Justizministerin Alma Zadic (Grüne)
APA/Helmut Fohringer
„Ibiza“ und WKStA

Verhärtete Fronten ÖVP – Grüne

Rund um den „Ibiza“-U-Ausschuss und die Rolle der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) verhärten sich die Fronten zwischen ÖVP und Grünen zunehmend. Nachdem der ÖVP-Fraktionsführer im U-Ausschuss, Andreas Hanger, am Donnerstag die WKStA erneut attackiert hatte, stellte sich Justizministerin Alma Zadic (Grüne) hinter die Korruptionsermittler und wies „unqualifizierte Angriffe“ zurück.

„Die sich wiederholenden und unqualifizierten Angriffe auf die Justiz und insbesondere auf die WKStA sind inakzeptabel“, so Zadic. Sie warf der ÖVP vor, „unsubstantiierte öffentliche Angriffe“ zu liefern, anstatt eine juridische Klärung ihrer Vorwürfe zu suchen: „Der Staatsanwaltschaft oder einzelnen Staatsanwälten ohne jegliche Faktengrundlage politische Motive zu unterstellen ist brandgefährlich und aufs Schärfste zurückzuweisen.“

Zadic führte auf Twitter aus, dass die Unterstellung politischer Motive die Unterstellung von Amtsmissbrauch sei. „Wer dies behauptet, soll eine Sachverhaltsdarstellung einbringen und objektiv prüfen lassen.“ Einzelne Staatswanwälte in die Öffentlichkeit zu drängen und zu diskreditieren sei „schikanös“. Jeder habe die Möglichkeit, Entscheidungen der Staatsanwaltschaften gerichtlich prüfen zu lassen. Sie appelliere an die „Vernunft“ und fordere, dass „diese unsachlichen Angriffe ein Ende haben müssen“.

Erneuter Angriff der ÖVP auf WKStA

Vorausgegangen war eine neuerliche Attacke der ÖVP auf die Ermittler und Ermittlerinnen. Hanger warf der WKStA mangelnde Objektivität vor. Die Leiterin der WKStA, Ilse-Maria Vrabl-Sanda, hatte die anhaltenden Angriffe der ÖVP auf ihre Mitarbeiter in ihrer zweiten Aussage im U-Ausschuss am Mittwoch als „Versuch der Einschüchterung“ zurückgewiesen.

Justizministerin Alma Zadic (Grüne)
APA/Herbert Neubauer
Zadic stellte sich hinter die WKStA und gegen die Angriffe der ÖVP

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt gegen eine Reihe aktiver und ehemaliger ÖVP-Politiker, unter anderen Bundeskanzler Sebastian Kurz wegen falscher Zeugenaussage und Finanzminister Gernot Blümel wegen Bestechung bzw. Bestechlichkeit. Die Ermittler sehen sich seit Wochen heftigen Angriffen der ÖVP ausgesetzt.

Neue Ladung für Blümel und Zadic

Die Grünen stimmten zuvor am Mittwoch im U-Ausschuss gemeinsam mit der Opposition für eine neuerliche Ladung Blümels. Blümel hat bereits zweimal ausgesagt, für das dritte Mal war ein Mehrheitsbeschluss nötig, also auch die Stimmen der Grünen. Die ÖVP reagierte mit „Unverständnis“ und will nun ihrerseits Zadic laden.

In einer Pressekonferenz Donnerstagvormittag zum Thema „Mangelnde Objektivität von Teilen der WKStA“ kündigte Hanger an, Zadic zum Umgang der Justiz mit Persönlichkeitsrechten befragen zu wollen. Denn vielfach seien auch private Chatverläufe ohne Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand an den Ausschuss übermittelt worden. Er forderte einen Rechtsrahmen ein.

Andreas Hanger (ÖVP)
ORF.at/Peter Pfeiffer
Hanger ist der Meinung, dass Teile der WKStA nicht objektiv ermitteln

Ladungen nach „Zeugenschwund“

Für die Ladung von Zadic reichen die Stimmen der ÖVP. Hanger peilt eine Befragung Ende Juni an. Sie werde der Ladung nachkommen und gerne nochmals die Rechtslage erklären, kündigte Zadic an. Blümel sagte am Donnerstag am Rande einer Pressekonferenz, die weitere Ladung sei für ihn kein Problem.

Angesprochen auf die Vorwürfe Hangers sagte Blümel, die ÖVP habe Vertrauen in den Rechtsstaat. Es müsse aber auch möglich sein, Kritik zu üben. Dass Hanger angekündigt hat, einzelne Staatsanwälte klagen zu wollen, konterte Blümel damit, dass auch er schon mehrmals angezeigt wurde.

Einen Termin für die Befragungen von Blümel und Zadic gibt es noch nicht. Einen Koalitionsbruch sah Hanger in der Abstimmung zu Blümel nicht. Auch eine Retourkutsche stellte er in Abrede. Am Dienstag beklagten SPÖ und NEOS einen „Zeugenschwund“ in der finalen Phase des U-Ausschusses. Kurz, der scheidende ÖBAG-Chef Thomas Schmid und Ex-ÖVP-Justizminister Josef Moser hatten für die kommenden Befragungstage im Juni ihr Kommen abgesagt.

WKStA ortet „Einschüchterung“ von innen und außen

Neben Vrabl-Sanda wurde am Mittwoch auch der leitende Staatsanwalt Bernhard Weratschnig im „Ibiza“-Verfahren in der WKStA im Ausschuss befragt – beide erklärten, dass die Korruptionsermittler mit viel Gegenwind zu kämpfen hätten – „von innen und außen“, so WKStA-Leiterin Vrabl-Sanda. Seit Jahren gebe es eine Negativkampagne von innen in der Justiz, zu Oberbehörden meinte sie, da sei „eine Saat gesät worden“, die „aufgegangen“ sei und „sich verbreitet“ habe.

Vrabl-Sanda hielt fest, dass niemand von den von Verfahren der WKStA Betroffenen gerichtliche Schritte gegen die Maßnahmen unternommen habe. Der Druck komme quasi „zufällig“ auf die jeweilige Person, auf die eben, die mit den Ermittlungen zu tun habe. „Die Person hält das aus“, es sei die Frage, was der Rechtsstaat aushalte. Die Staatsanwaltschaft sei gesetzlich zu Ermittlungen verpflichtet, unabhängig davon, von wem Anzeigen kämen und gegen wen sie sich richteten. Wenn sich eine Verdachtslage ergebe, seien Ermittlungen einzuleiten, erläuterte sie.

WKStA-Leiterin vor U-Ausschuss

ÖVP-Fraktionsführer Hanger kritisierte im Vorfeld der Befragung von Vrabl-Sanda die Veröffentlichung privater Kommunikation von ÖVP-nahen Personen. Vrabl-Sanda wiederum ortet Einschüchterungsversuche gegen ihre Behörde.

Streit über Chats von ÖGB-Chef Katzian

Hanger hatte am Mittwoch die Prüfung von Strafanzeigen gegen einzelne Staatsanwälte angekündigt. Vor allem WKStA-Oberstaatsanwalt Matthias Purkart hat er im Visier, ihm wirft er „politische Befangenheit“ vor. Hanger vermisste etwa Chats von ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian an den späteren ÖBAG-Chef Schmid im Akt. Das sei eine Sache, die die Staatsanwaltschaft entscheide, dort werde nicht unabhängig von Weisungen gearbeitet, so Vrabl-Sanda. Verfahrensparteien könnten sich wehren und Rechtsmittel einlegen.

„Korruptionsbekämpfung ist kein Spaziergang, sondern ein Marathonlauf mit Hindernissen“, sagte Weratschnig. Er sprach bei seiner Befragung von Repressionen für die WKStA, die er nicht für möglich gehalten habe. Seit Mai 2019 sei etwa eine Fülle von Dienstaufsichtsprüfungen über die Gruppe hereingebrochen, die „nicht üblich sind“. Die jüngst veröffentlichten Chats würden zeigen, welcher Aufwand betrieben worden sei, „um uns das Leben schwerzumachen“.

Edtstadler gegen Ausschüsse parallel zu Ermittlungen

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) unterstützt unterdessen den Vorschlag der Präsidentin der Vereinigung der Staatsanwälte, Cornelia Koller, parlamentarische Untersuchungsausschüsse nicht parallel zu Ermittlungen der Justiz laufen zu lassen. Es sei „nicht Zweck des Strafrechts, politische Auseinandersetzungen auszutragen“, sagte sie gegenüber der APA.

Wenn U-Ausschüsse nicht parallel zu Ermittlungen laufen, könnte man verhindern, dass Ermittlungen beeinträchtigt werden – und die Staatsanwälte seien dann weniger im Mittelpunkt der Diskussionen, „weil sie dort nicht hingehören und auch nicht hin möchten“, so Koller in der ZIB2. Aus Sicht der Staatsanwälte wäre es zu begrüßen. Ob die politische Aufarbeitung einer Causa damit zeitlich sehr verzögert werde, sei eine gesellschaftspolitische Entscheidung, so Koller.

Staatsanwälte-Vertreterin zu Chats

Die Präsidentin der Vereinigung der Staatsanwälte, Cornelia Koller, zur Kontroverse über an die Medien gespielte und in der Folge veröffentlichte Privatnachrichten aus laufenden Verfahren.

Es müsse „immer darum gehen, jeglichen Anschein politischer Einflussnahme zu verhindern sowie die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Ruhe ihre Arbeit verrichten zu lassen und nicht in tagespolitische Debatten zu ziehen“, so Edtstadler, ohne auf die Kritik der ÖVP an der WKStA einzugehen. Die Justiz sei „eine tragende Säule unseres Rechtsstaates“ und erfülle eine wichtige Aufgabe im System der „Checks and Balances“. Sie bekräftigte die Kritik der ÖVP am laufenden Ausschuss, vor allem wegen der veröffentlichten Chats. Das sei eine Verletzung der Privatsphäre.