US-Präsident Joe Biden beim Abflug der Air Force One
Reuters/Kevin Lamarque
Erster Besuch

Biden auf Charmeoffensive in Europa

US-Präsident Joe Biden ist am Mittwoch zu seinem ersten Auslandsbesuch aufgebrochen. Die Reise führt ihn nach Europa, wo ein wahrer Diplomatiemarathon auf ihn wartet: Auf der Agenda stehen ein G-7-, ein NATO- und ein EU-USA-Gipfel sowie ein Treffen mit Russlands Staatschef Wladimir Putin. Die Botschaft ist klar: Biden will unterstreichen, dass die USA nach seinem Vorgänger Donald Trump zurück in der Bündnispolitik sind und er auf das transatlantische Bündnis setzt. Doch das Verhältnis hat in den vergangenen Jahren deutlich gelitten.

Wegen der Pandemie hatte der Präsident bisher zunächst nur Reisen innerhalb des Landes unternommen. Nun soll Bidens erster Besuch dafür sorgen, dass die EU und die USA wieder enger zusammenrücken – offenbar gerade auch in Hinblick auf China und Russland. Ziel seiner Reise sei es, den beiden Staaten klarzumachen, dass „Europa und die USA zusammenhalten“, sagte der 78-jährige US-Präsident kurz vor dem Abflug.

Wenig später twitterte er: „Ich weiß, dass Demokratien sich zusammentun können, um die Herausforderungen dieses neuen Zeitalters zu meistern – diese Woche haben wir in Europa die Chance, das zu beweisen.“ Die Alternative wäre die Vorherrschaft der autoritär geführten Volksrepublik China oder „Chaos“, so zuvor US-Außenminister Antony Blinken.

Handelsstreit soll beigelegt werden

Ein erstes Signal soll die Beilegung des Handelsstreits zwischen der EU und den USA werden. Aus dem Entwurf für das Treffen mit der EU geht hervor, dass etwa die im transatlantischen Handelsstreit unter Trump erhobenen Zölle auf Stahlprodukte vor dem 1. Dezember aufgehoben werden sollen.

Abflug des Hubschraubers vom Weißen Haus
APA/AFP/Mandel Ngan
US-Präsident Biden startete am Mittwoch in ein dichtes Programm

Zudem soll der lang anhaltende Zwist über Subventionen für die Flugzeugbauer Airbus und Boeing vor dem 11. Juli beendet werden. Schließlich bekennen sich beide Seiten dazu, auf transatlantische Handelskonflikte verzichten zu wollen. Die Vorlage sollte noch am Mittwoch bei einem Treffen der Botschafter der 27 EU-Staaten beraten werden. Es wird eine neue Ära der Zusammenarbeit betont. Doch es dürfte de facto wohl noch länger dauern, bis die Trümmer der Trump-Ära beseitigt sind. Die US-Regierung müsse nun „Worten Taten folgen lassen“, sagte etwa der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, am Mittwoch im EU-Parlament.

Gegengewicht zu „Seidenstraße“

Zuvor soll bei dem G-7-Gipfel in Cornwall über eine engere Zusammenarbeit der wichtigsten westlichen Industriestaaten mit Blick auf China verhandelt werden. So soll mit Investitionen in Infrastruktur in Entwicklungsländern auch ein Gegengewicht zur chinesischen Seidenstraße-Initiative geschaffen werden. Dieses engere Vorgehen gegenüber China vor allem in der transatlantischen Zusammenarbeit wird auch Thema beim NATO-Gipfel und dann beim EU-USA-Treffen sein.

Abstimmungen soll es auf den G-7- und EU-Treffen auch beim Kampf gegen den Klimawandel und die Coronavirus-Pandemie geben. Es gehe vor allem um die Versorgung von Entwicklungsländern mit Impfstoff sowie den Aufbau von Produktionskapazitäten auf anderen Kontinenten. Biden kündigte dazu einen Impfplan für die ganze Welt an. „Ich habe einen, und ich werde ihn verkündigen“, sagte Biden, kurz bevor er an Bord der Air Force One ging.

Pläne für Pakt zwischen USA und GB

Am Mittwochabend traf Biden in Großbritannien ein, wo er noch am Abend Mitglieder der Airforce traf. Dort rief er zur Verteidigung der Demokratie auf und unterstrich den Führungsanspruch der Vereinigten Staaten. Am Donnerstag steht ein Gespräch Bidens mit dem britischen Premierminister Boris Johnson in der Nähe von Cornwall an – die beiden wollen eine neue Atlantik-Charta vereinbaren und dabei mehrere Bereiche festlegen, in denen sie „zum Wohle der Menschheit zusammenarbeiten“.

In Cornwall tagt dann von Freitag bis Sonntag auch der G-7-Gipfel, an dessen Rande ein Treffen Bidens mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet wird. Hier dürfte wohl die Pipeline „Nord Stream 2“ großes Thema werden. Zum Abschluss ihres Besuchs in Großbritannien werden der US-Präsident und die First Lady am Sonntag von Königin Elizabeth II. auf Schloss Windsor nahe London empfangen.

Heikles Treffen mit Putin

Die Gipfel dürften auch ein Signal für das heikelste Treffen auf Bidens Tour sein: ein Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Mittwoch in Genf. Für dieses dämpfte die US-Regierung die Erwartungen bereits: Das Ziel des Weißen Hauses gehe nicht darüber hinaus, die Beziehungen zu Russland „stabiler“ zu machen, erläuterte Blinken.

Biden und Putin bei Online-Konferenz des Klimagipfels im April
AP/Kreml/Alexei Druzhinin
Biden und Putin werden kommende Woche persönlich zusammentreffen

Washington sieht die Verlängerung des New-Start-Abrüstungsvertrags im Februar als Beispiel, wie Fortschritte erzielt werden können. Außerdem erwartet Biden vom Kreml, dass er den Iran zu Zugeständnissen beim Atomabkommen bringt. Viele Konflikte zwischen den USA und Russland werden aber kaum beigelegt werden.

Verhältnis schwer belastet

Biden verurteilt etwa Russlands Rolle im Ukraine-Konflikt, seine Unterstützung für den belarussischen autokratischen Staatschef Alexander Lukaschenko und die Inhaftierung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny. Außerdem wirft Biden Russland Cyberattacken und Wahlkampfeinmischung vor und bejahte kürzlich in einem Interview die Frage, ob er Putin für einen Mörder halte. All diese Konflikte sollen bei dem Treffen in Genf nicht ausgeblendet werden.

„Wir wollen eine stabile, vorhersehbare Beziehung“, sagte Biden kurz nach seiner Ankunft in Großbritannien. Biden warnte Moskau, dass die Vereinigten Staaten reagieren würden, wenn die russische Regierung „schädliche Handlungen“ wie die Verletzung der Souveränität anderer Länder begehe. Er treffe Putin, „um ihm mitzuteilen, was ich ihm mitteilen möchte“ – und dies erst nach Treffen mit „unseren engsten demokratischen Partnern“.