Bild zeigt die „Villa La Grange“ in Genf.
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Während Stimmungstiefs

Erstes Spitzentreffen von Biden und Putin

Die herrschaftliche Villa La Grange am Genfer See wird am Mittwoch Schauplatz eines weltpolitisch heiklen Gipfels: US-Präsident Joe Biden trifft zum ersten Mal seit Amtsantritt auf seinen russischen Gegenpart Wladimir Putin – und das mitten während einer Eiszeit.

Die Beziehungen zwischen den USA und Russland gelten als so schlecht wie lange nicht mehr. Beide Seiten hatten auch im Vorfeld keinen Zweifel am zerrütteten Zustand der Beziehung gelassen. Die Beziehungen seien in einem „nicht zufriedenstellenden Zustand“. In vielen Bereichen gebe es gar keinen Kontakt mehr. „Selbst in der Zeit der sowjetischen Geschichte haben wir nie einen solchen Mangel an Kontakten gehabt“, so der Kreml.

Biden hatte sich vor dem Treffen auf eine demonstrative Europatour begeben und Rückendeckung bei den G-7-Staaten, der EU und der NATO geholt. Die Botschaft: Nach der Trump-Ära sind die USA wieder als ordnende Kraft auf der Weltbühne präsent. Man werde dabei auch Russland „rote Linien“ aufzeigen. Gleichzeitig bot er auch Zusammenarbeit an, es gehe um ein „stabiles und berechenbares Verhältnis“.

Für Putin fünfter US-Präsident

Für Putin ist Biden unterdessen der fünfte US-Präsident, der ihm am Verhandlungstisch gegenübersitzt. Moskau machte im Vorfeld deutlich, dass aber auch dieser keine Wende im langjährigen Dauerclinch bringen werde. Russland sei zwar bereit zur Zusammenarbeit, aber nicht um jeden Preis. Russland wünscht sich ein Treffen mit „Respekt auf Augenhöhe, aber keine Belehrung“ in Fragen der russischen Staatsführung.

Schweizer Soldaten beim absichern des Geländes rund um die „Villa La Grange“.
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Der Genfer See wird penibel gesichert

Auf der Agenda stehen laut dem Diplomaten Juri Uschakow jedenfalls "praktisch alle Themen, die uns und die amerikanische Seite beschäftigen“ – manche davon sind mehr, andere weniger heikel. Uschakow verwies auf die strategische Stabilität, die Bekämpfung von Cyberkriminalität – und damit wohl auch den US-Vorwurf zu russischen Hackerangriffen –, Klima, Probleme bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und die Coronavirus-Pandemie. Auch auf dringende weltweite Themen wie „regionale Konflikte, Abrüstungsprobleme, Probleme im Bereich der strategischen Stabilität, Rüstungskontrolle“ wurde verwiesen.

Putin und Biden vor Treffen

Wladimir Putin und Joe Biden treffen sich am Mittwoch in der Schweizer Stadt Genf. Ihr Verhältnis ist angespannt. US-Präsident Biden hat bereits angekündigt: „Ich werde ihm sagen, was ich zu sagen habe.“

Der Diplomat rechnete auch damit, dass Biden den Fall des inhaftierten, russischen Regierungsgegners Alexej Nawalny ansprechen werde. Gerade dieses Kapitel könnte durchaus zu eisiger Stimmung führen, ebenso wie Putins Unterstützung für den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko. Putins Vorgehen gegen den in einem Straflager inhaftierten Nawalny und seine Organisation und die amerikanische Kritik strapazieren seit Monaten die Beziehungen. Auch eine Kundgebung für Nawalny in Genf ist geplant.

Krise nach „Killer“-Interview vertieft

Vermutlich auch unter dem Eindruck des Falles Nawalny hatte Biden im März in einem Interview die Frage bejaht, ob er Putin für einen Killer halte. Die Äußerung löst die schwerste diplomatische Krise zwischen beiden Staaten seit Jahren aus. Moskau berief seinen Botschafter in Washington zu Konsultationen zurück und warnte, die Beziehungen stünden kurz vor dem „Zusammenbruch“. Putin machte sich über die „Killer“-Einstufung demonstrativ lustig und sagte mit Blick auf Biden, man solle nicht von sich auf andere schließen.

Bild zeigt den Raum in der „Villa La Grange“ in dem Putin und Biden sich treffen werden.
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Gediegen ist der Gipfelort. Im Vorfeld hatte auch Wien für die Austragung zur Debatte gestanden, war aber leer ausgegangen.

Als möglicher Kompromiss des Gipfels gilt die Rückkehr der jeweiligen Botschafter nach Moskau und Washington. Auch über einen Gefangenenaustausch wurde im Vorfeld spekuliert. Dass größere Pflöcke eingeschlagen werden, erscheint dagegen unwahrscheinlich. „Wir machen uns keine Illusionen und versuchen nicht den Eindruck zu erwecken, dass es irgendeinen Durchbruch, irgendwelche historischen schicksalsschwangeren Entscheidungen geben wird“, so der russische Außenminister Sergej Lawrow. Er wird wie sein US-Kollege Antony Blinken ebenfalls anwesend sein. Auch der hochrangige US-Regierungsberater Jake Sullivan sagte, er erwarte keinen signifikanten Durchbruch.

Biden und Putin bei Online-Konferenz des Klimagipfels im April.
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Als langgediente Politiker hatten Biden und Putin bereits mehrfach Kontakt, es ist allerdings das erste Treffen als Staatschefs

Aber auch Biden gab sich nicht unbedingt optimistisch. Putin sei „ein Widersacher oder jemand, der ein Widersacher sein könnte“, sagte er im Vorfeld beim NATO-Gipfel. Russland und China versuchten, „einen Keil in unsere transatlantische Solidarität zu treiben“. Er werde Putin sagen, dass er – Biden – nicht auf einen Konflikt mit Russland aus sei. Sollte das Land jedoch seine schädigenden Aktivitäten fortsetzen, werde die NATO reagieren. Er verwies dabei etwa explizit auf Cyberangriffe aus Russland.

Der Gipfel im penibel gesicherten Genf soll zu Mittag beginnen. Sowohl aus dem Weißen Haus als aus dem Kreml verlautete am Dienstag, als Sitzungsdauer in der Villa La Grange am Genfer See seien ab 13.00 Uhr vier bis fünf Stunden geplant. Ein Vertreter der US-Regierung sagte, ein gemeinsames Essen sei nicht vorgesehen. Nach ihrem Treffen werden die beiden Präsidenten eine Pressekonferenz geben – getrennt. Danach will Putin laut dem Kreml noch den Schweizer Bundespräsidenten Guy Parmelin treffen. Der Gipfel mit Putin in Genf bildet den Abschluss von Bidens erster Auslandsreise als US-Präsident, bei der er erstmals an einem NATO-Gipfel teilnahm.