Eine Frau wird nach einer Impfung behandelt
Getty Images/Jasmin Merdan
Wettlauf gegen die Zeit

Mit Impfungen gegen Delta und vierte Welle

Während die Zahlen der Coronavirus-Neuinfektionen in Europa derzeit stark sinken, steigt der Anteil der Fälle mit der Delta-Variante. Diese gilt nicht nur als ansteckender, auch der Krankheitsverlauf könnte schwerer sein. Fachleute plädieren nun dafür, das Impftempo zu erhöhen, um so eine vierte Welle im Herbst zu verhindern. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit – bei dem noch dazu wichtige Daten fehlen.

Biontech veröffentlichte bereits Anfang Juni eine Studie, die die Wirksamkeit des Coronavirus-Impfstoffes gegen die Delta-Variante belegte. Am Dienstag zog dann auch AstraZeneca nach: Wer bereits den Impfstoff erhalten habe, sei auch vor der neuen Mutation gut geschützt, wie aus einer Antikörper-Studie der Oxford University hervorgehe. Vorläufige Daten zeigen jedoch, dass es bei beiden Impfstoffen zwei Dosen für den vollständigen Schutz benötige. Eine Dosis alleine reicht folglich nicht, um eine Ansteckung zu vermeiden.

Schwere Krankheitsverläufe könnten sowohl bei Biontech als auch bei AstraZeneca damit – trotz reduzierter Antikörper – genauso wirksam vermieden werden wie bei der Alpha-Variante, so Reuters. Zitiert wird auch der AstraZeneca-Manager Mene Pangalo, der sich über den „signifikanten“ Einfluss, den der Impfstoff auf die Ausbreitung der Delta-Variante habe, erfreut zeigte.

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Grafik zu Mutationen
ORF.at/Sandra Schober
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Keine Daten von Moderna und Johnson & Johnson

Keine Daten zum Schutz gegen die Delta-Variante gibt es indes noch von Moderna. Der US-Immunologe Anthony Fauci geht laut einem Bericht der „Washington Post“ jedoch davon aus, dass auch dieser Impfstoff ausreichend Schutz biete – schließlich basiere er wie auch jener von Biontech auf der mRNA-Technologie. Eine Anfrage an das Unternehmen von ORF.at blieb unbeantwortet.

Auch Johnson & Johnson (J&J) legte noch keine Studien zur Wirksamkeit seines Impfstoffes gegen Delta vor. Gegenüber ORF.at heißt es, man befinde sich noch in einem frühen Stadium der Testphase, in dem noch keine Daten vorlägen. Eine im Fachjournal „Nature“ veröffentlichte Studie zeige jedoch, dass der Impfstoff bisher gegen alle anderen vorhergehenden neuen Varianten schütze.

Die Promenade in Velden am Wörthersee
APA/Barbara Gindl
Wie hier in Velden am Wörthersee werden derzeit in ganz Europa Coronavirus-Maßnahmen gelockert – doch die Delta-Variante ist auf dem Vormarsch

ECDC: Ende August 90 Prozent Delta

Dem deutschen Virologen Christian Drosten zufolge gebe es erste Hinweise, dass Menschen, die mit der Delta-Variante infiziert sind, eine noch höhere Viruslast haben als Infizierte mit der Alpha-Variante. Bisherige Daten geben für ihn Signale, dass Delta etwas schwerere Verläufe verursache. Daten aus England und Schottland legen ebenso ein erhöhtes Risiko für Krankenhauseinlieferungen nahe, ließ Public Health England bereits Anfang des Monats wissen.

Auch die EU-Gesundheitsbehörde ECDC erklärte am Dienstag, dass den verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge die Delta-Variante um 40 bis 60 Prozent übertragbarer sei als die zunächst in England aufgetretene Alpha-Variante. Die ECDC rechnet daher damit, dass schon Anfang August 70 Prozent aller Coronavirus-Neuinfektionen in der Europäischen Union und den mit ihr verbundenen Ländern Norwegen, Island und Liechtenstein auf Delta zurückzuführen sein werden. Ende August dürften es dann bereits 90 Prozent sein.

Dominante Variante in Großbritannien

Die Delta-Variante B.1.617 (mit den Untervarianten B.1.617.1, B.1.617.2 und B.1.617.3) wurde zuerst im indischen Bundesstaat Maharashtra gefunden und verbreitet sich inzwischen in vielen Ländern außerordentlich schnell. In Großbritannien ist Delta bereits die dominierende Variante. Dort waren im April erste Fälle dieser Mutante nachgewiesen worden. Anfang Mai machte Delta bereits rund ein Viertel der Fälle aus, Anfang Juni gab es fast nur noch Delta-Fälle. Ebenso stieg die Zahl der Neuinfektionen seitdem stark.

Auch in Österreich sieht die Ampelkommission die Gefahr einer baldigen neuen, deltabasierten Welle. Derzeit geht man in der Kommission davon aus, dass mehr als sechs Prozent der Neuinfektionen auf die Delta-Variante entfallen. Diese Zahl könnte überschätzt, aber eben auch unterschätzt sein, denn Basis für die Sequenzierungen sind PCR-Tests, die nur in Wien flächendeckend durchgeführt werden. In der Bundeshauptstadt wiederum erkennt man aktuell eine Verdoppelung der Delta-Fälle.

„Wir müssen einfach schnell impfen“

Ein sehr hohes Tempo bei den Impfkampagnen sei der ECDC zufolge deshalb äußerst wichtig. Zu diesem Zeitpunkt sei zudem entscheidend, die Zweitimpfung innerhalb der geringsten zugelassenen Zeitspanne nach der Erstimpfung zu verabreichen, um Gefährdete zu schützen. Noch immer bestehe für zu viele Menschen das Risiko, ernsthaft an Covid-19 zu erkranken. Gerade Jüngere, die nicht zu den Zielgruppen der Impfkampagnen gehörten, seien gefährdet.

Drosten spricht von einem „Rennen“, in dem man sich mit der Delta-Variante befinde. Er plädierte angesichts der Entwicklung dafür, das Bewusstsein für die Bedeutung der Impfung zu stärken. „Wir müssen einfach schnell impfen“, sagte der Experte der Berliner Charite im Podcast „Coronavirus-Update“ (NDR-Info). Reiche das nicht, müsse man erneut mit Kontaktbeschränkungen gegensteuern.