Russlands Präsident Putin
AP/Denis Balibouse
Treffen am Genfer See

Biden-Putin-Gipfel angelaufen

Inmitten weitreichender Meinungsverschiedenheiten sind die Präsidenten der USA und Russlands, Joe Biden und Wladimir Putin, Mittwochmittag in Genf zu einem mit Spannung erwarteten Gipfeltreffen zusammengekommen. Es ist die erste persönliche Begegnung der beiden Staatsoberhäupter seit dem Amtsantritt Bidens im Jänner. Die beiden Staatschefs trafen einander am Mittwochmittag in einer Villa am Genfer See und schüttelten einander am Eingang die Hand.

Angesichts tiefer Risse zwischen dem Westen und Russland bei mehreren Themen werden von dem Treffen keine weitgehenden Verständigungen erwartet. Eine gemeinsame Pressekonferenz nach dem Treffen ist nicht geplant. Stattdessen wollen sich Biden und Putin am späteren Nachmittag jeweils allein vor der Öffentlichkeit äußern.

Die Tagesordnung ist zwar so lang, dass die beiden mehrere Stunden für ihre Gespräche eingeplant haben. Aber zum Abend hin dürfte es eng werden, denn beide wollten offenbar noch am Mittwoch in ihre jeweilige Heimat zurückfliegen. Selbst ein gemeinsames Abendessen war nicht vorgesehen. Es gab keine Pläne für irgendwelche Mahlzeiten in der Villa La Grange, wo die Begegnung am frühen Nachmittag begonnen hat. Beobachter wollten im Vorfeld nicht ausschließen, dass sich die Gespräche bis in den späteren Abend hinziehen.

US-Präsident Biden und Russlands Präsident Putin
AP/Patrick Semansky
Das Treffen findet hinter verschlossenen Türen in der Bibliothek der Villa La Grange statt

Erste Rund rund 90 Minuten im kleinen Kreis

Einen Hinweis auf eine Verlängerung gab die erste bereits beendete Gesprächsrunde. Nach Angaben aus dem Weißen Haus habe das Gespräch der beiden Präsidenten mit ihren Außenministern Antony Blinken und Sergej Lawrow plus Übersetzern rund 93 Minuten gedauert. Nach Angaben von Kreml-Sprecher Dmitri Peskow waren für dieses Format im Protokoll 75 Minuten vorgesehen.

In einer zweiten Runde wollten Biden und Putin nach einer Pause mit einem erweiterten Kreis ihrer Delegationen zusammenkommen. Daran sollten von russischer Seite Lawrow, der Botschafter Anatoli Antonow, Generalstabschef Waleri Gerassimow und der Vizechef der Präsidialverwaltung, Dmitri Kosak, der auch für den Ukraine-Konflikt zuständig ist, teilnehmen. Auch Putins Sonderbeauftragter für Syrien, Alexander Lawrentjew, sollte dabei sein.

Gespräche hinter verschlossenen Türen

Putin landete erst unmittelbar vor dem Gipfeltreffen in Genf und hatte bei seiner Ankunft auf die geplante offizielle Begrüßung durch den Schweizer Präsidenten Guy Parmelin auf dem Flughafen verzichtet. Parmelin begrüßte Putin direkt vor dem nur wenige Kilometer vom Flughafen entfernten Tagungsort. Kurz darauf traf auch der bereits am Vortag angereiste Biden an der oberhalb des Genfer Sees gelegenen Villa La Grange ein.

Putin sagte beim Fototermin in der Bibliothek: „Herr Präsident, ich möchte Ihnen danken für die Initiative zu dem heutigen Treffen.“ Er hoffe, dass die Gespräche produktiv würden. „Ich weiß, Sie hatten eine weite Reise. Viel Arbeit. Dennoch haben sich in den russisch-amerikanischen Beziehungen viele Fragen angestaut.“ Biden erwiderte: „Ich glaube, es ist immer besser, einander von Angesicht zu Angesicht zu treffen.“

Fotostrecke mit 8 Bildern

Präsidentenmaschine von Vladimir Putin auf dem Flughafen Genf
APA/AFP/Alessandro Della Valle
Russlands Staatschef Wladimir Putin landete am Mittwoch kurz vor dem Gipfeltreffen mit US-Präsident Joe Biden auf dem Flughafen Genf
Limousine von US-Präsident Biden vor der Wasserfontäne in Genf
Reuters/Fabrice Coffrini
Biden, der am Vortag anreiste, auf dem Weg zum Tagungsort
Außenansicht der Villa la Grange in Genf
AP/Markus Schreiber
Der Schauplatz des Gipfeltreffens: Die nahe dem Flughafen gelegene Villa La Grange
US-Präsident Biden, Russlands Präsident Putin, US-Außenminister Blinken, und russischer Außenminister Lavrov
APA/AFP/Brendan Smialowski
US-Außenminister Antony Blinken, US-Präsident Joe Biden, dessen Amtskollege Wladimir Putin und Russlands Außenminister Sergej Lawrow kurz vor dem Auftakt der Gespräche (v. l. n. r)
US-Präsident Biden und Russlands Präsident Putin
Reuters/Sputnik
Das Treffen zwischen Biden und Putin begann mit einem Handschlag
Shakehands zwischen US-Präsident Biden und Russlands Präsident Putin
AP/Alexander Zemlianichenko
Putin bedankte sich bei Biden für die Initiative zu dem Treffen. Biden antwortete: Es sei immer besser, einander direkt zu treffen.
der russische Präsident Wladimir Putin
Reuters/Alexander Zemlianichenko
Putin zog nach dem Treffen eine positive Gipfelbilanz und streute dem als „sehr erfahrenen Menschen“ gelobten Biden Rosen
Pressekonferenz von US-Präsident Joe Biden in Genf
Reuters/Kevin Lamarque
Nach Putin stellte sich auch Biden der Presse und bekräftigte dabei auch seine Entschlossenheit gegenüber Russland: „Putin weiß, dass ich handeln werde“

„Nicht zufriedenstellender Zustand“

Das Treffen findet auf Initiative Bidens statt. Dieser hatte Putin zu dem Gipfel eingeladen, um angesichts der im Westen zunehmend kritisierten Politik Moskaus „rote Linien“ aufzuzeigen. Allerdings wollen die Präsidenten der beiden größten Atommächte auch über gemeinsame Interessen sprechen.

Beide Seiten hatten im Vorfeld keinen Zweifel am zerrütteten Zustand der Beziehung gelassen. Die Beziehungen seien in einem „nicht zufriedenstellenden Zustand“. In vielen Bereichen gebe es gar keinen Kontakt mehr. „Selbst in der Zeit der sowjetischen Geschichte haben wir nie einen solchen Mangel an Kontakten gehabt“, so der Kreml.

Biden hatte sich vor dem Treffen auf eine demonstrative Europatour begeben und Rückendeckung bei den G-7-Staaten, der EU und der NATO geholt. Die Botschaft: Nach der Trump-Ära sind die USA wieder als ordnende Kraft auf der Weltbühne präsent. Man werde dabei auch Russland „rote Linien“ aufzeigen. Gleichzeitig bot er auch Zusammenarbeit an, es gehe um ein „stabiles und berechenbares Verhältnis“.

ORF-Analyse des Treffens Biden – Putin

Andreas Pfeifer (ORF) berichtet aus Genf über das Gipfeltreffen zwischen US-Präsident Joe Biden und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Für Putin fünfter US-Präsident

Für Putin ist Biden bereits der fünfte US-Präsident, der ihm am Verhandlungstisch gegenübersitzt. Moskau machte im Vorfeld deutlich, dass aber auch dieser keine Wende im langjährigen Dauerclinch bringen werde. Russland sei zwar bereit zur Zusammenarbeit, aber nicht um jeden Preis. Russland wünscht sich ein Treffen mit „Respekt auf Augenhöhe, aber keine Belehrung“ in Fragen der russischen Staatsführung.

Auf der Agenda stehen laut dem Diplomaten Juri Uschakow jedenfalls "praktisch alle Themen, die uns und die amerikanische Seite beschäftigen“ – manche davon sind mehr, andere weniger heikel. Uschakow verwies auf die strategische Stabilität, die Bekämpfung von Cyberkriminalität – und damit wohl auch den US-Vorwurf zu russischen Hackerangriffen –, Klima, Probleme bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und die Coronavirus-Pandemie. Auch auf dringende weltweite Themen wie „regionale Konflikte, Abrüstungsprobleme, Probleme im Bereich der strategischen Stabilität, Rüstungskontrolle“ wurde verwiesen.

Putin und Biden vor Treffen

Wladimir Putin und Joe Biden treffen sich am Mittwoch in der Schweizer Stadt Genf. Ihr Verhältnis ist angespannt. US-Präsident Biden hat bereits angekündigt: „Ich werde ihm sagen, was ich zu sagen habe.“

Der Diplomat rechnete auch damit, dass Biden den Fall des inhaftierten, russischen Regierungsgegners Alexej Nawalny ansprechen werde. Gerade dieses Kapitel könnte durchaus zu eisiger Stimmung führen, ebenso wie Putins Unterstützung für den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko. Putins Vorgehen gegen den in einem Straflager inhaftierten Nawalny und seine Organisation und die amerikanische Kritik strapazieren seit Monaten die Beziehungen.

Krise nach „Killer“-Interview vertieft

Vermutlich auch unter dem Eindruck des Falles Nawalny hatte Biden im März in einem Interview die Frage bejaht, ob er Putin für einen Killer halte. Die Äußerung löst die schwerste diplomatische Krise zwischen beiden Staaten seit Jahren aus. Moskau berief seinen Botschafter in Washington zu Konsultationen zurück und warnte, die Beziehungen stünden kurz vor dem „Zusammenbruch“. Putin machte sich über die „Killer“-Einstufung demonstrativ lustig und sagte mit Blick auf Biden, man solle nicht von sich auf andere schließen.

Als möglicher Kompromiss des Gipfels gilt die Rückkehr der jeweiligen Botschafter nach Moskau und Washington. Auch über einen Gefangenenaustausch wurde im Vorfeld spekuliert. Dass größere Pflöcke eingeschlagen werden, erscheint dagegen unwahrscheinlich. „Wir machen uns keine Illusionen und versuchen nicht den Eindruck zu erwecken, dass es irgendeinen Durchbruch, irgendwelche historischen schicksalsschwangeren Entscheidungen geben wird“, so der russische Außenminister Sergej Lawrow. Er wird wie sein US-Kollege Antony Blinken ebenfalls anwesend sein. Auch der hochrangige US-Regierungsberater Jake Sullivan sagte, er erwarte keinen signifikanten Durchbruch.

Schweizer Soldaten beim absichern des Geländes rund um die „Villa La Grange“.
APA/AFP/Fabrice Coffrini
Der Genfer See wird penibel gesichert

Aber auch Biden gab sich nicht unbedingt optimistisch. Putin sei „ein Widersacher oder jemand, der ein Widersacher sein könnte“, sagte er im Vorfeld beim NATO-Gipfel. Russland und China versuchten, „einen Keil in unsere transatlantische Solidarität zu treiben“. Er werde Putin sagen, dass er – Biden – nicht auf einen Konflikt mit Russland aus sei. Sollte das Land jedoch seine schädigenden Aktivitäten fortsetzen, werde die NATO reagieren. Er verwies dabei etwa explizit auf Cyberangriffe aus Russland.

Verweis auf Reagan-Gorbatschow-Treffen

„Angesichts des momentanen Zustands der Beziehungen zwischen den USA und Russland ist allein das Zustandekommen des Gipfels bereits ein Erfolg, aber auch dringend notwendig“, sagte dazu der Direktor der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz, David Sirakov. Vielfach ist dennoch von einem historischen Gipfeltreffen die Rede, wobei etwa die „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“) an das erste und folgenreiche Treffen von Ronald Reagan und Michail Gorbatschow erinnerte, das 1985 ebenfalls in Genf stattfand.

Der Gipfel wird von einem umfassenden Sicherheitsaufgebot begleitet. Rund 4.000 Polizisten, Soldaten und sonstige Sicherheitskräfte sind laut Schweizer Fernsehen (SRF) im Einsatz. „Natürlich darf eine standesgemäße Beflaggung an einem solchen Gipfeltreffen nicht fehlen“, so der SRF mit Verweis auf eine „Flaggen-Shoppingtour“. Der Stadt Genf hätten nämlich „ursprünglich“ die dafür notwendigen russischen und amerikanischen Fahnen gefehlt.