchtungen. Nicht nur Umwelt- und Artenschutzgruppen, sondern auch Brauereien und landwirtschaftliche Betriebe lehnten sich gegen die EPA-Entscheidung und die generelle Praxis bei Patenten auf biologische Ressourcen auf.

Gerste auf einem Feld
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Verhandelt wird am Dienstag über Braugerste mit fürs Bierbrauen wünschenswerten Eigenschaften

Sorge um Artenvielfalt

Zu deren Gegnern gehört das Bündnis „Keine Patente auf Saatgut“. Es kritisiert, dass durch Patente auf Pflanzen und Tiere die Artenvielfalt und Ernährungssicherheit bedroht würden und zu „Monopolen auf Leben“ führen würden. Die Möglichkeit für weitere Züchtungen werde eingeschränkt, Innovationen dadurch blockiert, kleine und mittelständische Züchter aus dem Markt gedrängt. Das sei gerade angesichts der Klimakrise gefährlich.

Gleichzeitig würden Großkonzerne damit ihre Kontrolle über biologische Ressourcen ausbauen und letztlich entscheiden, was angebaut wird und damit auf den Tellern landet. Das bringt umso mehr die Sorge mit sich, dass die Konzentration auf dem Agrarmarkt rasant zunimmt: Schon jetzt kontrollieren nur vier Unternehmen zwei Drittel des weltweiten Saatgutmarktes, ein Drittel des Marktes allein entfällt auf Bayer-Monsanto.

Kritik an schwammiger Einschränkung

Mehrere Organisationen, darunter auch die CulturBrauer Österreich, legten damals vor diesem Hintergrund Berufung gegen Carlsbergs Patente ein und errangen Teilerfolge. Zeitnah wurden nicht nur die „Bierpatente“ eingeschränkt, sondern 2018 auch die Regeln für die Patentierung von gezüchteten Tieren und Pflanzen grundsätzlich geändert.

Seither dürfen diese nicht mehr patentiert werden, wenn sie im Wesentlichen „aus biologischen Verfahren der Züchtung“ stammen. Dabei berief man sich auf eine Leitlinie der EU-Kommission, laut der Patente bei genetischen Veränderungen erwünscht seien, nicht aber bei konventionellen Zuchtverfahren.

LKW verlässt das Carlsberg Firmengelände
APA/AFP/Scanpic Denmark/Claus Fisker
Carlsberg ist der viertgrößte Bierkonzern der Welt

Diese Entscheidung wird zwar von Kritikern von Biopatenten grundsätzlich begrüßt, doch die Einschränkung als zu schwammig kritisiert. Es gebe keine ausreichende Definition für „im Wesentlichen biologische Verfahren“, die Rede ist von „Schlupflöchern“.

Die gegenwärtige Praxis sei, dass auch zufällige Mutationen als patentierbar angesehen werden. Konzerne würden das nutzen und in Patentanträgen versuchen, konventionellen Züchtungen etwa durch die Erwähnung von Technologien wie der Genschere CRISPR/Cas einen technischen Anstrich zu verleihen und damit die Patentierung zu begünstigen.

Generalappell via Braugerstepatent

Diese Argumentation führt „Keine Patente auf Saatgut“ auch bei dem am Dienstag verhandelten Braugerstepatent an. Auch das hier verwendete Verfahren, bei dem natürliche genetische Veränderungen durch den Einsatz einer Chemikalie künstlich beschleunigt und dann durch Selektion und Kreuzung weiter ausgeprägt werden, falle unter konventionelle Züchtung. Es bestehe ein eklatanter Unterschied zu den explizit für Patentanmeldungen vorgesehen genetischen Verfahren.

Gefordert wird, dass das verhandelte „Bierpatent“ ganz widerrufen und die Regelung für die Patentierung von Pflanzen, Tieren und Saatgut von Grund auf überarbeitet wird. Es brauche genauere Definitionen zu den Verfahren und dem Ausmaß der Patentierung, so das Bündnis. Denn jedes Jahr würden rund 100 weitere Patentanträge auf konventionelle Züchtung dazukommen. In Europa seien schon jetzt über tausend Sorten von entsprechenden Patenten betroffen – von der Melone bis zum Brokkoli.