Der iranische Präsidentschaftskandidat Ebrahim Raisi
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Rouhanis Ablöse

Erzkonservativer Raisi gewinnt Iran-Wahl

Der Hardliner Ebrahim Raisi wird neuer Präsident im Iran und löst Anfang August den moderaten Hassan Rouhani ab. Er erhielt laut Innenministerium über 60 Prozent der Stimmen und ließ die Konkurrenz klar hinter sich. Dem Iran steht ein Richtungswechsel bevor.

17,9 Millionen der 28,9 Millionen abgegebenen Stimmen entfallen auf Raisi, erklärte das Innenministerium. Wahlberechtigt waren bei der Abstimmung am Freitag mehr als 59,3 Millionen Iranerinnen und Iraner. Die vierjährige Amtsperiode Hassan Rouhanis endet am 3. August, er durfte nach zwei Amtszeiten in Folge nicht antreten.

Der 60 Jahre alte Justizchef Raisi war vor vier Jahren noch an Rouhani gescheitert, dieses Mal stellte sich sein Weg ins Präsidialamt wesentlich leichter dar. Dafür sorgte auch der Wächterrat, der als Wahlgremium ernsthafte Konkurrenten vor dem Urnengang aussortierte. Das führte auch in den eigenen Reihen zu heftigen Protesten – und zu großem Desinteresse der Menschen an einer Wahl, die weithin als inszeniert und undemokratisch wahrgenommen wurde.

Wahlbeteiligung fällt auf Rekordtief

Dementsprechend war die Beteiligung mit 48,9 Prozent die bisher niedrigste bei einer Präsidentenwahl im Land – und sie lag mehr als 20 Prozent unter der vor vier Jahren. In der Hauptstadt Teheran soll die Wahlbeteiligung sogar noch niedriger gewesen sein.

Ein Iraner gibt in Theran seine Stimme ab
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Nur rund 49 Prozent der Wahlberechtigten gingen wählen

Zudem wurden nach Angaben des Nachrichtenportals Chabar-Online fast vier Millionen leere Wahlscheine aus Protest abgegeben. Die geringe Wahlbeteiligung unter den mehr als 59 Millionen Stimmberechtigten wird von Beobachtern als Wahlboykott und Warnsignal an das gesamte Establishment ausgelegt.

„Ich versuche, alle Knoten zu lösen“

Mit Raisi erfolgt im Iran demnächst ein politischer Machtwechsel. „Ich versuche, alle Knoten zu lösen“, sagte er nach seinem Wahlsieg. Wie genau er das machen will, wird er am Sonntag in seiner ersten Pressekonferenz erläutern. Als langjähriger Staatsanwalt, Richter und seit 2019 Justizchef hat Raisi politisch wenig Erfahrung. Nun steht er bereits am Anfang seiner Amtszeit vor diversen Herausforderungen: Nach Überzeugung von Medien und Beobachtern wird der erzkonservative Kleriker als Präsident den moderaten Kurs Rouhanis nicht fortsetzen.

Iranischer Präsidentschaftskandidat Ebrahim Raisi
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Der Sieg Raisis ist keine Überraschung

Im Wahlkampf hatte Raisi ein schnelles Ende der lähmenden Wirtschaftskrise versprochen. Dafür müsste er aber umgehend über die Zukunft des Wiener Atomabkommens von 2015 entscheiden. Nach dem Rückzug der USA aus dem internationalen Abkommen 2018 hat Teheran schrittweise die vereinbarte Beschränkung und Kontrolle der Atomanlagen aufgehoben. Nicht zuletzt die US-Sanktionen führten zu einer schweren Wirtschaftskrise im Iran. Für einen Fortbestand des Abkommens – und Ende der Krise – wären Verhandlungen mit der USA aber erforderlich.

Unklar ist bisher, wie Raisi als Kandidat der Hardliner Verhandlungen mit dem „Großen Satan“ rechtfertigen würde. Eine wichtige Rolle dabei werden sein zukünftiger Außenminister und Atomchefunterhändler spielen, da die beiden die Verhandlungen mit den USA führen müssten. Außerdem steht Raisi wegen Menschenrechtsverletzungen sowohl auf der Sanktionsliste der EU als auch der USA. Ob unter diesen Umständen die Europäer und Amerikaner zu Verhandlungen mit ihm überhaupt bereit wären, bleibt abzuwarten.

Putin gratuliert

Der russische Präsident Wladimir Putin gratulierte Raisi zur Wahl. Er habe seine Hoffnung ausgedrückt, dass die konstruktive bilaterale Zusammenarbeit weiter entwickelt werde, berichtete die Nachrichtenagentur RIA. Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und Syriens Präsident Baschar al-Assad beglückwünschten Raisi.

In der Nahost-Politik erwarten Beobachter unter Raisi einen radikaleren Kurs, im Verhältnis zu Israel einen gar noch feindseligeren als bisher. Auch die Unterstützung für antiisraelische Milizen sowie Assad wird er demnach voraussichtlich noch konsequenter fortsetzen.

Iranische Frauen in einer Wahlstation
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Viele fürchten weitere Repressionen

Amnesty fordert Ermittlungen

Der Präsident im Iran führt die Regierung, seine Wahl beeinflusst das Image des Staates. Mit Raisi wird ein Mann Präsident, den die USA 2019 mit Sanktionen belegt und das mit Verletzungen der Menschenrechte begründet haben. Als einer von vier Scharia-Richtern überwachte Raisi 1988 die Hinrichtung Tausender politischer Gefangener.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) sprach 2018 von mindestens 5.000 Exekutierten und verlangte erneut Ermittlungen gegen Raisi. „Wir fordern weiterhin, dass gegen Ebrahim Raisi wegen seiner Beteiligung an vergangenen und laufenden Verbrechen nach dem Völkerrecht ermittelt wird, auch von Staaten, die universelle Gerichtsbarkeit ausüben.“

Viele reformorientierte Iranerinnen und Iraner befürchten, dass es mit Raisi weitere Repression gibt. „Ich habe Angst. Ich möchte nicht noch einmal ins Gefängnis. Ich bin sicher, dass jegliche Art von Dissens nicht toleriert wird“, sagte Hamidresa, der seinen vollen Namen nicht nennen wollte. Er wurde inhaftiert, weil er 2019 an Protesten gegen Kraftstoffpreiserhöhungen teilgenommen hatte, die sich rasch ausweiteten, bevor sie unterdrückt wurden.