Broschüren der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG)
APA/Philip Stotter
Schmid-Rückzug

Expertin plädiert für ÖBAG-Doppelspitze

Nach dem Rücktritt von Thomas Schmid stellt sich nun die Frage, wer ihm an der Spitze der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG) nachfolgen soll. „Aus meiner Sicht wäre jedenfalls eine Doppelspitze besser“, sagte die Unternehmensrechtsexpertin an der Wirtschaftsuniversität Wien, Susanne Kalss, am Mittwoch im Ö1-Morgenjournal. Im Zuge der Bestellung Schmids sei das ÖBAG-Gesetz „pervertiert“ worden, kritisierte sie auch.

Eine Doppelspitze ist laut Kalss auch im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten: „Der Paragraf sechs des ÖBAG-Gesetzes sagt, dass ein Vorstand zu bestellen ist. Das heißt, dass das Organ Vorstand zu bestellen und zu besetzen ist, aus einer oder mehreren Personen.“ Die Bestellung mehrerer Vorstände sei immer schon möglich gewesen, leider habe der Aufsichtsrat davon aber keinen Gebrauch gemacht.

Die Einschätzung der Expertin divergiert mit jener von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP). Auf die Frage, ob er einen Zweiervorstand für die ÖBAG für sinnvoll halten würde, verwies er auf die gesetzliche Bestimmung für die Staatsholding, wonach für das aktuelle Portfolio ein Einzelvorstand vorgesehen sei. Blümel ist als Finanzminister Eigentümervertreter der Republik für die Staatsholding ÖBAG.

ÖBAG berät Schmid-Ersatz

Bis Herbst oder spätestens zum Jahresende soll der Posten besetzt werden, hieß es am Dienstag. Als Interimsvorstand fungiert bis dahin ÖBAG-Direktorin Christine Catasta, die sich selbst nicht bewerben will. Der Headhunter Zehnder wurde Medienberichten zufolge mit der Ausschreibung und Suche beauftragt. Die Hearings der Kandidaten und Kandidatinnen sind für September geplant.

Die Staatsholding stimmt sich derzeit zudem mit ihren Beteiligungen OMV, Verbund, Telekom Austria und Co. ab, ob und wann der zurückgetretene ÖBAG-Chef in den jeweiligen Aufsichtsräten nachbesetzt wird. Es sei ein „weiteres Vorgehen“ geplant, das Prozedere hänge auch vom Aktienrecht ab, sagte ÖBAG-Sprecherin Melanie Laure am Mittwoch zur APA.

Schmid legte mit seinem Rücktritt am Dienstag auch seine insgesamt sechs Aufsichtsratsmandate zurück. Für die Wahl einer Nachfolgers oder einer Nachfolgerin in den Aufsichtsrat bedarf es bei Aktiengesellschaften einer Hauptversammlung, die im Regelfall nur einmal jährlich stattfindet. Bis Schmid überall nachbesetzt ist, könnte es also dauern.

Gesetz „pervertiert“

Die Unternehmensrechtexpertin Kalss verwies zudem auf die „besondere Konstellation“ des Aufsichtsrats, durch die das Gesetz in seiner Konstruktion „pervertiert“ worden sei. „Das war das eigentliche Grund- und Strukturproblem des Aufsichtsrats der ÖBAG – dass eigentlich der Mann, der künftig vom Aufsichtsrat zum Vorstand bestellt werden soll, sich vorher die Aufsichtsräte ausgesucht hat.“

Die Corporate Governance der ÖBAG sei insofern „von Anfang an auf den Kopf gestellt“ worden. „Man muss aber dazu sagen, dass das Gesetz, das ÖBAG-Gesetz, als solches gut ist und hier dem Aufsichtsrat diese Aufgabe (Bestellung des Vorstands) zuweistl Aber eben aus der besonderen Konstellation und aus dem besonderen Zusammenhang ist eigentlich das Gesetz pervertiert worden in seiner Konstruktion.“ Der Aufsichtsrat habe nun aber „tatsächlich erstmals frei seine Personalkompetenz wahrgenommen“.

ÖBAG-Aufsichtsrat „fachlich gut geeignet“

Der Aufsichtsrat habe Schmid aus wichtigem Grund sowie wegen Unzumutbarkeit abberufen. „Wenn ich den ganzen Tag damit fülle, dass ich meine Chats kontrolliere und so meine Aufgaben nicht mehr erfüllen kann, dann liegt der wichtige Grund vor“, so Kalss. Darüber hinaus sei dieser Zustand für die ÖBAG nicht mehr zumutbar gewesen, die immerhin rund 26 Mrd. Euro an Staatsvermögen verwaltet.

Nun – nach Schmids Rücktritt – habe der Aufsichtsrat aber die Möglichkeit, frei und ohne Druck einen neuen fachlich qualifizierten Vorstand zu bestellen, so Kalss. „Ich glaube, dass das durchaus fachlich geeignete Personen sind“, sagte Kalss. Dieses „Problem Schmid, also diese Steuerbarkeit“ sei nun nicht mehr gegeben. Der Aufsichtsrat könne daher seine Aufgaben „im Sinne des Gesetzes und im Sinne der besten Interessenverfolgung“ wahrnehmen. Eine Erneuerung sei aus ihrer Sicht zwar möglich, aber „nicht zwingend erforderlich“.

Schmid-Abfertigung: „Hätte man anders machen können“

Zur in mehreren Medien kolportierten Abfertigung für Schmid in Höhe von 200.000 bis 250.000 Euro sagte Kalss, dass eine solche zwar möglich sei, da die Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit Schmid einvernehmlich gewesen sei. „Man hätte das aber auch anders machen können“, sagte die Expertin. Die Aussagen von Interimschefin Catasta, die bei einer Diskussion am Dienstagabend gesagt hatte, Chats wie von Schmid habe „jeder am Handy“, seien „absolut überflüssig“ gewesen, meinte Kalss.

Schmid entschuldigt sich

Schmid hatte sich nur wenige Stunden nach seinem Rücktritt für seine publik gewordenen Chats entschuldigt: „Heute sehe ich klar, dass das falsch und zynisch war.“ Und: „Ich habe mich in diesen privaten Chats in einer Art über Menschen, Organisationen und politische Entwicklungen geäußert, die ich heute bereue“, so Schmid in seiner Stellungnahme. Es tue ihm „außerordentlich leid, wenn ich damit jemanden verletzt oder verstört habe“.

ÖBAG-Vorstand Schmid tritt zurück

Nachdem intime Privatchatprotokolle im Zuge des „Ibiza“-Untersuchungsausschusses an die Medien gespielt und von diesen veröffentlicht wurden, tritt Thomas Schmid als Vorstand der Österreichischen Beteiligungs AG zurück.

Besonders bedauere er, dass die öffentliche Diskussion über seine Chats dazu geführt habe, dass die Leistungen „des kleinen, sehr engagierten und professionell arbeitenden ÖBAG-Teams“ nicht ausreichend gewürdigt würden. Es sei ihm bewusst, dass „meine privaten Äußerungen weiterhin Gegenstand der innenpolitischen Diskussion bleiben werden“, aber man solle zwischen diesen und der Arbeit der ÖBAG unterscheiden.

Vorzeitiger Abschied

Bis März 2022 hätte Schmid noch in seiner Position als ÖBAG-Vorstand bleiben sollen. Am Dienstag gab er vorzeitig seinen Rücktritt mit sofortiger Wirkung bekannt, da „die öffentliche Diskussion rund um private Nachrichten eine sinnvolle und konstruktive Tätigkeit“ als ÖBAG-Vorstand nicht mehr möglich gemacht hätten. Die Trennung ist einvernehmlich, es steht ihm daher eine Abfindung zu. Das Ermittlungsverfahren ist mit der Vertragsauflösung aber noch nicht beendet.

Zwar ist für den Aufsichtsratschef der Staatsholding, Helmut Kern, nun Rechtsfrieden hergestellt. Fördern die Ermittlungen strafrechtlich Relevantes zutage, könne Schmid auf dem Zivilrechtsweg noch belangt werden, hieß es allerdings von Juristen gegenüber dem „Kurier“. Kern sagte am Dienstag im Ö1-Mittagsjournal, dass das Gremium gemeinsam mit Schmid zum Schluss gekommen sei, dass eine sofortige Beendigung des Dienstverhältnisses von Schmid „das Sinnvollste zum Wohl der ÖBAG ist“.

ÖBAG-Aufsichtsratchef Helmut Kern
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Laut ÖBAG-Aufsichtsrat Kern wird der Vertrag nicht ausbezahlt

Anspruch auf Bonifikationen für 2021 habe Schmid keine. „Der Vertrag wird nicht ausbezahlt“, so Kern. Das, was Schmid zum Abschied erhalte, „liegt deutlich unter dem, als wenn der Vertrag ausbezahlt worden wäre“, so Kern ohne weitere Details zur Vertragsauflösung. Der Aufsichtsratschef berief sich dabei auf Vertraulichkeitsgründe. Laut ZIB1-Recherchen dürfte sich die Abfindung für Schmid über 200.000 Euro belaufen. Für den SPÖ-Fraktionsführer im U-Ausschuss, Kai Jan Krainer, ist das „ein Hohn“, wie er Dienstagabend in der ZIB2 sagte.

Politiker zum Rücktritt Schmids

Andreas Hanger (ÖVP) und Kai Jan Krainer (SPÖ) sprechen über den Rücktritt von Thomas Schmid als ÖBAG-Vorstand. Auch die Chatnachrichten und der „Ibiza“-U-Ausschuss werden thematisiert.

„Kein Berufsverbot“ für Schmid

Bezahlt wird von der öffentlichen Hand. Schmids Vertrag sah ein Jahresgehalt von 400.000 bis 600.000 Euro je nach Zielerreichungen vor – also mehr, als Bundespräsident und -kanzler verdienen. „Wir haben von Beginn der ganzen Causa gesagt, dass wir die Sache laufend einer Beurteilung unterziehen“, so Kern weiter. Es sei nicht um Einzelereignisse gegangen, sondern um eine Gesamtbeurteilung. Diese habe nun zur sofortigen Vertragsauflösung geführt. Schmid habe jedenfalls „kein Berufsverbot“ so Kern. Er könne ab sofort einen neuen Job antreten.

Grafik zu ÖBAG-Vorständen
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/ÖBAG/Baumann

Schmid trete auch von allen für die ÖBAG gehaltenen Aufsichtsratspositionen in Beteiligungsgesellschaften zurück, hieß es vonseiten der Staatsholding am Dienstag. Nach der anhaltenden Diskussion der letzten Monate habe der Aufsichtsrat die Situation um den ÖBAG-Vorstand mit juridischer Beratung neuerlich bewertet.

Gemischte Reaktionen der Parteien

Als „längst überfällig“ bezeichneten die Oppositionsparteien SPÖ, NEOS und FPÖ aber auch die Grünen den Rücktritt von Schmid. Dank kam unterdessen von der ÖVP.

„Wie der Pöbel“

Vor rund einer Woche waren neue Chatprotokolle veröffentlicht worden. SPÖ und FPÖ hatten daraufhin ÖBAG-Alleinvorstand Schmid erneut zum Rücktritt aufgefordert. In den Kurznachrichten beschwerte sich Schmid etwa darüber, dass er ohne Diplomatenpass nun „wie der Pöbel“ reisen müsse. Laut den in mehreren Medien veröffentlichten Protokollen diskutierte Schmid mit einer Vertrauten auch darüber, in seiner neuen Funktion als ÖBAG-Chef den Betriebsrat „abdrehen“ zu wollen („Und Betriebsrat. Weg damit.“). „Das können wir nicht einfach so machen“, antwortete ihm diese, man müsse „auch andere Ideologien verstehen“. Schmids Reaktion: „Andere Ideologien. Fu… that.“

Auch über Flüchtlinge wurde „gescherzt“: Nach der Buchung eines Fluges nach Addis Abeba fragte seine Assistentin Schmid, ob er auch einen Rückflug brauche. Auf seine Frage, ob sie ihn dort lassen möchte, antwortete sie: „Ab Kairo gibt es Schlauchboote.“ Nachdem sie Schmid dann etwas später die Buchung bestätigt hatte, fragte er zurück: „Mit den Flüchtlingen? Smiley.“

Aufregung auch über Chats mit Blümel und Kurz

Schon Ende März gab es Aufregung um Chats des nunmehrigen Ex-ÖBAG-Chefs. „Du bist Familie“, schrieb ihm Finanzminister Blümel einmal. Als die gesetzliche Grundlage für den neuen Job in der ÖBAG gegeben war, schrieb Blümel – damals Kanzleramtsminister – an Schmid: „Schmid AG fertig“. Antwort von Schmid: „Habe noch keinen Aufsichtsrat“.

Vor seiner Bestellung zum ÖBAG-Vorstand bat Schmid Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) offenbar, ihn „nicht zu einem Vorstand ohne Mandate“ zu machen. Die Antwort von Kurz: „Kriegst eh alles, was du willst.“ Aus den Chats ging auch hervor, dass Schmid als damaliger Generalsekretär im Finanzministerium selbst an der Ausschreibung für den ÖBAG-Posten mitfeilte und diese praktisch auf ihn maßgeschneidert wurde. So sorgte er sich wegen der ursprünglich gewünschten internationalen Erfahrung, die ihm selbst fehlt – und die Ausschreibung wurde umformuliert.