Die letzte von zehn Neuinszenierungen dieser Spielzeit an der Wiener Staatsoper ist nun mit dem aufregenden wie gar nicht so leichten „Macbeth“ vollbracht. Koskys Produktion, die ihm bereits 2016 in Zürich großen Jubel einbrachte, wurde auch vom Wiener Premierenpublikum mit viel Applaus bedacht. Allen voran Netrebko, die ihr Debüt als Lady Macbeth an der Staatsoper gab, und Luca Salsi in der Titelrolle überzeugten in dem herausragend inszenierten, düsteren Kammerspiel.
Die Tiefe der Bühne liegt im Dunkeln, ganz vorne scheint eine Leiche zu liegen, bedeckt mit toten schwarzen Raben. Aus dem Zwielicht taucht langsam eine Gruppe nackter Wesen nicht zuordenbaren Geschlechts auf. Die Leiche entpuppt sich als lebender Macbeth, die Alptraumwesen als Vorboten der fatalen Prophezeiung der Hexen.
Verdis „Macbeth“ an der Wiener Staatsoper
Superstar Anna Netrebko intrigiert, meuchelt und mordet an der Wiener Staatsoper, denn sie ist die machtbesessene Lady Macbeth und will nichts weniger als den Thron. Der deutsch-australische Regisseur Barrie Kosky inszeniert Verdis Oper als Psychodrama und verzichtet trotz blutrünstiger Geschichte auf jegliches Theaterbrimborium.
Puristisches Kammerspiel
Kosky inszeniert „Macbeth“ nicht als opulentes Gemetzel oder politisches Lehrstück, er bringt ein puristisches Kammerspiel auf die Bühne, das auf die seelischen Abgründe der Figuren fokussiert. Die fatal-symbiotische Beziehung des mörderischen Paares steht im Mittelpunkt. Es geht um ihre Wahrnehmung der Geschehnisse, was das Publikum ebenfalls in die Täterperspektive zwingt.

Das gelingt Kosky, weil er Gewalt und Wahn zum Kopftheater macht: Die blutigen Morde, die brutalen Gemetzel, die blutgierigen Hexen, das ausschweifende Festgelage, all das bleibt nicht greifbare Erscheinung. In diesem radikalen szenischen Minimalismus glänzen die Hauptfiguren: Netrebko als Lady Macbeth, deren Auftritt durchgehend von Szenenapplaus begleitet wird, und Salsi als irrlichternder Macbeth. Beide überzeugen stimmlich und mit ihrer Präsenz auf der großen, weiten Bühne.
De Tommaso als grandioser Macduff
Das gilt auch für den Chor und das restliche Ensemble, darunter Freddie De Tommaso als grandioser Macduff und Carlos Osuna als eindrücklicher Malcolm. Alle Mitwirkenden, auf der Bühne und im Off, lassen sich voll und ganz auf Koskys intensives Dunkel der Inszenierung ein. Eine Dunkelheit, die für den Regisseur nicht nur Shakespeares Vorlage und Verdis Partitur entspringt, sie sei das Stück selbst.
Sendungshinweis
Ö1 überträgt eine Aufnahme der Premiere am Samstag um 19.30 Uhr.
Die Essenz des Werkes, so Kosky, sei ein fast klaustrophobischer Nihilismus, den Dirigent Philippe Jordan mit dem Staatsopernorchester in feinen Nuancen begleitet, präzise und dann wieder mit emotionaler Wucht. Auch sie wurden vom Premierenpublikum mit viel Applaus bedacht.