Herstellung des Alzheimer-Medikaments von Biogen
AP/Biogen
US-Zulassung

Start für umkämpftes Alzheimer-Medikament

Trotz umstrittener Wirksamkeit hat die US-Arzneimittelbehörde FDA ein neues Alzheimer-Medikament zugelassen. Der Wirkstoff Aducanumab sei die erste neuartige Behandlungsmethode gegen die neurodegenerative Erkrankung, die seit 2003 zugelassen worden sei, teilte die FDA am Montag mit.

Das vom US-Biotechnologiekonzern Biogen entwickelte Medikament soll Patientinnen und Patienten mit Alzheimer im Frühstadium als monatliche Infusion gegeben werden und den Abbau der Geisteskraft stoppen.

Wie gut Aducanumab wirkt, ist allerdings umstritten: 2019 waren zwei klinische Studien zur Erprobung von Aducanumab, das unter dem Namen Aduhelm vermarktet wird, wegen fehlender Aussicht auf Erfolg abgebrochen worden. Ein internes Beratergremium der FDA hatte sich gegen die Zulassung ausgesprochen.

FDA: Nutzen größer als Risken

„Wir sind uns der Aufmerksamkeit rund um diese Zulassung sehr bewusst“, hieß es nun von der FDA. Man sei zu dem Schluss gekommen, dass der Nutzen von Aducanumab größer sei als die Risiken. Der Wirkstoff werde nun weiter genau beobachtet werden, zudem müsse der Hersteller weitere Studien vornehmen. „Wenn der Wirkstoff nicht so wirkt wie vorgesehen, können wir Schritte unternehmen, um ihn wieder vom Markt zu holen.“

„Das sind gute Nachrichten für Alzheimer-Patienten“, sagte der Alzheimer-Experte Ronald Petersen von der Mayo Clinic in Minnesota und sprach von einem „besonderen Tag“. Er wies jedoch darauf hin, dass das Mittel keine Heilung bringe. „Es besteht die Hoffnung, dass dies das Fortschreiten der Krankheit verlangsamt.“

Aducanumab zielt darauf ab, Beta-Amyloid – eine der beiden charakteristischen Eiweißablagerungen für Alzheimer – aus den Gehirnen von Patienten in einem frühen Stadium der Krankheit zu beseitigen. Nach Angaben der FDA zeigten die klinischen Studien mit dem Mittel eine erhebliche Verringerung der Ablagerungen. Bei einigen Patienten trat aber eine potenziell gefährliche Hirnschwellung auf.

Herstellung des Alzheimer-Medikaments von Biogen
AP/Biogen
Das neue Medikament soll das Fortschreiten der Alzheimer-Krankheit verlangsamen

Bisher gibt es keine wirksame Therapie für die schnell fortschreitende Demenzerkrankung, bei der sich im Gehirn der Betroffenen Eiweißklumpen ansammeln, die die Nervenzellen schädigen. Zahlreiche Pharmakonzerne mussten in diesem Forschungsfeld bereits Misserfolge verkraften. Gegenwärtige Medikamente können lediglich die Symptome lindern.

Genaue Ursachen noch ungeklärt

Die Wissenschaft versteht die Ursachen von Alzheimer nicht vollständig, aber es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Gehirnablagerungen, auf die Aducanumab abzielt, nur ein Faktor sind. Es gibt zunehend Hinweise darauf, dass auch die Familiengeschichte, die Bildung und chronische Erkrankungen wie Diabetes und Herzkrankheiten eine Rolle spielen können.

„Das ist nur ein Teil des Puzzles, und ich denke, dass all diese anderen Möglichkeiten erforscht und erweitert werden müssen“, sagte Petersen, der Biogen und andere Arzneimittelhersteller beraten hat. Bei Patienten, die Aducanumab einnahmen, nahm das Denkvermögen um 22 Prozent langsamer ab als bei Patienten, die eine Scheinbehandlung erhielten.

Das bedeutete aber nur einen Unterschied von 0,39 auf einem 18-Punkte-Score für kognitive und funktionelle Fähigkeiten. Und es ist unklar, wie sich solche Messwerte in praktischen Vorteilen niederschlagen wie etwa einer größeren Unabhängigkeit oder der Fähigkeit, sich an wichtige Details zu erinnern.

Zweifel bleiben

In klinischen Studien traten bei einigen Patienten, die die höchste Dosis des Medikaments erhielten, Gehirnschwellungen auf, die überwacht werden mussten. Das Risiko war am höchsten bei Patienten mit einer genetischen Veranlagung für Alzheimer.

Kopfschmerzen sind auch eine berichtete Nebenwirkung des Medikaments. Die FDA sagte, dass zukünftige Patienten, bei denen die Hirnschwellung auftritt, überwacht werden sollten, aber nicht unbedingt das Medikament abgesetzt werden muss.