Einsatzfahrzeuge von Frontex
APA/AFP/Gent Shkullaku
EU-Rechnungshof

Frontex scheitert derzeit auf allen Linien

Der Europäische Rechnungshof hat deutliche Organisationsdefizite bei der EU-Grenzschutzbehörde Frontex kritisiert. Die Unterstützung der Mitgliedsstaaten durch Frontex sei unzureichend, gleichzeitig würden die Länder nur mangelhafte Daten liefern. Bezweifelt wird, dass Frontex den geplanten deutlichen Ausbau überhaupt umsetzen kann.

Frontex hat nach Einschätzung von Fachleuten des Europäischen Rechnungshofs bisher nicht den von ihr erwarteten Beitrag zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung und grenzüberschreitenden Kriminalität geleistet. Die Unterstützung für die Nationalstaaten in diesen Bereichen sei „nicht wirksam genug“, heißt es in einem am Montag veröffentlichten Sonderbericht.

Der seit der Flüchtlingskrise 2015/2016 stark ausgebauten Agentur sei es bis zuletzt nicht einmal möglich gewesen, ein vollständiges und aktuelles Bild der Lage an den EU-Außengrenzen zu erstellen. Nach gemeinsamen Operationen mit Grenzschutzeinheiten von Mitgliedsstaaten gebe es zudem keine solide Evaluation, heißt es in dem Bericht.

Versäumnisse auf beiden Seiten

Als Ursache für die Mängel werden vor allem Versäumnisse bei Frontex selbst, aber auch aufseiten der EU-Staaten genannt. So monieren die Experten, dass Frontex zum Beispiel bei der Personalplanung nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen habe, um die Organisation so anzupassen, dass das Mandat erfüllt werden kann. Der Präsident der Behörde, Klaus-Heiner Lehne, sprach in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ von einem „herausragenden Fall“ organisatorischer Defizite.

Zugleich wird auch kritisiert, dass Mitgliedsstaaten zum Teil nicht die für die Arbeit von Frontex erforderlichen Informationen bereitstellten oder unvollständige und minderwertige Daten lieferten. Im Bereich der grenzüberschreitenden Kriminalität fehle ein geeigneter Rahmen für den notwendigen Informationsaustausch, schreiben die Prüfer.

Frontex-Schiff 2016
Reuters/Alkis Konstantinidis
Frontex-Schiffe stehen unter dem Kommando des Landes, das den Einsatz führt

Zweifel an geplanter Aufstockung

Als problematisch werden die Defizite auch deswegen gesehen, weil Frontex in den kommenden Jahren erheblich wachsen und weitere Aufgaben übernehmen soll. So sehen die Planungen vor, die Grenzschutztruppe bis 2027 schrittweise von derzeit rund 1.500 auf bis zu 10.000 Grenzschützer aufzustocken. Die entsandten Frontex-Einsatzkräfte sollen dann zum Beispiel mit Genehmigung des jeweiligen Gaststaates auch Grenzkontrollaufgaben durchführen können.

Frontex war 2004 von der EU gegründet und nach der 2015 begonnenen Flüchtlingskrise zur Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache ausgebaut worden. Der eigentliche Grenzschutz fällt zwar weiterhin unter die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten, die Agentur soll aber eigentlich für ein gemeinsames Management der Außengrenzen sorgen und nationale Grenzschutzeinheiten bei Bedarf effektiv unterstützen.

Statt sichtbarer Fortschritte gab es zuletzt allerdings vor allem Kritik an der Arbeit von Frontex-Einheiten. Dabei geht es unter anderem um mögliche illegale Zurückweisungen von Schutzsuchenden an den EU-Außengrenzen. So haben griechische Grenzschützer Medienberichten zufolge mehrfach Boote mit Migranten illegal zurück in Richtung Türkei getrieben. Frontex-Beamte sollen dabei teils in der Nähe gewesen sein und das nicht verhindert haben. Mehrere EU-Stellen untersuchen die Vorwürfe.

Kontrollraum von Frontex 2015
APA/AFP/Gent Shkullaku
Die Zahl der illegalen Grenzübertritte ist seit dem Vorjahr wieder deutlich gestiegen

Klage bei EuGH eingereicht

Ende Mai hatten drei Nichtregierungsorganisationen im Namen von zwei Asylbewerbern eine Klage wegen Menschenrechtsverletzungen gegen Frontex beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht. Die Betroffenen seien auf der griechischen Insel Lesbos „gewaltsam zusammengetrieben, angegriffen, ausgeraubt, (…) kollektiv ausgewiesen und schließlich auf Flößen ohne Wasser, Nahrung oder Navigationsmöglichkeit auf dem Meer ausgesetzt worden“.

Die Betroffenen, ein unbegleiteter Minderjähriger und eine Frau, seien zudem bei ihrem Versuch, Asyl in der EU zu beantragen, Opfer weiterer Pushbacks geworden, hielten die Organisationen Front-Lex, das Progress Lawyers Network sowie die griechische Gruppe der Menschenrechtsorganisation Helsinki Monitor fest.

Front-Lex hatte Frontex-Chef Fabrice Leggeri bereits im Februar aufgefordert, die Arbeit der Agentur in der Ägäis einzustellen, und damit gedroht, vor den EuGH zu ziehen. Die Tätigkeit von Frontex vor der griechischen Küste stelle „einen eklatanten Verstoß gegen die EU-Grundrechtecharta, den Vertrag über die Arbeitsweise der EU und die Frontex-Bestimmungen“ dar. Frontex-Chef Leggeri sah bisher kein Fehlverhalten bei seiner Behörde.