Justizministerin Alma Zadic
APA/Helmut Fohringer
Afghanistan

Zadic kritisiert Abschiebungen

Am Rande einer Pressekonferenz am Freitag zu der seit rund einem Jahr verstaatlichten Flüchtlingsbetreuung und Rechtsberatung in Österreich hat Justizministerin Alma Zadic (Grüne) mit einem anderen Thema aufhorchen lassen. Sie kritisierte die Abschiebepraxis Österreichs nach Afghanistan. Die Justizministerin verlangte eine Evaluierung.

Das Innenministerium, das für Abschiebungen zuständig ist, sprach Zadic dabei aber nicht direkt an. Bei einer Evaluierung sollten jedenfalls die entsprechenden Stellungnahmen des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) eine wichtige Rolle spielen, so Zadic. Summa summarum sieht die Ministerin Österreichs Abschiebepraxis nach Afghanistan laut eigenen Angaben kritisch.

Das UNHCR warnt immer wieder vor Abschiebungen nach Afghanistan: „Die Sicherheitslage in Afghanistan lässt Rückführungen nur im Ausnahmefall zu. Die Situation hat sich (…) verschlechtert", sagte ein deutscher UNHCR-Vertreter kürzlich. In einem 2018 herausgegebenen UNHCR-Bericht wird Afghanistan als „weiterhin von einem nicht internationalen bewaffneten Konflikt betroffen“ beschrieben. Die Sicherheitslage soll sich insgesamt weiter verschlechtert und zu einer „erodierenden Pattsituation“ geführt haben. Die Lage hat sich seither der Organisation zufolge nicht geändert.

Stephan Klammer, Andreas Achrainer, Alma Zadic und Sabine Matejka
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Stephan Klammer und Andreas Achrainer von der BBU, Justizministerin Alma Zadic und die Präsidentin der Richtervereinigung, Sabine Matejka, zogen zu der unter Türkis-Blau beschlossenen verstaatlichten Flüchtlingsberatung Bilanz

Zahlreiche heimische NGOs schlossen sich dieser Auffassung an, etwa die Diakonie erst letzte Woche. „Wer Menschen nach Afghanistan abschiebt, gefährdet ihr Leben“, fasste die Sachverständige Friederike Stahlmann für die Diakonie eine Studie zusammen. Auch Amnesty International Österreich kritisierte die Abschiebungen nach Afghanistan wiederholt.

Nehammer: „Konsequentes Vorgehen wichtig“

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) reagierte gegenüber ORF.at per E-Mail, er lehne es ab, Abschiebungen nach Afghanistan auszusetzen: „Österreich wird nach wie vor sowohl freiwillige als auch zwangsweise Rückführungen nach Afghanistan durchführen“, so Nehammer. Rund 40 Prozent der abgeschobenen Afghanen wurden laut Nehammer in Österreich straffällig – „das zeigt, wie wichtig ein konsequentes Vorgehen ist“.

Wenn ein Asylverfahren negativ verlaufe, sei daher eine Abschiebung notwendig und außerdem EU-weite Praxis. Es gehe um eine „glaubhafte Asylpolitik“, hieß es aus dem Büro des Innenministers. „Entscheidungen von Gerichten sind in einem Rechtsstaat auch zu vollziehen.“

Zadic bilanziert neue Asylberatung

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) zieht eine erste positive Bilanz über die staatliche Betreuung von Asylwerbern. Diese wurde vom ehemaligen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) eingerichtet, um Asylverfahren rascher und billiger durchzuführen. Zadic sieht die Qualitätsstandards gewahrt, teilweise sogar ausgebaut.

Ähnlich argumentierte ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl: „Auch das Asyl- und Aufenthaltsrecht haben den Prinzipien unseres Rechtsstaates zu folgen.“ Die Entscheidungen der Gerichte seien zu akzeptieren, schließlich seien diese „ein wesentliches Fundament unseres Staatswesens“.

Zadic bilanziert verstaatlichte Beratung positiv

Zu der verstaatlichten Flüchtlingsbetreuung inklusive Rechtsberatung zog Zadic unterdessen eine erste positive Bilanz. Die Ressortchefin sieht die Qualitätsstandards gewahrt, teils sogar ausgebaut, da nun zwingend Personal zum Einsatz kommt, das ein rechtswissenschaftliches Studium abgeschlossen hat.

Die Reform geht auf die türkis-blaue Regierung zurück und war von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) vorangetrieben worden. Im Wesentlichen ging es darum, dass die von einem privatwirtschaftlichen Unternehmen organisierte Flüchtlingsbetreuung zurück an den Staat ging, wie es schon bis Ende der 1990er Jahre war. Die Rechtsberatung wanderte ebenfalls in die neu errichtete Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU). Sie war bis dahin in den Händen von NGOs gelegen, denen Zadic am Freitag nochmals für deren hochwertige Arbeit dankte.

„Absolute Unabhängigkeit“ weiterhin gewährleistet

Mit dem Ist-Zustand ist die Justizministerin jedenfalls zufrieden. Sechs Monate nach Aufnahme der Arbeit könne man sagen, dass die „absolute Unabhängigkeit der Rechtsberatung“ weiter gewährleistet sei. So dürfen Rechtsberaterinnen und Rechtsberater an die Geschäftsführung oder eines der zuständigen Ministerien nicht über Gespräche berichten, und das Management darf keine Weisungen erteilen. Unabhängigkeit sei ebenso gewahrt worden wie Vertraulichkeit.

Pressekonferenz zur Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen

Justizministerin Zadic zog eine weitgehend positive Bilanz zur Flüchtlingsbetreuung und Rechtsberatung in Österreich.

Dazu gebe es einen Qualitätsbeirat. Dessen Vorsitzende ist die Chefin der Richtervereinigung, Sabine Matejka. Sie kündigte bei dem Pressetermin an, dass man einmal pro Jahr Vorschläge und Empfehlungen vorbringen werde. Bisher sei die Zusammenarbeit mit der BBU sehr gut. Kontakt will Matejka auch mit der Kindeswohlkommission unter der ehemaligen OGH-Präsidentin Irmgard Griss aufnehmen, die von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) nach der umstrittenen Abschiebung einiger Kinder nach Georgien und Armenien eingesetzt worden war.

Rechtsberatung per Brief angeboten

Die Rechtsberatung wird an sich automatisch allen Flüchtlingen per Brief angeboten, die einen negativen Bescheid in Händen haben. Der Leiter der zuständigen Stelle, Stefan Klammer, erläuterte, dass in der Folge über die Entscheidung aufgeklärt und eine Perspektivenabwägung gegeben werde. In den ersten fünf Monaten habe man in 3.600 Fällen eine Bescheidberatung durchgeführt. In mehr als 1.000 Fällen seien Rechtsmittel erhoben worden.

Tätig sind in der Rechtsberatung 140 Personen, darunter 20 Administrativkräfte. Neben Beratung und Vorbereitung auf Gerichtstermine kann auf Wunsch auch die Vertretung vor Gericht selbst übernommen werden. Mehr als 1.600-mal ist das von Jänner bis inklusive Mai auch passiert.

Dass es gerade während der Pandemie nicht leicht gewesen sei, die neue Behörde aufzubauen, schilderte BBU-Chef Andreas Achrainer. So habe man alleine zwölf Standorte in Bundesländern in zentraler Lage finden müssen. Gleich 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien in die BBU gewechselt.