Die Tage der deutschsprachigen Literatur, besser als Bachmannpreis bekannt, sind ein Fixpunkt im Literaturjahr. In Klagenfurt, wo jahrzehntelang eine Art Schullandwoche der Literaturszene rund um das Wettlesen stattgefunden hat, folgt nach der „Sonderausgabe“ 2020, die komplett als Stream abgewickelt wurde, dieses Jahr eine weitere Ausgabe, die aus Sicherheitsgründen ohne Präsenz des Publikums und der Autorinnen und Autoren auskommen muss.
Die neu zusammengesetzte Jury wird jedenfalls fast wie früher im Landesstudio versammelt sein. Neben einer neuen Vorsitzenden, der profilierten Kritikerin Wilke, gibt es zwei Neuzugänge: Die Erfolgsautorin Vea Kaiser, die unter anderem im „Literarischen Quartett“ ihre Fähigkeiten als engagierte und beherzte Kritikerin unter Beweis gestellt hat, kommt ebenso hinzu wie Mara Delius, die Leiterin der „Literarischen Welt“.
Mehrheitlich weibliche Jury
Mit den Letztjahresneuzugängen Brigitte Schwens-Harrant und Philip Tingler sowie den Veteranen Klaus Kastberger und Michael Wiederstein ist die Runde komplett. Zum erst dritten Mal nach 2003 und 2012 ist die Jury damit mehrheitlich weiblich besetzt.
Neo-Jurorin Kaiser sagte gegenüber der APA, sie wolle „Gelegenheit ergreifen, es besser zu machen“. Besser, das heißt für sie: „Ich bereite mich zum Beispiel wirklich intensiv vor. Oft habe ich mich als Zuschauerin geärgert, wenn Juroren die Texte meinem Empfinden nach nicht genau genug gelesen haben. Das wird mir nicht passieren.“ Zusätzlich hat sie sich nun alle verfügbaren bisher publizierten Bücher der Eingeladenen besorgt. „Ich bin ja eine perfektionistische Zwangsneurotikerin“, meinte Kaiser. „Mein Motto lautet: Ganz oder gar nicht.“
Die Dynamiken innerhalb der Jury sind einer der spannendsten Aspekte über die drei Lesetage hinweg. Letztes Jahr hat es Tingler verstanden, seine Kolleginnen und Kollegen zu provozieren, etwa mit spitzen Fragen zu deren Literaturverständnis, aber auch etwa mit einem auffällig platzierten Foto Margaret Thatchers im Hintergrund.
Auf Augenhöhe beim Wettlesen?
Die Jury unter sich im Studio, die 14 Autorinnen und Autoren mit aufgezeichneter Videolesung und Zuschaltung bei der Diskussion: Da stellt sich die Frage der Augenhöhe. In der Geschichte des Wettlesens erschien die Jury nämlich öfters als Tribunal, und die im besten Fall demütigen Autorinnen und Autoren hatten die Chance auf Schmerzensgeld in Form einer der Preise oder in Form von Kontakten zu Verlegern und Lektoren.
Sendungshinweis
bachmannpreis.ORF.at streamt die Eröffnung am Mittwoch ab 18.00 Uhr, die Lesungen und Diskussionen am Donnerstag und Freitag von 10.00 bis 15.30 Uhr und am Samstag von 10.00 bis 14.30 Uhr. Die Preisverleihung startet dann am Sonntag um 11.00 Uhr. 3sat überträgt alle Lesungen und Diskussionen sowie die Preisverleihung.
Seit den 1990er Jahren wurde diese Dynamik zugunsten eines kollegialeren Miteinanders von Kritik und Lesenden aufgelöst. Das spiegelt sich auch darin, dass die Zahl der Jurymitglieder von zu Beginn 13 und dann lange Jahre elf ab 1997 auf sieben reduziert wurde. Leiden wird aber bestimmt der Showeffekt: Überraschungen wie der legendäre Auftritt von Rainald Goetz, der sich 1983 während seiner Lesung in die Stirn schnitt und auf seinen Text blutete, sind mit den aufgezeichneten Videos jedenfalls ausgeschlossen.
Live lesen: „Eine gruselige Vorstellung“
Nicht alle bedauern, dass sie dem Stress des Wettlesens an Ort und Stelle entgehen. „Das live zu erleben wäre für mich eine gruselige Vorstellung“, sagte die Hörspielautorin Magda Woitzuck gegenüber der APA. Neben ihr nehmen aus Österreich die aus dem Iran stammende Romanautorin Nava Ebrahimi, die Dichterin Katharina Ferner, die Kunststudentin Verena Gotthardt und Fritz Krenn teil.
Krenn war bereits 1992 eingeladen, auch die Deutsche Heike Geißler ist eine Autorin, die nach 2008 zum zweiten Mal am Wettlesen teilnimmt. Eine der jüngsten Autorinnen kommt ebenfalls aus Deutschland: die 1996 geborene Dana Vowinckel, die in ihrem Vorstellungsvideo erzählt, dass ihr das Schwimmen beim Schreiben hilft. Durch die Schwerelosigkeit und die Bewegung im Wasser könne man Gedanken klarer formulieren und zur eigenen Sprache finden, sagt die Berlinerin, die an ihrem ersten Roman arbeitet.
Fünf weitere deutsche Schriftsteller und Schriftstellerinnen sind dieses Mal dabei: Timon Karl Kaleyta, mit der Band Susanne Blech auch als Musiker aktiv, Necati Öziri, der als Autor am Nationaltheater Mannheim engagiert ist, und Anna Prizkau, die in ihrem Debütroman „Fast ein neues Leben“ das Leben einer Einwandererfamilie in Deutschland beschrieb. Außerdem die Autorin und Musikwissenschaftlerin Nadine Schneider sowie Leander Steinkopf. Ergänzt wird das Teilnehmerfeld durch die Schweizer Autorin Julia Weber und ihrem Landsmann Lukas Maisel.
Worum gelesen wird
Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer geht es um fünf Preise: den Ingeborg-Bachmann-Preis, gestiftet von der Landeshauptstadt Klagenfurt am Wörthersee, in der Höhe von 25.000 Euro; den Deutschlandfunk-Preis, gestiftet von Deutschlandradio, in der Höhe von 12.500 Euro; den KELAG-Preis, gestiftet von der Kärntner-Elektrizitäts-Aktiengesellschaft, in der Höhe von 10.000 Euro; den 3sat-Preis, gestiftet von 3sat, in der Höhe von 7.500 Euro; und den BKS Bank Publikumspreis, gestiftet von der BKS Bank, in der Höhe von 7.000 Euro.
Seit 2009 vergibt die Landeshauptstadt Klagenfurt am Wörthersee ein Stadtschreiberstipendium in der Höhe von 6.000 Euro. Stadtschreiberin oder Stadtschreiber wird die Gewinnerin oder der Gewinner des BKS Bank Publikumspreises.