Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP)
APA/Georg Hochmuth
„Ibiza“-U-Ausschuss

Blümel sieht Akten „vollständig geliefert“

Im Streit über die Aktenlieferung an den „Ibiza“-U-Ausschuss hat Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) am Dienstag Stellung genommen. Zuletzt hatte Bundespräsident Alexander Van der Bellen wegen nicht bzw. zu spät übermittelter Akten erneut den Verfassungsgerichtshof (VfGH) eingeschaltet – die Opposition hatte Unvollständigkeit bemängelt. Blümel sagte nun, dass sein Ministerium alle Akten geliefert habe – weswegen er auch einen Antrag an den VfGH gestellt habe, die laufende Exekution einzustellen.

Blümel sagte, dass er stets um Aufklärung bemüht gewesen sei – auch habe er immer seinen Beitrag dazu leisten wollen. Doch handle es sich um eine „nie da gewesenen Situation“ und „juristisches Neuland“, weswegen man „nicht alles richtig gemacht“ habe und „Fehler passiert“ seien. Für diese habe er sich bereits entschuldigt, so Blümel. Es sei legitim, den Rechtsweg zu gehen, am Ende sei die Entscheidung des Höchstgerichts umzusetzen („auf Punkt und Beistrich“), so Blümel.

Daher habe das Finanzministerium das Erkenntnis des VfGH „penibel und vollständig“ umgesetzt, so der Finanzminister. Er verwies auf 37.000 Mails und Dokumente, die insgesamt übermittelt worden seien. Dem VfGH habe man anlässlich der vollständigen Übermittlung eine entsprechende Erklärung der Führungskräfte des Finanzministeriums übermittelt. Wenn die Opposition nun sage, dass nicht alles geliefert worden sei, bezichtige sie die Mitarbeiter, „die Unwahrheit zu sagen“.

„Innenpolitische Spielchen“

Dem wolle er „mit aller Vehemenz" entgegentreten, wie Blümel sagte. Er werde nicht zulassen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter „in innenpolitische Spielchen“ hineingezogen würden: „Ich als Politiker muss das aushalten, aber das gilt nicht für die Mitarbeiter.“ Jedenfalls sei in dem Antrag formuliert, das Exekutionsverfahren einzustellen, wiederum mit dem Verweis, dass die Ministeriumsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter ja die Vollständigkeit bestätigt hatten.

Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur, habe er gebeten, für den VfGH und Van der Bellen eine Auflistung zu erstellen, die die Vollständigkeit der übermittelten Unterlagen bestätige. Darüber hinaus würden externe Gutachten erstellt, um auch damit „die vollständige Umsetzung" zu bestätigen. Van der Bellen könne sich persönlich davon überzeugen. Blümel auf Nachfrage, wie das denn überhaupt vonstattengehen könne: „In welcher Form auch immer“.

„Wenn dieses Thema einmal erledigt sein“ werde, so Blümel, erwarte er sich eine Entschuldigung der Oppositionsparteien – diese solle nicht an ihn gerichtet sein, sondern an die Mitarbeiter des Ministeriums. Respekt vor den Institutionen sei keine „singuläre Verantwortung“, auch die Mitglieder des U-Ausschusses hätten diesen Respekt zu erbringen, so Blümel.

Krainer: „Nicht vollständig geliefert“

Der Fraktionsführer der SPÖ im U-Ausschuss, Kai Jan Krainer, teilte via Aussendung mit, dass Blümel in dessen Pressekonferenz „nichts vorgebracht (habe), was belegen könnte, dass seine Lieferung entgegen den Erkenntnissen des U-Ausschusses doch vollständig ist“. Er, Krainer, sei „nach wie vor davon überzeugt, dass (…) Blümel seiner verfassungsmäßigen Pflicht, dem Untersuchungsausschuss alle abstrakt relevanten Akten und Unterlagen zu liefern, nicht nachgekommen ist“.

Der Minister habe erst zuletzt eingestanden, dass er die Lieferung von bestimmten Akten im Zusammenhang mit der Bestellung von Thomas Schmid zum ÖBAG-Vorstand „irrtümlich vergessen“ habe. „Blümel will sich mit seinen Manövern über die Zeit retten“, so Krainer, der auf das Ende der Beweisaufnahme mit 15. Juli verwies. Insgesamt ortet Krainer die Gefahr, dass wesentliche Akten und Unterlagen in der Zwischenzeit bereits vernichtet wurden.

Krisper an Blümel: „Allein ihre Verantwortung“

Auch die Entschuldigungsforderung sorgte bei der Opposition umgehend für Unverständnis: Der Vorwurf des bewussten Zurückhaltens von Akten und damit des Ignorierens von VfGH-Entscheidungen richte sich ausschließlich an Blümel und nicht an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums, teilte NEOS-„Ibiza“-Fraktionsführerin Stephanie Krisper via Twitter mit („allein ihre Verantwortung“).

Stephanie Krisper (NEOS)
ORF.at/Lukas Krummholz
Krisper: Vorwurf des Ignorierens von VfGH-Entscheidungen nicht an Mitarbeiter, sondern nur an Blümel

Zwischen Blümel und der Opposition sind die Fronten in Sachen Aktenlieferungen an den U-Ausschuss schon seit Wochen verhärtet. Der Minister hatte anfangs viele Akten zurückgehalten. Das endete damit, dass der VfGH einen Exekutionsantrag an Van der Bellen stellte, der den Finanzminister zu weiteren Lieferungen veranlasste. Entsprechend forderte der neue FPÖ-Chef Herbert Kickl in seiner ersten Pressekonferenz in dieser Funktion einmal mehr die Fortsetzung des U-Ausschusses.

Kickl: „Jauchengruben, die ausgepumpt werden müssen“

Schließlich habe dieser U-Ausschuss vieles zutage gefördert: „Wir reden nicht mehr von ‚sauren Wiesen‘, die trockengelegt werden müssen, sondern von Jauchengruben, die ausgepumpt werden müssen.“ Der U-Ausschuss sei „wahrscheinlich der erfolgreichste U-Ausschuss der Zweiten Republik“ gewesen, meinte Kickl. Es sei interessant, dass das trotz „aller Versuche der ÖVP, den Ausschuss zu zerschlagen“, gelungen sei.

Heute würde die Bevölkerung beim Stichwort „Ibiza“ eher an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Ex-ÖBAG-Chef Schmid denken – und weniger an die Proponenten des „Ibiza-Videos“, so Kickl. „Der U-Ausschuss wurde als Richtstätte der FPÖ initiiert, es wurde aber eine Ausgrabung des ‚tiefen Staates‘.“ Bei der geforderten Fortsetzung des Ausschusses will Kickl als „interessanten Aspekt“ den Wirecard-Skandal und mögliche Verbindungen zur ÖVP und ins Bundeskanzleramt beleuchten.

Blümel am Donnerstag im U-Ausschuss

Am Donnerstag muss Blümel bereits zum dritten Mal dem „Ibiza“-U-Ausschuss Rede und Antwort stehen. Weil er in der Causa um die Casinos Austria als Beschuldigter geführt wird – es gilt die Unschuldsvermutung –, sorgt seine Befragung abermals für Brisanz. Dieser Umstand führte schon bei Blümels zweiter Befragung Anfang April zu Geschäftsordnungsdebatten, der Minister entschlug sich vielfach. Bei der ersten Befragung im Juni 2020 hatte Blümel auf Fragen oftmals geantwortet, er könne sich nicht erinnern.