Auskunftsperson Bernhard Weratschnig
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„Ibiza“-U-Ausschuss

„Hätte das nicht für möglich gehalten“

Seit der Veröffentlichung des „Ibiza-Videos“ seien in der Justiz viele Dinge passiert, die er auch mit seiner langjährigen Erfahrung „nicht für möglich“ gehalten habe, sagte der leitende Staatsanwalt im „Ibiza“-Verfahren in der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) am Mittwoch im „Ibiza“-U-Ausschuss. Anstatt unterstützt zu werden, würden die Ermittlungen der WKStA „mit viel Aufwand“ behindert.

„Korruptionsbekämpfung ist kein Spaziergang, sondern ein Marathonlauf mit Hindernissen“, sagte Bernhard Weratschnig, Leiter jener Gruppe in der WKStA, die mit dem „Ibiza-Video“ beschäftigt ist, einleitend. Wie die Bekämpfung tatsächlich ausgestaltet werden soll, dazu würden die Meinungen allerdings auseinandergehen. Weratschnig sprach in seiner Befragung im Ausschuss von Repressionen für die WKStA, die er nicht für möglich gehalten habe.

Seit Mai 2019 sei etwa eine Fülle von Dienstaufsichtsprüfungen über die Gruppe hereingebrochen, die „nicht üblich sind“ – er sei seit 2007 Staatsanwalt und habe vor dem „Ibiza“-Verfahren erst eine Prüfung erlebt. Er sprach etwa eine Dienstaufsichtsprüfung bezüglich eines „Chauffeurs“ bei einer Hausdurchsuchung an – dabei sei bekannt gewesen, dass dieser auch andere Arbeiten mache, wiederholte er Statements anderer WKStA-Mitarbeiter bzw. -Mitarbeiterinnen.

Auskunftsperson Bernhard Weratschnig
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Staatsanwalt Weratschnig sieht die Arbeit der WKStA durch äußere Einflüsse behindert

Aktenleaks würden die Arbeit erschweren – eine Weitergabe von Aktenteilen könne er ausschließen („Mir ist nicht bekannt, dass Aktenteile aus der WKStA herausgetragen werden“). Der öffentliche Druck auf sein Team, das aus fünf Staatsanwälten bestehe, denen er hohes Arbeitsethos attestierte, sei hoch.

„Leben schwergemacht“

Die jüngst veröffentlichten Chats würden zeigen, welcher Aufwand betrieben worden sei, „um uns das Leben schwerzumachen“. Er verwies auf eine Nachricht des nunmehr suspendierten Justiz-Sektionschefs Christian Pilnacek an die Kabinettschefin des damaligen Justizministers Clemens Jabloner, in der Pilnacek das Sichern der WKStA-Accounts ansprach.

Der Staatsanwaltschaft Innsbruck sei auch ein vielseitiges Dossier von Pilnacek aufgefallen, „ein gesammeltes Werk unserer Verfehlungen“, so Weratschnig, er habe sich gewundert, dass es so etwas gebe. Derartigem müsse man nachgehen, da könne man „nicht zur Tagesordnung übergehen“, schloss Weratschnig sich Aussagen von WKStA-Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda, die vor ihm befragt wurde, an.

„Indizien“, dass Hausdurchsuchungen „verraten“ wurden

Auch gebe es „Indizien im Verfahren, dass Hausdurchsuchungen (etwa bei Ex-Novomatic Chef Harald Neumann und Ex-ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger) vorher verraten wurden“, sagte Weratschnig weiter. Der Abgang von Staatsanwältin Christina Jilek treffe die WKStA, dabei seien ebenfalls nicht nachvollziehbare Dinge passiert. Den Brief von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), in dem dieser von „fehlerhaften Fakten“ spreche und von einem Schaden im Ausland, habe er zur Kenntnis genommen.

Auskunftsperson Bernhard Weratschnig
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Die jüngsten Chats liefern laut Auskunftsperson tiefe Einblicke

Ein Termin zur Einvernahme von Kurz sei bisher nicht zustande gekommen, dessen Anwalt bestreite die Zuständigkeit der WKStA, sagte der Staatsanwalt auf Fragen von ÖVP-Abgeordnetem Christian Stocker. Für eine Aussage als Zeuge wolle man noch mehr im Verfahren zu Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) wissen. Die Frage von David Stögmüller (Grüne), ob es das Verfahren verzögere, wenn man keinen Termin mit Kurz finde, konnte der Jurist nicht beantworten.

„Schonende“ Hausdurchsuchung bei Blümel

Gefragt von NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper nach der Hausdurchsuchung bei Blümel, sagte die Auskunftsperson, man sei dabei „schonend“ vorgegangen, es habe auch keine Beschwerde von Blümel gegeben. Blümel sei mit seinem Anwalt in die WKStA gekommen, die ihm erklärt habe, dass ein Anfangsverdacht bestehe und eine Zwangsmaßnahme bevorstehe.

Blümel habe seine Kooperation zugesichert, daraufhin habe er telefonieren dürfen und seine Frau angerufen, damit diese mit Kind die Wohnung verlasse – man wollte das Kind nicht traumatisieren. Es stehe auch im Gesetz, dass man einer Hausdurchsuchung möglichst schonungsvoll umgehen soll. Er selbst habe noch keine Hausdurchsuchung gemacht, wo Kleinkinder anwesend waren – man durchsuche in erster Linie Firmengebäude und Ähnliches.

Er sei bei der Hausdurchsuchung aber nicht dabei gewesen, so Weratschnig auf Fragen von Susanne Fürst (FPÖ). Fürst wies davor darauf hin, dass bei der Hausdurchsuchung bei FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus auch ein Kleinkind anwesend war und dessen hochschwangere Frau, hier sei im Vorfeld nicht angerufen worden.

Blümel telefonierte Laptop nach

Bei der Hausdurchsuchung habe Blümel seinen Kabinettschef angerufen und um den Laptop gebeten, erzählte die Auskunftsperson zuvor. Das habe er aber nur am Rande mitbekommen, sagte der Staatsanwalt. Man wisse zudem mittlerweile, dass die geplante Hausdurchsuchung bei Blümel im Vorfeld bekannt wurde. Wenn ein Betroffener von einer Hausdurchsuchung erfährt, fördere das nicht grundsätzlich den Erfolg einer Hausdurchsuchung, so die Einschätzung des Staatsanwalts.

Selma Yildirim
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Die SPÖ-Abgeordnete Selma Yildirim führte erstmals den Vorsitz

Die Stimmung bezüglich Zusammenarbeit mit der „SoKo Ibiza“ habe sich nach erster Freude bald eingetrübt, bestätigt er frühere Aussagen von WKStA-Mitgliedern. Man sei draufgekommen, dass ein Mitglied Mitarbeiter einer Partei war, daraufhin sei die Situation schwierig gewesen. Dass die WKStA das Auffinden des Videos aus den Medien erfahre habe, habe auch nicht geholfen. Auch gab es Besprechungen, bei denen die WKStA nicht dabei war – das hatte zuvor auch Vrabl-Sanda gesagt.