„Ibiza“-Ausschuss: WKStA-Leiterin sieht Einschüchterung

Der Fokus im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss liegt heute einmal mehr auf den Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und der wiederholten Kritik der ÖVP an der Ermittlungsbehörde.

Angehört wird neben Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda, die bereits zum zweiten Mal befragt wird, auch der bei der Behörde tätige Oberstaatsanwalt Bernhard Weratschnig. Bereits zuvor hatten WKStA-Vertreter im Ausschuss über „Störfeuer“ und Behinderungen ihrer Arbeit geklagt.

Vrabl-Sanda sieht Diskreditierung von „innen“

Vrabl-Sanda führte die Kritik an der WKStA in ihrer Stellungnahme vor der Befragung darauf zurück, dass die Arbeit der WKStA nicht ausreichend bekannt sei. Man sei verpflichtet, Anzeigen zu prüfen, ohne darauf zu achten, von wem sie kommen oder an wen sie gerichtet sind. Wenn diese Prüfung einen Anfangsverdacht ergebe, dann seien Ermittlungen einzuleiten, „da gibt es keinen Spielraum“.

WKStA-Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda
ORF.at/Peter Pfeiffer

Da das Aufgabengebiet der WKStA Amtsmissbrauch und Vermögensstraftaten betreffe, seien die Personen auch meist Personen, die „entscheidende Funktionen im Staat tragen, weil diese Gelegenheit haben, solche Straftaten zu begehen“. Sie sieht eine Diskreditierung, Stimmungsmache und Negativkampagne gegen die Staatsanwaltschaft von „innen und außen“, deren Saat „aufgegangen und sich verbreitet hat“.

Die Staatsanwälte müssten gegenüber Kritikern „blind und taub“ sein, Vrabl-Sanda wies zudem darauf hin, dass keiner der Betroffenen gerichtliche Schritte gegen die Maßnahmen erhoben hat. Die Staatsanwälte selbst könnten sich gegen die Angriffe durch die Politik nicht wehren, sie werte das als Versuche der Einschüchterung, die sich auch gegen den Rechtsstaat richten.

„Warum soll man sich das antun?“

Die Frage sei: „Warum soll man sich dem aussetzen?“ Vrabl-Sanda sprach auch die Aufsicht (Oberstaatsanwaltschaft und Ministerium) an und meinte auf Fragen des Verfahrensrichters, dass man die gesamte Struktur überdenken müsse, einzelne Personen auszutauschen reiche nicht.

Zur Prüfung und Auswahl der Chats – zuletzt besonders im Visier der Kritik – sagte sie, es gebe definierte Kriterien. Man werte nach Themen und den Untersuchungszeiträumen des U-Auschusses aus, zudem gebe es Konsultationen mit dem Justizministerium und den im Ausschuss vertretenen Fraktionen. Dabei sei keine Kritik geäußert worden, die sei dann über die Medien gekommen. Am Ende sei die Ministerin dafür verantwortlich, was genau vorgelegt wird.

Über Pilnacek-Chats „erschüttert“

Gefragt von NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper nach Nachrichten von Christian Pilnacek, wonach Accounts der WKStA gesichert werden müssten, zeigte sich die WKStA-Leiterin „erschüttert“. Ihre Nachfrage habe ergeben, dass das nicht passiert sei. Sie forderte eine Prüfung der Vorgänge in der Justiz, diese müsse sich an die eigenen Regeln halten.

Die WKStA brauche auch mehr Leute, so Vrabl-Sanda im weiteren Verlauf der Befragung. Natürlich hätten alle Staatsanwaltschaften viel Arbeit, aber es gehe um Schwerpunkte. Sie selbst reagiere nicht auf Einmischungen der Politik in laufende Verfahren, sie versuche, ihre Kollegen so gut wie möglich vor Angriffen zu schützen. Allerdings bleibe oft genug in der Öffentlichkeit „was picken“, da brauche es eine zeitgerechte Reaktion, das sei aber eine Gratwanderung.

ÖVP wirft WKStA-Anwälten Befangenheit vor

Die ÖVP – insbesondere deren Fraktionsführer im U-Ausschuss, Andreas Hanger – hatte in den vergangen Wochen viel Kritik an der WKStA geübt. Hanger ortete bei der Anklagebehörde diverse „Fehlleistungen“ und warf WKStA-Oberstaatsanwalt Matthias Purkart „politische Befangenheit“ vor.

Vor der Befragung heute sagte Hanger, dass die ÖVP eine Sachverhaltsdarstellung bzw. Strafanzeige gegen einzelne Staatsanwälte prüfe, im Besonderen gegen Purkart. Man werfe einzelnen Staatsanwälten Befangenheit vor. Hanger zitierte zudem Artikel acht der Menschenrechtskonvention für das Recht auf Privatsphäre, dazu wolle er Vrabl-Sanda befragen.

Hanger und Details zu Chatauswahl

Schließlich fragte Hanger Vrabl-Sanda in der ersten Fragerunde nach dem aktuellen Stand der laufenden Verfahren und dann zu den Kriterien, nach denen die Chats, die dem Ausschuss vorzulegen sind, ausgewählt werden. Im Zweifel müsse auf Anweisung vorgelegt werden, so Vrabl-Sanda, grundsätzlich müsse Nicht abstrakt Relevantes geschwärzt werden. Zudem entscheide nicht ein einzelner Staatsanwalt, sondern ein Team.

Mit anderen Fragen und einer eigenen Zusammenfassung des bisher Gesagten sorgte Hanger unter den anderen Abgeordneten für einige Aufregung und Geschäftsordnungsdebatten. Er kündigte im weiteren Verlauf juristische Schritte an, um die Frage zu klären, warum Chats – im Speziellen die vom SPÖ-Abgeordneten und Gewerkschaftschef Wolfang Katzian – nicht in den Akt aufgenommen wurden. Vrabl-Sanda erklärte dazu, sie glaube nicht, dass die Fraktionen im Ausschuss das so könnten.

Die jetzige Dienstaufsicht über die WKStA, zwei Stellvertreter des Leiters der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Hans Fuchs, frage mittlerweile herkömmliche Dinge ab, zeigte sich die Leiterin der WKStA überrascht. Das habe sie so noch nicht erlebt. Die Info, dass gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ermittelt werde, sei nicht aus der WKSta gekommen, man könne aber auch nicht den Verfahrensparteien Einsicht in den Akt verwehren. Der wiederholte Vorwurf, dass Leaks aus der WKStA kommen, habe sich nicht bestätigt.

Grüne fordern Ende der Angriffe

Hinter die WKStA stellte sich im Vorfeld der Befragung die grüne Fraktionsführerin Nina Tomaselli: Es gebe schon eine Weile „Dirty Campaining“ gegen die WKStA, das „ganze Ausmaß des Sittenbilds“ sehe man aber ganz klar in den veröffentlichten Chats. Die Angriffe durch Parlamentarier seien einzustellen, bezog sich Tomaselli auf Hanger.

SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer sagte: Dass ein Abgeordneter im Schutz der Immunität einem Staatsanwalt Befangenheit und Amtsmissbrauch vorwirft, ohne dazu Beweise auf den Tisch zu legen, sei „grenzüberschreitend“. Die WKStA sei sicher nicht ohne Fehler, aber sie arbeite auch „parteiblind“.

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) sei gefordert, so einmal mehr FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker, um in der Justiz die Netzwerke der ÖVP zu entwirren und aufzuräumen. Für zusätzliche Brisanz werden heute wohl auch die kürzlich bekanntgewordenen Chats des suspendierten Justizsektionschefs Christian Pilnacek sorgen, die den Rücktritt von VfGH-Richter Wolfgang Brandstetter zur Folge hatten, deuteten die Vertreter der Opposition an.