Finanzminister Gernot Blümel
APA/Georg Hochmuth
Aktenlieferungen

VfGH: Exekution bei Blümel liegt bei Hofburg

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) sieht die Zuständigkeit für die – von der Opposition gewünschte – Exekution der Aktenlieferungen von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) an den „Ibiza“-U-Ausschuss nicht bei sich, sondern bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Dessen Zuständigkeit sei mit dem Exekutionsantrag vom 5. Mai begründet worden. Entscheidungen über weitere Schritte lägen bei Van der Bellen.

Der Bundespräsident hatte nach einem Schreiben der Opposition den VfGH um Mitteilung ersucht, ob er (der VfGH) seinen Exekutionsantrag aufrechterhält. SPÖ, FPÖ und NEOS hatten in einem Schreiben an Van der Bellen beklagt, dass die – nach dem Exekutionsantrag dann doch erfolgten – Aktenlieferungen des Finanzministeriums unvollständig und zum Teil mangelhaft (weil nicht in elektronischer Form) seien.

Blümel hatte das am Vortag bestritten und Van der Bellen eingeladen, sich von der Vollständigkeit der Lieferung zu überzeugen. Das Ersuchen Van der Bellens wurde im Plenum des VfGH erörtert und mit einem nun übermittelten Schreiben beantwortet. Darin verweist der VfGH darauf, dass die Verfassung ihm keine über den Antrag hinausgehende Zuständigkeit im Exekutionsverfahren zuweist – und hebt besonders hervor, dass er nicht die Stellung eines „betreibenden Gläubigers“ hat.

„Weiter Handlungsspielraum“

Die Exekution sei gemäß Art. 146 Abs. 2 B-VG nach den Weisungen des Bundespräsidenten durch nach seinem Ermessen beauftragte Organe durchzuführen. Dabei komme ihm ein „weiter Handlungsspielraum“ zu. „In diesem Zusammenhang obliegt es dem Bundespräsidenten allerdings auch zu entscheiden, ob und gegebenenfalls welche weiteren Schritte zu setzen sind, um den vom Spruch des Erkenntnisses vom 3. März 2021, UA 1/2021, verlangten Zustand herzustellen“, konstatiert das Höchstgericht.

In der Präsidentschaftskanzlei wollte man sich über das weitere Vorgehen nicht inhaltlich äußern. Bestätigt wurde lediglich der Erhalt der Mitteilung des VfGH. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) sieht den Rechtsstaat am Zug. „Der Ball liegt jetzt bei den Institutionen, und die Entscheidung ist abzuwarten und zu respektieren“, so Zadic am Rande einer Pressekonferenz. Sie habe stets gesagt, der Respekt vor den Institutionen sei ihr sehr wichtig, so Zadic.

VfGH gab Oppositionsverlagen bereits Anfang März statt

Mit dem ursprünglichen Erkenntnis hatte der VfGH am 3. März dem Verlangen der Opposition auf Aktenlieferung des Finanzressorts am 3. März stattgegeben – und Blümel aufgefordert, unter anderem die E-Mail-Postfächer der Leiterin des Beteiligungsmanagements im Finanzministerium sowie die Korrespondenzen von Ministeriumsmitarbeitern mit Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid, damals Generalsekretär im Finanzministerium, und anderen Mitarbeitern von Ex-ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger dem Ausschuss zur Verfügung zu stellen.

Da Blümel dem nicht nachgekommen war, hatte die Opposition die Exekution beantragt. Auch dem kam der VfGH nach und beauftragte Van der Bellen am 5. Mai mit der Exekution. Bisher kam es dazu allerdings nicht, Blümel startete damals umgehend die Lieferung. Die letzte Tranche kam am 16. Juni. Blümel hatte am Dienstag betont, nun alle Akten übermittelt zu haben.

Die Beamten im Ministerium müssten selbst einschätzen, ob ihre Unterlagen Relevanz für den Ausschuss hätten, so der Tenor Blümels. Daher übte er am Mittwoch via Facebook einmal mehr Kritik an der Opposition: „Langgedienten und untadeligen“ Mitarbeitern seines Ressorts werde unterstellt, unkorrekte Angaben gemacht zu haben.

Blümel erhebt Vorwurf der „Täuschung“

Eben via Facebook warf Blümel der Opposition zudem vor, Van der Bellen mit falschen Informationen täuschen zu wollen. Dabei geht es um eine E-Mail, von deren Nicht-Lieferung auch beim ZIB2-Interview mit Blümel am Dienstag die Rede war, was sich jedoch bei Recherche des Ressorts als falsch herausgestellt habe, wie der Minister schrieb. Das Dokument sei sogar zweimal übermittelt worden.

FPÖ: Van der Bellen soll „Verantwortung wahrnehmen“

Die FPÖ forderte Van der Bellen umgehend auf, jetzt „endlich seine Verantwortung wahrzunehmen und durch Exekution die vollständige Aktenlieferung“ zu gewährleisten. Aus Sicht von U-Ausschuss-Fraktionsvorsitzendem Christian Hafenecker ist Van der Bellen bereits seit zwei Monaten „zahnlos“ vorgegangen – weil er das VfGH-Erkenntnis nicht gleich im Mai hat exekutieren lassen. Dabei habe Blümel nicht nur unvollständig, sondern großteils mit „völlig unangemessener Geheimhaltungsstufe“ geliefert.

SPÖ: Van der Bellen wird machen, was er für richtig hält"

Recht spärlich kommentierte die jüngste Entwicklung in der Causa Aktenlieferungen der SPÖ-Fraktionsführer im „Ibiza“-U-Ausschuss, Kai Jan Krainer. Van der Bellen brauche jetzt keine Ratschläge, so Krainer in einer Sitzungspause – und: „Ich habe volles Vertrauen, dass er machen wird, was er für richtig hält.“

Auch NEOS verlässt sich nun auf das Staatsoberhaupt. „Laut VfGH hat der Herr Bundespräsident jetzt einen weiten Handlungsspielraum – wir vertrauen darauf, dass er rasch eine gute Vorgehensweise wählen wird, um herauszufinden, ob Finanzminister Blümel seinen Pflichten tatsächlich nachgekommen ist“, sagte der stellvertretende NEOS-Klubobmann und -Verfassungssprecher Nikolaus Scherak.

Die Frage, wie Van der Bellen ein solches Erkenntnis exekutieren lassen würde, ist offen. Denn bisher hat noch kein Bundespräsident diese Befugnis ausgeübt – und in der Verfassung sind keine Details geregelt. Im Art. 146 Abs. 2 B-VG steht nur, dass die Exekution nach den Weisungen des Bundespräsidenten „durch die nach seinem Ermessen hierzu beauftragten Organe des Bundes oder der Länder einschließlich des Bundesheeres durchzuführen“ wäre.