UNO-Generalsekretär Antonio Guterres
Reuters/Maxim Shemetov
G-7-Impfspenden

UNO mahnt zu deutlich mehr Einsatz

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres hat die Ankündigung von Impfspenden der G-7 begrüßt, aber deutlich mehr Einsatz eingemahnt. Die Gruppe sieben wirtschaftsstarker Demokratien hatte angekündigt, mindestens eine Milliarde Dosen zu spenden. „Eine Milliarde ist sehr willkommen. Aber offensichtlich benötigen wir mehr als das“, sagte Guterres am Freitag am Rande des G-7-Gipfels vor der Presse.

Die Impfungen seien bisher sehr ungleich und unfair verteilt gewesen, rügte Guterres. Dabei sollten Impfstoffe öffentliche Güter sein. Gerade in Entwicklungsländern breite sich das Coronavirus wie ein Flächenbrand aus. Es gelte, schnell zu handeln und so viele Menschen weltweit wie möglich zu schützen, bevor das Virus immun gegen Impfstoffe werde, sagte Guterres. „Wir sind im Krieg mit dem Virus.“ Und weiter: „Es ist im Interesse aller, dass jeder geimpft wird, besser früher als später.“

Nötig sei ein globaler Impfplan, sagte Guterres. Regierungen, globale Organisationen und Finanzinstitutionen müssten sich mit der Pharmaindustrie zusammenschließen, um die Produktion von Impfstoffen zu verdoppeln, so der UNO-Generalsekretär. Er mahnte Regelungen an, mit denen der Profit der Impfstoffproduzenten gewahrt werde, die aber zugleich eine flächendeckende Produktion garantierten und die Herstellungskapazitäten verdoppelten.

Behälter mit Impfstoff von Oxford/AstraZeneca für Ghana
Reuters/Francis Kokoroko
Zuletzt war der Druck auf die reichen Staaten gestiegen, ihre Vakzine mit ärmeren Ländern zu teilen

350 Mio. Dosen aus EU ausgeführt

EU-Vertreter haben zum Auftakt des G-7-Gipfels betont, dass sich die Europäer im Gegensatz zu anderen G-7-Staaten bereits seit Monaten stark für Coronavirus-Impfstofflieferungen in ärmere Länder engagieren. Die EU sei die „Apotheke der Welt“ und werde bis Jahresende mindestens 100 Millionen Impfstoffdosen spenden, hieß es am Freitagnachmittag nach einem Koordinierungstreffen der europäischen Gipfelteilnehmer von Diplomaten.

Der Impfinitiative COVAX stelle man 3,2 Milliarden Euro zur Verfügung. Die EU war nach eigenen Angaben zudem lange Zeit die einzige demokratische Region, die im großen Maßstab Coronavirus-Impfstoff exportierte. Bisher seien rund 350 Millionen Dosen ausgeführt worden, was in etwa der Hälfte der Gesamtproduktionsmenge entspreche, hieß es am Freitag.

Eine Mrd. Impfdosen bis nächstes Jahr

Zum Beispiel behielten hingegen die USA dort produzierten Impfstoff lange vorrangig selbst. So hatte US-Präsident Joe Biden noch Ende April gesagt, bevor die USA ein „Arsenal“ für andere Länder würden, werde jeder Amerikaner und jede Amerikanerin Zugang zu vollständigem Impfschutz haben.

Biden begrüßte nun die Pläne der G-7 zur Spende von einer Milliarde Coronavirus-Impfdosen für ärmere Länder als historisch. Diese Verpflichtung bilde die Grundlage für ein umfassendes Paket von G-7-Maßnahmen zur Beendigung der Pandemie im nächsten Jahr, teilte das Weiße Haus am Freitag zum Auftakt des Gipfels mit.

Die britische Regierung als Gipfelgastgeber hatte davor mitgeteilt, dass die G-7 ärmeren Staaten mit einer Milliarde Impfdosen helfen wolle. Die USA wollen 500 Millionen Dosen beitragen, Großbritannien 100 Millionen. Die bis nächstes Jahr geplante Unterstützung solle sowohl durch Verteilung als auch durch Finanzierung von Impfstoff möglich werden.

„Gesundheitserklärung“

Eine neue Pandemie will die G-7 mit allen Mitteln verhindern. Dazu wollen die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel in Südwestengland eine „Gesundheitserklärung von Carbis Bay“ verabschieden, wie der britische G-7-Vorsitz in der Nacht zum Samstag mitteilte. Vorgesehen sei, die Entwicklung von Impfstoffen, Behandlungsmethoden und Diagnosen für künftige Krankheiten auf unter 100 Tage zu drücken.

Der britische Premierminister Boris Johnson lobte die Erfolge bei der Forschung und Produktion von Impfstoffen. „Aber um das Coronavirus tatsächlich zu besiegen und uns zu erholen, müssen wir verhindern, dass Pandemien wie diese jemals wieder geschehen.“ Dazu müssten Lektionen aus den vergangenen anderthalb Jahren gezogen werden.

Globale Frühwarnsysteme sollen ebenso verstärkt werden wie die Möglichkeiten zur Genom-Sequenzierung, die das Aufspüren von Virusvarianten ermöglicht. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) soll reformiert und gestärkt werden, wie es weiter hieß. WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus lobte die Erklärung und sagte, es gehe nun darum, die aufgedeckten Lücken zu schließen.

Zoonosen verhindern

Zur Reaktion auf künftige Pandemien legt eine neue internationale Beratergruppe den Staats- und Regierungschefs zudem einen Bericht vor. „Die ersten 100 Tage nach der Identifizierung einer epidemischen Bedrohung sind entscheidend, um deren Kurs zu ändern und im Idealfall zu verhindern, dass sie zu einer Pandemie wird“, hieß es vorab.

London gab zudem den Aufbau eines neuen Instituts bekannt, das Impfungen für Nutzvieh erforschen und damit verhindern soll, dass Zoonosen entstehen. Das sind Krankheiten, die von Tieren auf Menschen überspringen wie Covid-19, Ebola und die Vogelgrippe. „75 Prozent neuer menschlicher Krankheiten stammen von Tieren, und diese Krankheiten verbreiten sich zunehmend“, hieß es zur Begründung. Diese Krankheiten seien ein Risiko für Menschen wie auch für die globale Landwirtschaft.

Debatte über Patentschutzaussetzung

Die Staats- und Regierungschefs der G-7-Staaten tagen noch bis Sonntag in Cornwall. Zu der Gruppe gehören neben Deutschland die USA, Kanada, Japan, Großbritannien, Frankreich und Italien. Die EU ist als Institution vertreten.

Am Samstag werden die Beratungen zu Wirtschaft, Gesundheit und Außenpolitik fortgesetzt. Dabei dürfte es auch um die Frage gehen, ob der Patentschutz für Impfstoffe ausgesetzt werden soll, um die Impfstoffproduktion in Entwicklungsländern zu fördern.

Die US-Regierung hatte die Diskussion darüber angestoßen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel stemmt sich gegen den Vorschlag. Der G-7 gehören neben den USA, Großbritannien und Deutschland Frankreich, Italien, Japan und Kanada an. Es ist der erste G-7-Gipfel mit Biden und der letzte mit Merkel.

Proteste für mehr Klimaschutz

Am Austragungsort kam es auch zu Protesten von Klimaschützern und Klimaschützerinnen. Aktivisten warfen den G-7 vor, ihrer Verantwortung für den Planeten nicht nachzukommen. In Falmouth und St. Ives gingen Aktivisten der Klimaschutzbewegung Fridays for Future und der Organisation Extinction Rebellion auf die Straße. Greenpeace forderte die G-7 auf, mehr für den Artenschutz zu unternehmen. Es brauche „Handeln und nicht nur wohlige Worte, um die Klima- und Naturkatastrophe zu bewältigen“, sagte die Greenpeace-Vertreterin Rebecca Newsom.

Auch Guterres forderte die G-7 auf, ihre Zusagen einzuhalten und den Entwicklungsländern rund 100 Milliarden US-Dollar (82,14 Mrd. Euro) im Jahr an Unterstützung im Kampf gegen die Klimakrise bereitzustellen. „Sie haben noch nicht geliefert.“ Das müsse von 2021 an gesichert sein. Die UNO-Klimakonferenz in Glasgow im November biete in vielen Punkten eine letzte große Chance auf dem Weg, die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. „Wir stehen am Abgrund“, sagte Guterres. Nur eine gemeinsame Kraftanstrengung könne schlimme und unumkehrbare Folgen verhindern.