Landesrat Stefan Kaineder, Justizministerin Alma Zadic, Vizekanzler Werner Kogler, Infrastrukturministerin Leonore Gewessler, Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer und Staatssekretärin Andrea Mayer beim Bundeskongress der Grünen in Linz
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Statutenänderung abgelehnt

Grüne gegen Urabstimmung über Parteispitze

Die Grünen werden ihren Parteichef auch künftig nicht per Urabstimmung wählen. Beim Bundeskongress der Partei am Sonntag in Linz erhielt ein entsprechender Antrag überraschend nicht die nötige Zweidrittelmehrheit, sondern nur 62,7 Prozent der Delegiertenstimmen. Auch das Bestimmungsrecht des Bundessprechers über zwei vordere Listenplätze für Bundeswahlen kommt damit nicht. Die Statutenänderung war ein deklarierter Wunsch von Bundessprecher Werner Kogler.

Der Antrag habe die notwendige Mehrheit knapp verfehlt, teilte Grünen-Bundesgeschäftsführerin Angela Stoytchev per Aussendung mit. „Es hat sich um einen Vorschlag gehandelt, der von einer Grünen Arbeitsgruppe ausformuliert und letztlich nicht angenommen wurde."

Angedacht wäre gewesen, dass künftig die 7.000 Mitglieder der Landesparteien über die Parteispitze entscheiden dürfen und nicht nur die rund 280 Delegierten des Bundeskongresses. Bewerben hätte sich jedes Mitglied mit zumindest 100 Unterstützern können. APA-Angaben zufolge war an der Änderung der Statutenänderung lange gearbeitet worden, auch bis zum späten Samstagabend war noch diskutiert und der Antrag modifiziert worden. Es gab aber zu viele kritische Stimmen, etwa aus den Landesorganisationen Niederösterreich und Wien sowie vom „zehnten Bundesland“ (Minderheiten bzw. Zuwanderer).

Zwölf von 13 Anträgen angenommen

Stoytchevs Angaben zufolge ist das Thema aber wohl weiter nicht vom Tisch. Beim Bundeskongress seien „neue Argumente vorgebracht worden, die nun von der Arbeitsgruppe aufgenommen wurden, um einen neuen Vorschlag zu erarbeiten“.

Abgesehen davon wurden der Grünen-Aussendung zufolge zwölf und damit alle weiteren zur Abstimmung gestandenen Statutenanträge angenommen. So heißt die Grüne Bildungswerkstatt jetzt Bildungsinstitut, das Parteischiedsgericht nicht mehr „Friedensgericht“. Staatssekretäre bzw. -sektretärinnen werden parteiintern als Regierungsmitglieder gewertet und entsprechend in den Gremien berücksichtigt.

Einstimmig akzeptiert wurde der Leitantrag zum Bundeskongress, in dem die Bewältigung der Klimakrise als historischer Auftrag der Grünen bezeichnet wurde. Gefordert wurden neue Wege für Klima, Gesellschaft und Demokratie. Die Generaldebatte dazu – die erst nach Journalistenprotesten öffentlich abgehalten wurde – verlief kurz und weitgehend harmonisch. Kritischste Stimme war Martin Margulies aus Wien, der sich dafür aussprach, die auseinandergehende Schere zwischen Arm und Reich stärker zu berücksichtigen.

„Regieren ist nichts für Lulus“

Die neuen Mitglieder des grünen Regierungsteams, Andrea Mayer (Kultur) und Wolfgang Mückstein (Gesundheit), wurden einstimmig angenommen. Parteichef Kogler verteidigte eindringlich die Regierungsbeteiligung gegen interne kritische Stimmen, wonach die Grünen sich zu oft von der ÖVP überfahren ließen.

Sich dafür zu entschuldigen, dass man regiere, sei ein „Blödsinn“, denn „besser die Richtigen regieren als die Falschen“. Kogler sagte in seiner einstündigen Rede, mit den Grünen kämen Ökologisierung, „Klimaglück“ und gefestigte Rechtsstaatlichkeit. „Wir sind in der heißen Küche der Realpolitik, wo echt was weitergeht“, sagte er und beschwor „Mut, Entschlossenheit, Zusammenhalt und Zuversicht“. Auch die frühere Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou zitierte er mit den Worten: „Regieren ist nichts für Lulus.“

Gesundheitsminister Mückstein,  Infrastrukturministerin Gewessler, Vizekanzler Kogler, Staatssekretärin Mayer, Justizministerin Zadic und Grünen-Klubobfrau Maurer
APA/Fotokerschi.at/Werner Kerschbaum
Gruppenbild des Regierungsteams mit Klubchefin in CoV-Aufstellung

„Den Unterschied machen wir“

Kogler hob die Arbeit von Umweltministerin Leonore Gewessler für eine ökologische Transformation des Landes hervor. Der Klimaschutz sei der historische Auftrag der Partei.

Justizministerin Alma Zadic stelle sich bei allen Angriffen vor die Justiz, was ebenfalls zeige: „Den Unterschied machen wir.“ Kritik im Einzelfall an Staatsanwaltschaft oder Gerichten sei natürlich zulässig. Auch er habe in der Vergangenheit öfter die Staatsanwaltschaft in Sachen Eurofighter-Ermittlungen kritisiert. Was aber nicht gehe, seien Generalangriffe auf die Justiz. Diese würden aber auch gar nicht erfolgreich sein, meinte Kogler.

Betont gute Basis mit ÖVP

Bei aller Kritik an der ÖVP oder auch – wegen der Widerstands bei Ökologisierungsmaßnahmen – an der Wirtschaftskammer wollte Kogler nicht den Eindruck erwecken, dass er nicht eine gute Gesprächs- und Arbeitsbasis mit deren Regierungsmitgliedern habe, denn „sonst geht’s nicht mit Regieren“. Das Handeln der Grünen als Koalitionspartner sei „getragen aus Verantwortungsbewusstsein und Selbstbewusstsein“. Das habe auch bei der Pandemiebekämpfung geholfen, und die habe Österreich „gut bis sehr gut“ gemeistert, meinte er.

Stefan Kaineder, Spitzenkandidat der Grünen bei der oberösterreichischen Landtagswahl im Herbst, hatte zuvor ebenfalls vom historischen Auftrag gesprochen, das Land in den nächsten 20 Jahren klimaneutral zu machen. Zwar habe er sich schon gefragt, in was die Grünen hineingeraten seien, „wenn ungustiöse Chats durchs Land purzeln“. Es seien aber die Grünen in der Regierung, die dafür gesorgt hätten, dass die rechtsstaatlichen Institutionen im Land funktionierten. „Wir stabilisieren die Republik“, so sein Fazit.

Optimistische Worte von Kogler

Am Sonntag findet in Linz der erste Bundeskongress der Grünen seit Beginn der türkis-grünen Koalition und der Pandemie statt. Parteichef Werner Kogler war in seiner Rede bemüht, Optimismus zu streuen.

Großer Jubel für Anschober

Viel Jubel gab es für den aus Gesundheitsgründen zurückgetretenen Gesundheitsminister Rudolf Anschober, der persönlich auf der Bühne erschien. Johannes Rauch aus Vorarlberg lobte ihn für seine „unendlichen Mühen“ und äußerte die Hoffnung, dass er sich bald wieder bei den Grünen einklinken könnte: „Du bist ein unverzichtbarer Bestandteil der Grünen.“

Debatte doch medienöffentlich

Bei den Restriktionen der Medienöffentlichkeit beim Bundeskongress vollzogen die Grünen eine Kehrtwende. Waren Journalistinnen und Journalisten zunächst von den Programmpunkten am Nachmittag – Generaldebatte über den Leitantrag, Abstimmung über künftige Urwahl des Bundessprechers – ausgeschlossen, wurde das schließlich zurückgenommen. Anwesende Medienvertreter hatten protestiert und vermutet, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit der Sorge vor abweichenden Stimmen geschuldet war, die etwa die Koalition mit der ÖVP infrage stellen könnten.