NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger
APA/Georg Hochmuth
Scharfe NEOS-Kritik

„Völlig abgehobene Politelite“

NEOS-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger hat am Samstag im Ö1-Interview scharfe Kritik an einer „abgehobenen Politelite“ geübt, die – wie das Beispiel ÖBAG zeige – „komplett die Bodenhaftung verloren hat und den Staat als ihr Eigentum betrachtet“. Eine allfällige Zusammenarbeit mit der ÖVP unter Sebastian Kurz hält sie für „sehr, sehr schwierig“.

Die öffentlich gemachten Handynachrichten des zurückgetretenen ÖBAG-Chefs Thomas Schmid und deren Folgen beschäftigen weiter die Innenpolitik. Ins Schussfeld ist nun Schmids interimistische Nachfolgerin an der ÖBAG-Spitze, Christine Catasta, gekommen – und zwar für ihre Aussage, dass wohl jeder Mensch in Österreich ähnliche Nachrichten wie die von Schmid auf seinem Handy habe, nur würden diese eben nicht öffentlich.

„Nein, hat er nicht“ – und schon gar nicht in „so einem Stil“, sagte Meinl-Reisinger am Samstag im Ö1-Radio. Ähnliche Kritik äußerte die NEOS-Chefin auch gegenüber dem „Standard“ (Samstag-Ausgabe): „Es hat nicht jeder SMS, in denen es darum geht, dass man Steuergeld ‚scheißt‘. Oder dass man Volksvermögen untereinander aufteilt.“

„Dreck im Land beseitigen“

Man gewinne schon den Eindruck, „dass es hier mittlerweile eine völlig abgehobene Politelite gibt, die meiner Meinung nach komplett die Bodenhaftung verloren hat und den Staat als ihr Eigentum betrachtet. Und das geht einfach nicht“, sagte Meinl-Reisinnger.

Und weiter: „Ich verstehe, dass das die Leute nicht mehr hören können. Ich kann es auch nicht mehr hören, aber es ist ganz offensichtlich notwendig, weil ich kann nur in Dreck wühlen, wenn Dreck da ist, und diesen Dreck muss man jetzt endlich beseitigen in unserem Land“, sagte die Parteichefin im Ö1-Mittagsjournal, das in Teilen bereits Samstagfrüh im Morgenjournal gesendet wurde.

Veröffentlichung der Chats „notwendig“

Ihre frühere Aussage, dass die Veröffentlichung von vertraulichen Chats „notwendig gewesen sei, um die Integrität der Justiz und des Verfassungsgerichtshofes sicherzustellen“, verteidigte Meinl-Reisinger gegenüber Ö1. „Wenn ich mich darüber unterhalte, wie ein Verfassungsgerichtshof urteilt oder wie man die Staatsanwaltschaft disziplinieren kann, die der Meinung von Sektionschef (Christian, Anm.) Pilnacek nach zum Beispiel nicht gut arbeitet, dann sind das öffentliche Themen. Es ist auch ein öffentliches Thema, wie mit Steuergeld umgegangen wird oder wie man ÖBAG-Chef wird.“

Die Frage, ob U-Ausschüsse und parallel laufende strafrechtliche Ermittlungsverfahren zeitlich getrennt laufen sollten, verneinte die NEOS-Chefin: „Das wäre das Ende des parlamentarischen Untersuchungsausschusses.“ Man habe 2015 eine Einigung aller Parteien zu einer Reform des Untersuchungsausschusses erreicht und „Mechanismen entwickelt in der Geschäftsordnung, dass wir eben mit solchen Konstellationen auch gut umgehen können“.

Fehlender Wille zur Sachpolitik

Eine allfällige Zusammenarbeit mit der ÖVP in der Zukunft hält Meinl-Reisinger für eher ausgeschlossen: „Meine Beobachtung zeigt mir, dass etwas verloren gegangen ist in der ÖVP durch die Türkisen, was man eigentlich den Willen zu einer ernsthaften, substanzreichen politischen Zusammenarbeit definieren kann“, sagte sie gegenüber Ö1. Gefragt, ob eine künftige Koalition für sie vorstellbar wäre, sagte Meinl-Reisinger: „Ich sehe das sehr, sehr schwierig.“

Gegenüber dem „Standard“ bemängelte Meinl-Reisinger auch einen fehlenden Willen der ÖVP, Reformen umzusetzen. „Ich hätte es ja nicht schlecht gefunden, wenn Kurz wie versprochen tatsächlich Veränderung vorangetrieben hätte; Bedarf gibt es genug. Aber das tut er nicht. Es ist eine substanzlose Politik, bei der viel geredet, aber nichts auf den Boden gebracht wird – siehe grüner Pass.“

Mehrheit in Umfragen nicht in Sicht

Auch verwies die NEOS-Chefin gegenüber Ö1 auf „diverse Strafverfahren“, etwa die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen Bundeskanzler Kurz wegen angeblicher Falschaussage im „Ibiza“-U-Ausschuss: „Eine Zusammenarbeit mit einem verurteilten Bundeskanzler, ich kann mir das nicht vorstellen.“ Auf den Einwand, dass Kurz das ja nicht sei, sagte sie, man wisse ja nicht, wie diese Verfahren weitergehen – derzeit stelle sich die Frage einer Zusammenarbeit aber ohnehin nicht.

Von einer Mehrheit wären ÖVP und NEOS, glaubt man zwei am Samstag veröffentlichten Umfragen, derzeit auch weit entfernt. Eine Unique-Research-Erhebung für das „Profil“ weist 33 Prozent für die ÖVP und elf Prozent für NEOS aus, eine market-Umfrage für den „Standard“ kommt mit 32 Prozent und elf Prozent auf ein sehr ähnliches Ergebnis.

ÖVP: „NEOS weit nach links gerückt“

ÖVP-Generalsekretär Axel Melchior beklagte in einer Reaktion, dass „vom einst konstruktiven Stil der NEOS unter Parteigründer Matthias Strolz mittlerweile nichts mehr übrig“ sei. Stattdessen gehe es Meinl-Reisinger „nur mehr darum, lautstark zu schimpfen, unser Land schlechtzureden und das politische Gegenüber mittels Anzeigen in den Dreck zu ziehen“. Und: „Dass NEOS eine allfällige künftige Regierungskoalition mit der Volkspartei ausschließt, verdeutlicht einmal mehr, wie weit die Partei nach links gerückt ist. Die pinke Absage hat jedoch keinerlei Relevanz, da NEOS auf Bundesebene ohnehin noch niemals eine Regierungszusammenarbeit angeboten wurde.“