Zerfallserscheinungen gab es in der Sozialistischen Föderativen Republik (SFR) schon lange zuvor. Sei es die durch die Auflösung der Sowjetunion verloren gegangene Funktion als Pufferstaat zwischen den Machtblöcken oder die komplexe Vermischung von ethnischen, religiösen und ökonomischen Problemen, mit der das Land nach dem Tod des langjährigen Staatsoberhauptes Josip Broz Tito (1980) konfrontiert war – Ursachen hinter dem Ende Jugoslawiens gibt es aus Expertensicht viele.
„In den letzten Jahren seines Bestehens hat sich Jugoslawien in einer tiefen Krise befunden, die sich in der Perspektivlosigkeit und in einer Reihe von ökonomischen, politischen und ideologischen Konflikten widerspiegelte“, sagte dazu zum 30. Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung Sloweniens erstes Staatsoberhaupt Milan Kucan. In Slowenien habe sich die Idee vom selbstständigen Staat bereits Mitte der 1980er Jahre durchzusetzen begonnen. Viel früher als in der offiziellen Politik habe Kucan zufolge die slowenische Zivilgesellschaft über Alternativen nachgedacht, und diese seien dann auch von der slowenischen politischen Führung angenommen worden.
Wahl, Referendum, Unabhängigkeit
Ungeachtet massiver Drohungen aus Belgrad führte Slowenien im April 1990 erstmals demokratische Wahlen durch. Dann ging es Schlag auf Schlag: Nach gescheiterten Reformbemühungen und damit dem vergeblichen Versuch einer Annäherung an die jugoslawische Staatsführung stimmten bei einem am 23. Dezember abgehaltenen Referendum über 88 Prozent der wahlberechtigten slowenischen Bevölkerung für die Unabhängigkeit.

Nach der nahezu zeitgleich mit Kroatien am 25. Juni 1991 ausgerufenen Eigenstaatlichkeit übernahm die slowenische Territorialverteidigung unter anderem die Kontrolle an den Grenzübergängen zu Italien, Österreich und Ungarn. Jugoslawiens Ministerpräsident Ante Markovic setzte beim Versuch der Wiederherstellung des jugoslawischen Staatsgebietes dann auf die Jugoslawische Volksarmee und schickte Panzer und Kampfflugzeuge an die Staatsgrenzen.
Luftangriff nahe Grenzübergang Spielfeld
Kurz darauf spielten sich an der Grenze zur Steiermark und zu Kärnten dramatische Szenen ab. Ein Luftangriff auf einen Lkw-Konvoi beim Grenzübergang Spielfeld, der zerschossene Kirchturm von Oberradkersburg (Gornja Radgona) und heftige Gefechte mit zwei Toten am Grenzübergang Bleiburg verursachten Unruhe in Österreich.
Krieg an der Grenze
Am 26. Juni 1991 begann der slowenische Unabhängigkeitskrieg. Bei Kämpfen an der Grenze bei Bleiburg in Kärnten gab es Tote und Schwerverletzte.
„Grenznahe Garnisonen“ des Bundesheers wurden noch am 25. Juni 1991 in „Bereitschaftsdienst“ gesetzt, zwei Tage später ordnete der damalige Verteidigungsminister Werner Fasslabend (ÖVP) schließlich einen Sicherungseinsatz an der kärntnerischen und steirischen Grenze an. In den nächsten Wochen wurden insgesamt 7.500 Soldaten in die Region verlegt. „Unser schlimmstes Szenario war ein Übergreifen der Kampfhandlungen auf österreichisches Gebiet, wenn etwa die Jugoslawen eine slowenische Kaserne von Österreich aus hätten einnehmen wollen“, erinnerte sich später der damals für die Einsatzplanung zuständige Oberst Robert Brieger.
Waffenstillstand und blutiger Bürgerkrieg
Am 7. Juli 1991 wurde auf der Adria-Insel Brioni unter Vermittlung der Europäischen Gemeinschaft (EG) ein Waffenstillstand erreicht. Im Hintergrund liefen nach Angaben des damaligen slowenischen Außenministers Dimitrij Rupel bereits Gespräche über den Abzug der jugoslawischen Armee aus Slowenien.
Die Kampf um Sloweniens Unabhängigkeit ging als Zehntagekrieg in die Geschichte ein – in Kroatien eskalierten indes die Auseinandersetzungen zwischen der kroatischen und serbischen Armee, so wie wenig später auch die Unabhängigkeitsbestrebungen im angrenzenden Bosnien-Herzegowina zu einem blutigen und erst durch das „Abkommen von Dayton“ (1995) beendeten Bürgerkrieg. Eine weitere kriegerische Auseinandersetzung auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens folgte Jahre später im Kosovo.
Der in allen jugoslawischen Landesteilen um sich greifende Nationalismus resultierte in einer extremen Politisierung „ethnischer Gegensätze“, heißt es dazu bei der deutschen Bundeszentrale für politische Bildung (BPB). Bei den blutigsten kriegerischen Auseinandersetzungen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg waren gezielte Angriffe auf Zivilisten sowie umfassende „ethnische Säuberungen“ Teil der Kriegsstrategie.
WELTjournal: Slowenien und Kroatien – 30 Jahre unabhängig
Vor 30 Jahren begann mit den Unabhängigkeitserklärungen von Slowenien und Kroatien der blutige Zerfall des sozialistischen Jugoslawien.
„Dieser Krieg war unnötig“
Der Zerfall Jugoslawiens war unausweichlich, wäre aber ohne die Politik des serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic „ohne Zweifel“ anders verlaufen, so Rupel, der zum 30. Jahrestag von einem unnötigen, absurden und wahnsinnigen Krieg sprach. „Der Zerfall Jugoslawiens hatte natürlich seine nationalen und ethnischen Komponenten, dennoch kam es wegen der Forderung nach Demokratie dazu.“
Auch wenn Österreich formell Slowenien und Kroatien erst am 15. Jänner 1992 anerkannte, galt es dennoch neben Deutschland als vehementer Verfechter der Eigenständigkeit dieser Länder. Schon bald nach der Proklamation der Unabhängigkeit wurden der deutsche Außenminister Hans Dietrich Genscher und sein österreichischer Kollege Alois Mock (ÖVP) mit den höchsten slowenischen Orden ausgezeichnet.
„Man hätte schon viel früher anerkennen müssen“, bekräftigte Mock seine Position noch Jahre später. Dass mit mehr Zurückhaltung ein Blutvergießen hätte vermieden werden können, glaubt Mock nicht. Kroatien habe sich zu Recht gegen den serbischen Aggressor zur Wehr gesetzt, auch wenn Krieg immer Unrecht mit sich bringe.