Außenansicht des US-Senats in Washington D.C.
AP/J. Scott Applewhite
250-Mrd.-Dollar-Paket

USA wollen China bei Hightech ausbremsen

Es ist das größte Förderpaket, das in der Geschichte der USA für die Industrie je geschnürt wurde. Und es soll dafür sorgen, dass Chinas Aufstieg zur weltweiten Nummer eins in Sachen Hightech verhindert wird. Dabei zeigt sich, dass ausgerechnet die zunehmend harte Auseinandersetzung mit China eine der letzten innenpolitischen Brücken zwischen Demokraten und Republikanern in den USA ist. Für die EU wird es indes immer schwieriger, sich in diesem Wettstreit als eigenständiger Player zu behaupten.

Fast 250 Milliarden Dollar (205 Mrd. Euro) sollen in den nächsten Jahren in Forschung und Produktion von Hightech-Produkten – von Halbleitern bis zu künstlicher Intelligenz – fließen. Denn die USA drohen im technologischen Wettlauf ins Hintertreffen zu geraten. Dass dieses Paket im Eiltempo und mit einer breiten Mehrheit beider Parteien verabschiedet wird, zeigt, wie ernst in den USA die Bedrohung der wirtschaftlichen und militärischen Hegemonie durch Peking mittlerweile genommen wird. Der Gesetzesentwurf wurde am Dienstag (Ortszeit) mit überparteilicher Zustimmung im Senat verabschiedet. Die Auseinandersetzung mit China sei „eines der wenigen Themen, die beide politischen Parteien vereinen können“, fasst es die „New York Times“ zusammen.

Die Republikaner zementieren damit den Richtungswechsel in der eigenen Partei, den Ex-Präsident Donald Trump eingeleitet hat. Denn die „Grand Old Party“ war stets strikt gegen eine staatliche Lenkung der Wirtschaft. Doch gemeinsam mit den Demokraten wird mit dem Paket ein riesiges Investment in die Halbleiterproduktion, die KI-Forschung, Quantencomputer und mehrere andere Zukunftstechnologien beschlossen.

Der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer
AP/J. Scott Applewhite
Chuck Schumer hat einen der ganz wenigen Bereiche gefunden, in denen ihm auch Republikaner folgen

Für Schumer Kampfansage an autoritäre Regime

Auch das Schaffen neuer Arbeitsplätze spielt dabei eine Rolle – doch vorangetrieben wurde das Paket vor allem durch Vergleiche mit dem ideologischen, militärischen und wirtschaftlichen Wettkampf während des Kalten Krieges und Warnungen, dass Nichthandeln die USA in gefährliche Abhängigkeit von seinem größten geopolitischen Gegner bringen würde, so die „NYT“. In einem Kommentar im „Wall Street Journal“ hatte William Galston von der Brookings Institution angemerkt: „Amerika erkennt die chinesische Gefahr.“

Der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, warnte zuletzt, autoritäre Regierungen weltweit würden „das Blut im Wasser riechen“. Sie würden glauben, dass „streitende Demokratien wie unsere sich nicht auf nationale Prioritäten einigen und investieren können, wie das zentralisierte, autoritäre Regierungen können“. „Sie setzen darauf, dass wir versagen“, damit sie die globale Führung in der Wirtschaft übernehmen könnten, so Schumer. Der Demokrat hatte die Initiative für den „Endless Frontier Act“ (etwa: Endlose-Grenze-Gesetz) letzten Herbst mit dem republikanischen Kollegen Todd Young gestartet.

Der Reinraum des NASA Glenn Research Center für die Produktion von Mikrosystemen
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Produktion von Mikrosystemen im NASA Glenn Research Center

„Verblüffende Ähnlichkeit“ mit chinesischem Plan

Die „New York Times“ verweist allerdings auf die „verblüffende Ähnlichkeit“ der durch das Paket geförderten Projekte mit jenen des Pekinger „Made in China 2025“-Programms. Mit 52 Mrd. Dollar soll die Halbleiterindustrie subventioniert werden, 195 Mrd. Dollar werden für Forschung und Entwicklung bereitgestellt. Dieses von Präsident Xi Jinping vor sechs Jahren angekündigte Programm sieht gewaltige Regierungsausgaben in Technologien vor, bei denen China von ausländischen Unternehmen unabhängig werden will.

Befürworter des Pakets wie Schumer weisen den Vergleich freilich entschieden zurück. Man schaffe die technologischen Grundlagen, die Privatwirtschaft könne damit arbeiten und Jobs schaffen.

Weitere Entkoppelung

Eine Folge dürfte sein, dass sich die USA und China wirtschaftlich weiter voneinander abkoppeln. Peking fürchtet, noch jahrelang für die letzten Generationen an Chips und Software von den USA abhängig zu sein. Washington wiederum hat die gleiche Angst in Sachen Telekommunikation angesichts Chinas Vorsprungs bei 5G. Verstärkt wird das wohl noch dadurch, dass US-Präsident Joe Biden zuletzt per Verordnung US-Investitionen in Unternehmen, die Chinas Militär unterstützen, und Überwachungstechnologie, die etwa zur Unterdrückung der Uiguren verwendet wird, untersagte.

Das 250-Milliarden-Paket ist jedenfalls auch ein Widerspruch zu der jahrelangen US-Position, staatliche Subventionen im Privatsektor zu bekämpfen – etwa bei Airbus in Frankreich und Huawei in China. Sage Chandler von der Handelslobby Consumer Technology Association sieht die Entwicklung entsprechend kritisch: „Es ist eine Ironie, dass wir sie zuerst bestrafen und dann ihr Vorgehen in verschiedenen Bereichen eins zu eins kopieren.“

US-Präsident Joe Biden hält eine Wafer-Scheibe in der Hand
AP/Patrick Semansky
US-Präsident Biden mit einem Siliziumwafer, einem Grundbaustein für Chips

Europa zwischen zwei Stühlen

Für die Europäische Union wird es in diesem wirtschaftlich-geopolitischen Wettrennen immer schwieriger, eine eigenständige Rolle zu bewahren. Noch buhlen China und die USA um europäische Unternehmen, damit diese Produktionskapazitäten bei ihnen auf- oder ausbauen. Doch der Tag, an dem die EU oder deren große Volkswirtschaften gezwungen sein könnten, sich für eine der beiden Seiten zu entscheiden, dürfte näher rücken.

„Brauchen technologische Souveränität“

Das machte zu Wochenbeginn auch die Führung von Bosch – Aufsichtsratschef Franz Fehrenbach und Vorstandschef Volkmar Denner – im Interview mit dem deutschen „Handelsblatt“ klar. Anlässlich der Eröffnung eines neues Hightech-Werks in Dresden zur Herstellung von Halbleitern, an denen derzeit weltweit ein eklatanter Mangel herrscht, forderten die Manager des Technologiekonzerns und Autozulieferers mehr Investitionen im europäischen Technologiesektor.

„Wenn wir Europäer die Position im Spannungsfeld zwischen USA und China halten wollen, brauchen wir technologische Souveränität“, sagten sie. Europa müsse wichtige Technologiefelder definieren und „massiv investieren, um ein relevanter Player zu bleiben“.

Und am nächsten Tag meldeten sich Siemens und BASF im Zukunftsfeld erneuerbare Energien mit ganz ähnlichen Warnungen zu Wort: Die EU müsse den stärkeren Ausbau der erneuerbaren Energiequellen per Gesetz stark forcieren, sonst werde man mit den USA und China nicht mehr mithalten können.