Ursula von der Leyen
Reuters/Stephanie Lecocq
LGBTQ-Gesetz „eine Schande“

EU geht gegen Ungarn vor

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen will wegen des umstrittenen Gesetzes zur Einschränkung von Informationen über Homosexualität gegen Ungarn vorgehen. Das ungarische Gesetz sei „eine Schande“, sagte von der Leyen am Mittwoch in Brüssel. Auch Österreich schloss sich der Kritik an.

Das Gesetz diskriminiere Menschen „aufgrund ihrer sexuellen Orientierung“ und verstoße gegen die „fundamentalen Werte der Europäischen Union“, sagte von der Leyen. Sie habe deshalb ihre zuständigen Kommissare aufgefordert, einen Brief an Ungarn zu schicken, „um unseren rechtlichen Bedenken Ausdruck zu verleihen, bevor das Gesetz in Kraft tritt“.

Das in der vergangenen Woche vom ungarischen Parlament gebilligte Gesetz sieht unter anderem ein Verbot von Büchern, Filmen und anderen Inhaltsträgern vor, die Kindern und Jugendlichen zugänglich sind und in denen Sexualität dargestellt wird, die von der heterosexuellen abweicht. Darüber hinaus soll Werbung verboten werden, in der Homosexuelle und Transsexuelle als Teil einer Normalität erscheinen. Das Gesetz gilt als besonderes Anliegen von Ministerpräsident Viktor Orban, dem Kritiker das Schüren von Vorurteilen gegenüber Minderheiten vorwerfen.

LGBTQ-Gesetz: EU geht gegen Ungarn vor

In der EU ist die Kritik an Ungarns neuem Gesetz zu sexuellen Minderheiten groß. Kommissionschefin Ursula von der Leyen will nun entschieden dagegen vorgehen. Ungarns Regierungschef Orban verteidigte den Schritt.

Die ungarische Regierung wies die Kritik zurück. Die Erklärung von der Leyens sei „eine Schande, weil sie auf falschen Annahmen beruht“, erklärte die Regierung in Budapest am Mittwoch. Von der Leyen habe eine „voreingenommene politische Meinung geäußert, ohne vorher eine unabhängige Untersuchung zu führen“, hieß es in der Erklärung der rechtsnationalistischen Regierung Ungarns.

Österreich schließt sich EU-Mehrheit an

„Die jüngsten Entwicklungen in Bezug auf die LGBTQ sind zutiefst besorgniserregend“, sagte auch Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) am Mittwoch. „Die gestrige Anhörung im Rat in Luxemburg konnte unsere Besorgnis nicht entkräften, sondern hat sie im Gegenteil bestätigt“, so Edtstadler laut Aussendung. Nach sorgfältiger Prüfung der Faktenlage habe Österreich entschieden, die Erklärung der zuvor 14 Mitgliedsstaaten zu unterstützen. „Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit sind nicht verhandelbar“, so die Ministerin.

Unterstützung kam erwartungsgemäß vom Koalitionspartner. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) sagte nach dem Ministerrat, Edtstadler setze hier „ein wichtiges Zeichen“. Österreich sage damit klar, dass das Gesetz menschenrechtsfeindlich sei und nicht den europäischen Werten entspreche.

Die Grünen-Sprecherin für Außenpolitik und LGBTIQ, Ewa Ernst-Dziedzic, begrüßte in einer Aussendung das „Einlenken der ÖVP“ ebenfalls. „Verspätet, aber doch hat sich Österreich der Erklärung 14 weiterer EU-Staaten angeschlossen. Wir freuen uns, dass unser klarer Ausdruck des Unverständnisses zu einem Umdenken bei der Europaministerin Edtstadler geführt hat“, sagte Ernst-Dziedzic. Es sei „absolut nicht nachvollziehbar, warum Ministerin Edtstadler nicht sofort unterschrieben hat. Dieses Abstimmungsverhalten war mit uns nicht abgesprochen“, fügte sie hinzu.

Grafik zeigt die Positionen der EU-Länder in Bezug auf Ungarns strittiges Homosexuellen-Gesetz
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Zuvor Kritik von SPÖ und NEOS

SPÖ und NEOS hatten zuvor am Mittwoch scharf kritisiert, dass Österreich eine gemeinsame Verurteilung des homosexuellenfeindlichen Zensurgesetzes vorerst nicht unterzeichnet hatte. „Österreichs Wegschauen bei Ungarn ist beschämend“, sagte SPÖ-Gleichbehandlungssprecher Mario Lindner laut Aussendung.

Karoline Edtstadler und Stefan Zrinzo Azzopardi
APA/AFP/John Thys
Nach einem Treffen der Europaminister in Luxemburg schloss sich auch Österreich dem Protest gegen das ungarische Gesetz an

Seitens NEOS forderten die Europaabgeordnete Clauda Gamon und LGBTQ-Sprecher Yannick Shetty die Bundesregierung auf, die Deklaration gegen die Anti-LGBTQ-Gesetze in Ungarn zu unterzeichnen. „Es ist eine Schande, dass die Bundesregierung nicht bereits gestern die Deklaration unterstützt hat. Es kann nicht sein, dass unklar ist, auf welcher Seite Österreich steht, wenn in Ungarn die Rechte von LGBTQ-Personen mit Füßen getreten werden“, kritisierten sie.

Kritik am „Ungarn-Bashing“ übte FPÖ-Klubobmann-Stellvertreterin Susanne Fürst. „Das permanente Strapazieren angeblicher ‚Werte der EU‘, um unliebsame politische Initiativen vor allem in Osteuropa zu diffamieren, ist absolut zu verurteilen. Wenn die Mehrheit des demokratisch gewählten Parlaments in Ungarn ein Gesetz im Rahmen seiner nationalen Kompetenz beschließt, ist das zu akzeptieren.“

Gang vor EuGH denkbar

Mehrere EU-Staaten hatten die Europäische Kommission aufgefordert, umgehend gegen das umstrittene ungarische Gesetz vorzugehen. Die Behörde müsse „alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente“ gegen das „diskriminierende“ Gesetz nutzen, hieß es in einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung der Länder, die von Belgien, Luxemburg und den Niederlanden initiiert wurde. Notfalls solle die Kommission auch vor den Europäischen Gerichtshof ziehen.

Ungarn wehrt sich gegen EU-Einmischung

Einige EU-Länder, darunter Deutschland, fordern von der EU-Kommission, gegen ein ungarisches Gesetz vorzugehen, das Darstellung von Homosexualität und Geschlechtsumwandlungen bei Minderjährigen verbietet. Das Gesetz richte sich gegen keine Minderheit und solle Minderjährige vor Pädophilen schützen, sagte Außenminister Peter Szijjarto am Dienstag bei einem Treffen der EU-Minister in Luxemburg und verwehrte sich gegen Einmischung in die nationalen Kompetenzen Ungarns.

Neben den Benelux-Staaten stellten sich am Dienstag auch Deutschland, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Irland, Lettland, Litauen, Spanien und Schweden hinter die Erklärung, am Abend stieß noch Italien dazu. Österreich und Griechenland schlossen sich am Mittwoch an. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sagte, sie halte das Gesetz für „falsch und auch mit meiner Vorstellung nicht für vereinbar“.

Die Thematik dürfte auch Thema beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag werden: EU-Ratschef Charles Michel wolle die Möglichkeit zur Diskussion geben, da das Thema große Emotionen auslöse, sagte ein EU-Vertreter am Mittwoch in Brüssel. Die Staats- und Regierungschefs sollten „lieber miteinander als übereinander sprechen“.

Streit über Regenbogenstadion eskaliert

Der internationale Protest gegen Einschränkungen der Rechte von LGBTQ-Menschen in Ungarn erreicht im Vorfeld des Spiels Deutschland gegen Ungarn auch die Fußball-EM. Nach dem Vorstoß Münchens, beim Spiel am Mittwochabend zwischen Deutschland und Ungarn das Stadion in Regenbogenfarben zu beleuchten, sagte Orban seinen Besuch des Matches ab. „Ob das Münchner Fußballstadion oder ein anderes europäisches Stadion in Regenbogenfarben leuchtet, ist keine staatliche Entscheidung“, sagte er. Auch in Ungarns Hauptstadt Budapest gehörten „die Regenbogenfarben selbstverständlich zum Straßenbild“.

Mit der bunten Beleuchtung hatte München ein Zeichen gegen das ungarische Gesetz setzen wollen. Die Regenbogenfahne steht als Symbol für die Akzeptanz und Gleichberechtigung von Menschen, die sich nicht mit dem traditionellen Rollenbild von Mann und Frau oder anderen Normen rund um Geschlecht und Sexualität identifizieren.

Aus Protest gegen die Entscheidung werden am Mittwochabend mehrere deutsche Fußballarenen in Regenbogenfarben leuchten, darunter das Berliner Olympiastadion sowie die Bundesliga-Stadien in Frankfurt, Köln und Wolfsburg. Mehrere ungarische Vereine kündigten an, als Gegenaktion ihre Stadien in den ungarischen Nationalfarben zu beleuchten.