Tafel und Schwamm in einer Volksschule
ORF.at/Carina Kainz
Wirbel in Wien

Wiederkehr verteidigt Lehrer-Neuverteilung

Während der Schulbetrieb schon Richtung Sommerferien eingebogen ist, herrscht an einigen Wiener Pflichtschulen schon seit einigen Tagen helle Aufregung: Ein neues System der Zuteilung von Lehrerinnen und Lehrern sorgt an manchen Standorten für Stellenkürzungen – und für Proteste von Eltern und Lehrervertretern. Wiens Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) will aber am neuen System festhalten.

Für Unmut sorgt schon seit einigen Tagen, dass durch diese Systemumstellung viele Schulen ab Herbst mit weniger Lehrerposten dastehen als bisher. Vertreter von Ganztagsschulen warnten, dass durch die Systemumstellung der für diese Schulform typische Wechsel von Unterricht und Betreuung nur noch eingeschränkt möglich sein werde. Aus einigen Schulen wurde berichtet, dass die Weiterführung von Mehrstufenklassen und spezielle Förderangebote gefährdet sind oder unmöglich werden.

Vor allem in sozialen Netzwerken kursierte die Kritik – und auch eine Petition dagegen. Wiederkehr berief daraufhin am Dienstag kurzfristig eine Pressekonferenz ein. Bei Reformen gebe es immer auch ein paar Punkte, wo es wehtue, sagte der NEOS-Politiker. Der Wechsel zu einem „einfacheren, gerechteren und transparenteren“ System sei aber notwendig. Bildungsdirektor Heinrich Himmer will mit jenen Schulen, für die der Umstieg Kürzungen bringt, nach Lösungen zu suchen.

Wiederkehr und Himmer betonen Vorteile

Zuletzt sei das System der Lehrerzuteilung so kompliziert gewesen, dass es selbst für sie schwer nachvollziehbar gewesen sei, betonten Wiederkehr und Himmer. Das neue System sieht vor, dass Schulen ein Basiskontingent erhalten, das auf der Zahl der Klassen und einem Zuschlag pro Schüler beruht. Bei diesem Kontingent könnten die Schulleiter viel freier als bisher entscheiden, was mit dem Geld passiere, sagte Himmer.

Dazu kämen vom Bund vorgegebene Mittel (etwa für Deutschförderklassen), außerdem eine Art Mini-Chancenindex, der mehr Stellen für Schulen vorsieht, an denen es besonders viele Schüler mit Förderbedarf gibt. Außerdem werde es Mittel für von Experten der Bildungsdirektion definierte pädagogische Projekte geben, etwa Schulschwimmen und muttersprachlichen Unterricht.

Mehr Personal – aber anders eingesetzt

Laut Himmer bekommen 100 der 500 Schulen weniger Ressourcen, weil es dort im Herbst weniger Klassen geben wird. Insgesamt steigt bei den Mittelschulen rund die Hälfte der Schulen mit mehr Posten aus, die andere Hälfte mit weniger. Ähnlich ist das Verhältnis bei den Volksschulen. „Wir können niemandem mehr geben, ohne jemand anderem etwas wegzunehmen“, so Himmer. Insgesamt gebe es allerdings nicht weniger Ressourcen im System, sondern mehr, sagte Wiederkehr. Von mehr als 200 Lehrerinnen und Lehrern und 200 Freizeitpädagoginnen und -pädagogen zusätzlich ist die Rede.

Besondere Herausforderungen gab es bei den Inklusionsklassen, wo es gesetzlich nun nicht mehr möglich sei, ein Kind mit sozialpädagogischem Förderbedarf doppelt zu zählen und so die Klassen klein zu halten. Bei den Mehrstufenklassen wiederum, in denen Kinder verschiedener Altersstufen gemeinsam lernen, habe man für einheitliche Voraussetzungen sorgen müssen. Denn neben jenen Standorten, die für dieses Modell extra Mittel bekommen haben, gebe es auch andere, die keine zusätzlichen Posten oder sogar weniger bekommen haben.

Das Ziel der Reform sei freilich nicht, gute bestehende Angebote zu zerstören, so Himmer. Die Bildungsdirektion werde sich deshalb mit allen Schulen, an denen die neue Ressourcenzuteilung Probleme erzeuge, zusammensetzen und alternative Möglichkeiten suchen.

Kritik von Lehrervertretung und einigen Schulen

Auch die Lehrervertretung hatte Kritik geübt: Thomas Krebs von der Gewerkschaft der Pflichtschullehrerinnen und -lehrer nannte im Ö1-Morgenjournal die Art der Vergabe nicht transparent und auch nicht gerecht. Unmut an den Schulen herrsche auch, weil man den Direktionen zusätzliche personelle Ressourcen für pädagogische Konzepte versprochen habe.

Doch, so Pflichtschullehrvertreter Krebs, sei das in den meisten Fällen Arbeit für den Papierkorb gewesen. Nur wenige der Zusatzlehrer seien auch genehmigt worden. Gegenüber dem „Standard“ räumte Himmer beim Budgettopf für die Projekte Probleme ein: „Da kann ich mich nur entschuldigen“, das sei tatsächlich unglücklich gelaufen.

Einzelne Schulen machten mit offenen Briefen auf die negativen Folgen der Umstellung aufmerksam. In der Volksschule Zennerstraße in Wien-Penzing etwa warnt man davor, dass dort „nach 25 Jahren erfolgreicher pädagogischer Arbeit“ die Führung von Mehrstufenklassen nicht mehr möglich sein wird. Die Bildungsdirektion betonte in einem Schreiben an die Schulleitungen, dass alle vom Bund zur Verfügung gestellten Ressourcen bis auf die letzte Stunde verteilt worden seien. Die Umstellung des Zuteilungssystems sorge für eine gerechtere Verteilung, habe aber nicht für alle Standorte nur positive Auswirkungen.

„Dies ist insbesondere der Fall, wenn die SchülerInnenzahlen in den Klassen gering sind, wenn Dreifachbesetzungen bisher im Stundenkontingent möglich waren, wenn eine zu große Zahl an Spezialprojekten durchgeführt wurde.“ Dabei werde allerdings kein einziger Lehrer gekündigt, für frei werdende Lehrkräfte würden über den Sommer „neue und adäquat geeignete Stellen“ an anderen Schulen gesucht.

Auch Opposition kritisch

Die Wiener Grünen orteten unterdessen in einer Aussendung „Kürzungen ohne Not“ und warfen NEOS „Bildungsraub“ vor. Man erhalte unzählige Rückmeldungen, wonach Brennpunktschulen trotz ihrer besonderen Bedürfnisse von ebenso starken Kürzungen betroffen seien wie andere Standorte.

„Statt der versprochenen Transparenz kommen Chaos und untragbare Verhältnisse an die Schulen. Das hat bislang nicht einmal die SPÖ geschafft“, so der Wiener ÖVP-Bildungssprecher Harald Zierfuß. Der Bildungssprecher der Wiener FPÖ, Klubobmann Maximilian Krauss, forderte den Rücktritt von Wiederkehr und Himmer, „damit der Bildungskahlschlag in Wien gestoppt wird“. SPÖ-Bildungssprecherin Petra Vorderwinkler sah indes den Bund in der Verantwortung: Angesichts der zunehmenden Herausforderungen an Schulen, vor allem in der Stadt, brauche es mehr Lehrerstellen vom Bildungsministerium.