Putin nannte die Gespräche in seinem Auftritt zuvor „konstruktiv“ und „intensiv“ und sagte, dass über etliche Themen, darunter auch über die „atomare Stabilität“ und regionale Fragen, diskutiert worden sei. Biden habe auch die Menschenrechte angesprochen, fügte Putin hinzu. Beide Staatschefs hätten sich bei dem mehrstündigen Treffen zudem darauf geeinigt, Konsultationen zum Thema Cybersicherheit aufzunehmen. Es habe bei dem Treffen keine Feindseligkeiten gegeben. Beide Seiten hätten gezeigt, dass ihnen daran gelegen sei, einander zu verstehen, so Putin.
Putin versicherte bei seiner Pressekonferenz nach dem Gipfeltreffen zudem, die USA bräuchten keine Angst vor einer russischen Militarisierung der Arktis-Region zu haben. Diese Sorgen der US-Regierung hätten „keinerlei Grundlage“, so Putin: „Im Gegenteil, ich bin davon überzeugt, dass wir zusammenarbeiten sollten.“
„Über Austausch von Gefangenen gesprochen“
Das gelte Putin zufolge dann auch mit Blick auf einen möglichen Austausch von Gefangenen. „Präsident Biden hat dieses Thema in Bezug auf amerikanische Staatsbürger in Gefängnissen der Russischen Föderation angesprochen“, sagte Putin: „Es können gewisse Kompromisse gefunden werden. Das russische Außenministerium und das US-Außenministerium werden in diese Richtung arbeiten.“
Vor dem Gipfeltreffen war insbesondere in den USA spekuliert worden, dass sich die Präsidenten darauf einigen könnten, dass die in Russland inhaftierten Amerikaner Paul Whelan und Trevor Reed gegen die in den USA verurteilten russischen Staatsbürger Viktor But und Konstantin Jaroschenko ausgetauscht werden könnten.
„Gibt keinen Ersatz für persönliche Treffen“
Etwas später als zunächst angekündigt trat dann auch Biden vor die Presse und schilderte seine Eindrücke vom Gipfel. Außer Frage stellte der US-Präsident zu Beginn, dass es für ihn „keinen Ersatz für persönliche Treffen zwischen Staatschefs“ gebe. Das Treffen mit Putin sei „gerade heraus“ gewesen, so Biden, der nach Angaben des Schweizer Fernsehens (SRF) in diesem Zusammenhang hervorhob „auch über die Differenzen, die die USA und Russland hätten, gesprochen“ zu haben.
Er habe Putin nach eigenen Angaben zu verstehen gegeben, dass die USA Menschenrechtsverletzungen in Russland weiter anprangern werden. Er habe Putin aber auch gesagt, dass er keine Agenda gegen Russland habe. „Es geht nicht darum, Russland anzugreifen, wenn sie Menschenrechte verletzen“, es gehe darum, demokratische Werte zu verteidigen. Kein Präsident der Vereinigten Staaten könnte das Vertrauen des amerikanischen Volkes halten, wenn das nicht geschehe. „Das ist einfach Teil der DNA unseres Landes.“
Kein „Kumbaya“-Moment
Die USA und Russland haben sich laut Biden als die beiden größten Atommächte auch auf neue strategische Gespräche zur Rüstungskontrolle geeinigt. „Ich freue mich, dass wir uns heute darauf geeinigt haben, einen bilateralen strategischen Stabilitätsdialog zu starten.“ Militärexperten und Diplomaten beider Länder sollten an einem Mechanismus arbeiten, der zu einer Kontrolle neuer und hoch entwickelter Waffen führen könne.
Die Gespräche über die strategische Stabilität gelten als wichtiges Signal für die globale Sicherheit. Das Letzte, was Putin wolle, sei ein neuer Kalter Krieg mit den USA, wie Biden dazu sagte. Der Gipfel sei kein „Kumbaya“-Moment gewesen, und man habe sich in Genf auch nicht umarmt, wie Biden laut SRF ausführte: Aber man habe grundsätzliche Dinge besprochen.
Zeichen einer Deeskalation
Auch die von Putin zuvor angekündigte Rückkehr der Botschafter gilt als Zeichen einer Deeskalation zwischen Moskau und Washington. Russlands Botschafter Anatoli Antonow war vor drei Monaten aus Washington zu Konsultationen in die Heimat zurückgerufen worden.
Dazu kam es, nachdem Biden in einem Interview im März die Frage bejaht hatte, ob er Putin für einen „Killer“ halte. Zudem verhängte die US-Regierung neue Sanktionen gegen Russland wegen eines Cyberangriffs und wegen der Einmischung in Wahlen. Moskau wies die Anschuldigungen zurück und bezeichnete die Strafmaßnahmen als Verstoß gegen internationales Recht.
Im Gegenzug verhängte auch die russische Regierung Sanktionen und wies unter anderem US-Diplomaten aus. Außenminister Sergej Lawrow legte zudem dem US-Botschafter John Sullivan nahe, Moskau zu verlassen. Im April reiste Sullivan aus der russischen Hauptstadt ab.
„Stadt des Friedens“
Biden und Putin trafen einander gegen 14.00 Uhr in einer Villa am Genfer See, wo sie sich zu Beginn für Fotografen kurz die Hände schüttelten. Es folgten zwei Gesprächsrunden. Die erste mit den beiden Außenministern Antony Blinken und Sergej Lawrow dauerte 90 Minuten und damit länger als vom Protokoll vorgesehen, danach folgte ein Zusammenkunft im erweiterten Kreis der Delegationen.
Zu Beginn des Treffens in der Villa La Grange hatte der Schweizer Präsident Guy Parmelin beide Staatschefs einzeln begrüßt und dann noch einmal gemeinsam in der „Stadt des Friedens“ willkommen geheißen. Er wünsche den Präsidenten einen fruchtbaren Dialog, im Interesse der beiden Länder und der gesamten Welt. „Alles Gute“, sagte Parmelin und richtete danach noch kurze Worte auf Russisch und Englisch an Putin und Biden.
„Nicht zufriedenstellender Zustand“
Der Gipfel mit Putin war das erste Treffen der beiden Präsidenten seit Bidens Amtsantritt Anfang des Jahres. Der US-Präsident hatte Putin zu dem Gipfel eingeladen, um angesichts der im Westen zunehmend kritisierten Politik Moskaus „rote Linien“ aufzuzeigen. Allerdings wollen die Präsidenten der beiden größten Atommächte auch über gemeinsame Interessen sprechen.
Beide Seiten hatten im Vorfeld keinen Zweifel am zerrütteten Zustand der Beziehung gelassen. Die Beziehungen seien in einem „nicht zufriedenstellenden Zustand“. In vielen Bereichen gebe es gar keinen Kontakt mehr. „Selbst in der Zeit der sowjetischen Geschichte haben wir nie einen solchen Mangel an Kontakten gehabt“, so der Kreml.
Biden hatte sich vor dem Treffen auf eine demonstrative Europatour begeben und Rückendeckung bei den G-7-Staaten, der EU und der NATO geholt. Die Botschaft: Nach der Trump-Ära sind die USA wieder als ordnende Kraft auf der Weltbühne präsent. Man werde dabei auch Russland „rote Linien“ aufzeigen. Gleichzeitig bot er auch Zusammenarbeit an, es gehe um ein „stabiles und berechenbares Verhältnis“.
„Gemeinsame Sprache“
Kurz nach seinem Eintreffen am Tagungsort bedankte sich Putin dann bei Biden: „Herr Präsident, ich möchte Ihnen danken für die Initiative zu dem heutigen Treffen.“ Er hoffe, dass die Gespräche produktiv würden. „Ich weiß, Sie hatten eine weite Reise. Viel Arbeit. Dennoch haben sich in den russisch-amerikanischen Beziehungen viele Fragen angestaut.“ Biden erwiderte: „Ich glaube, es ist immer besser, einander von Angesicht zu Angesicht zu treffen.“
Wie Putin am Ende seiner Gipfelpressekonferenz schließlich noch anmerkte, seien Gipfel dazu da, die Sicherheit in der Welt sicherzustellen. Nach SRF-Angaben verwies Putin auch darauf, dass er mit Biden rund zwei Stunden lang zu zweit geredet habe – und „das sei nicht mit allen Staatsführern so“.
Verweis auf Reagan-Gorbatschow-Treffen
Beobachter zeigten sich im Vorfeld skeptisch. „Angesichts des momentanen Zustands der Beziehungen zwischen den USA und Russland ist allein das Zustandekommen des Gipfels bereits ein Erfolg, aber auch dringend notwendig“, sagte etwa der Direktor der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz, David Sirakov. Vielfach war dennoch von einem historischen Gipfeltreffen die Rede, wobei etwa die „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“) an das erste und folgenreiche Treffen von Ronald Reagan und Michail Gorbatschow erinnerte, das 1985 ebenfalls in Genf stattfand.
Der Gipfel wurde von einem umfassenden Sicherheitsaufgebot begleitet. Rund 4.000 Polizisten, Soldaten und sonstige Sicherheitskräfte waren im Einsatz. Der SRF verwies schließlich auch auf die bei solchen Gipfeltreffen standesgemäße Beflaggung und die in diesem Zusammenhang notwendig gewordene „Flaggen-Shoppingtour“. Der Stadt Genf hätten nämlich „ursprünglich“ die dafür notwendigen russischen und amerikanischen Fahnen gefehlt.