Container im Yantian-Hafen von Shenzhen (China)
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CoV in Südchina

Auf Quarantäne folgt Stau in Containerhafen

In der rund 126 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner zählenden und damit bevölkerungsreichsten chinesischen Provinz Guangdong sorgen lokale Coronavirus-Cluster für anhaltende Schlagzeilen. Mit 20 an einem Tag registrierten Neuinfektionen war der Wirtschaftshotspot vor wenigen Wochen Schauplatz des größten lokalen CoV-Ausbruchs in China seit Monaten. In direkter Folge wurde der Betrieb im Containerhafen Yantian (YICT) weitgehend eingestellt – und seitdem stauen sich dort die Container.

Derzeit sei CoV im Hafengebiet dank der ergriffenen Maßnahmen „effektiv unter Kontrolle“, so die Hafenbetreiber, die für Mittwoch auch die Rückkehr zum Vollbetrieb ankündigten. Reedereien gehen allerdings nur von einer schrittweisen Entspannung aus: Es dürfte noch Tage, wenn nicht Wochen dauern, bis der Hafenstau wieder abgearbeitet ist.

Der Hafen stellte ab dem 21. Mai seinen Betrieb zeitweise fast vollständig ein, nachdem bei mehreren Arbeitern eine Infektion mit dem Coronavirus nachgewiesen wurde. Die strengen Hygiene- und Quarantänevorschriften erlaubten auch in der Folge nur einen eingeschränkten Betrieb. Medienberichten zufolge konnten im Juni bis zu 300 Containerschiffe aus diesem Grund nicht wie geplant in Yantian anlegen.

Im Grunde habe einer der weltweit größten Containerhäfen seit Wochen geschlossen, sagte laut BBC Nills Haupt von der Reederei Hapag-Lloyd. Geht es nach der weltweit größten Reederei Maersk, seien die Folgen des CoV-Ausbruchs in Südchina wohl noch schlimmer als bei der Blockade vom Sueskanal im März.

Maersk-Chef will „nicht um heißen Brei herumreden“

Er wolle „nicht um den heißen Brei herumreden“, sagte dazu Maersk-Chef Vincent Clerk gegenüber dem Branchenportal Seatrade Maritime: Wenn es in einem Hafen wie Yantian zu derart umfangreichen Ausfällen kommt, dann „wird das erhebliche Auswirkungen haben.“

Bei Maersk rechne man erst in rund zwei Wochen wieder mit Normalbetrieb in Yantian. Der Reederei zufolge habe man zuletzt auch auf eine Umleitung der Fracht auf andere Häfen gesetzt. Diese Vorgangsweise habe allerdings neue Problemfelder eröffnet – konkret „im Hinterland dann zu erheblichen Einschränkungen bei den Landtransporten geführt“.

Container im Yantian-Hafen von Shenzhen (China)
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Der Containerhafen Yantian ist zentraler Umschlagplatz im Handel mit China

Beim Institut für Weltwirtschaft (IfW) im deutschen Kiel ist von gravierenden Störungen im Containerschiffsverkehr die Rede. Tiefgreifende Auswirkungen für die Branche liegen auf der Hand – geht es nach dem IfW-Experten Vincent Stamer, habe der Stau in Yantian für den Welthandel aber noch keine großen Bremsspuren hinterlassen.

„Unterm Strich positive Signale“

In den vergangenen vier Wochen habe der Hafen zwar nur rund 40 Prozent der üblichen Containermenge verschifft, und „auch den Hafen von Shenzhen verlassen weniger Container als üblich“, wie Stamer hier ausführt. „Die Megahäfen Schanghai und Ningbo verzeichnen aber gegenwärtig noch keine Einbrüche“, und deshalb gebe es mit Blick auf dem vom IfW ermittelten „Kiel Trade Indicator“ im Juni „unter dem Strich positive Signale für den Handel“.

Sollte sich die chinesische Schifffahrtskrise allerdings weiter zuspitzen, „könnte sich dies aber ändern“, so Stamer, der in diesem Zusammenhang auf eine zuletzt „rasant“ angestiegene Anzahl der im Perlfluss-Delta auf Be- bzw. Entladung wartenden Containerschiffe verweist.

„Flaschenhals“

Maersk hatte in der vergangenen Woche davor gewarnt, dass Yantian ein für den Welthandel gewichtiger „Flaschenhals“ sei. Für die international verzahnten Lieferketten und den weltweiten Handel bedeutet der Stau eine erneute Belastungsprobe. Ende März hatte das Containerschiff „Ever Given“ tagelang den Sueskanal und damit Importe aus Asien blockiert, weil es sich in der Fahrrinne quergestellt hatte.

Außerdem wirken noch immer die Folgen der Coronavirus-Pandemie nach, die zu teils chaotischen Situationen im Frachtgeschäft führte – etwa indem nach dem zeitweiligen Einbruch des Welthandels vielfach Container fehlten, die in den falschen Häfen gestrandet waren. Die Lage auf dem Yantian-Hafen verschärfte diese Probleme. „Es war schon schwierig, vorher Container zu finden“, sagte Alfred Wong, Chef der Firma D&S Products Manufactory, die in Shenzhen Güter produziert. Nun sei die Situation „noch beängstigender“ geworden.

2020 waren auf dem Yantian-Hafen rund 13,3 Millionen 20-Fuß-Standardcontainer für den Außenhandel umgeschlagen worden. Nach Angaben des japanischen Finanzunternehmens Nomura macht das mehr als zehn Prozent des chinesischen Containerumschlags im Außenhandel aus. CBS-Angaben zufolge werden auf dem Hafen bei Vollbetrieb bis zu 100 Containerschiffe pro Woche abgefertigt.

Massentest in Dongguan

Die Lage in der immer wieder auch als „Werkbank der Welt“ bezeichneten Provinz Guangdong bleibt unterdessen auch wegen weiterer lokaler CoV-Ausbrüche weiter angespannt. Nach dem Nachweis mehrerer Infektionsfälle wurden Reuters-Angaben zufolge zuletzt Teile der Millionenstadt Dongguan unter Quarantäne gestellt und Massentests angekündigt. Die Stadtbehörden forderten die Bewohner auf, die Stadt nicht zu verlassen, außer aus wichtigen Gründen. Diejenigen, die die Stadt verlassen, müssen innerhalb von 48 Stunden nach ihrer Abreise negative Testergebnisse vorweisen.

Deutliche Auswirkungen habe die CoV-Situation laut Medienberichten auch im Flugverkehr. Besonders betroffen seien unter anderem die Flughäfen der Städte Guangzhou und Shenzhen. Allein am Dienstag seien dort 630 bzw. 790 Flüge gestrichen worden, wie die Wirtschaftsplattform Argus Media am Mittwoch berichtete. Diesen Angaben zufolge seien im 19 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner zählendem Guangzhou im Juni 104 Coronavirus-Fälle nachgewiesen, in Guangdong (rund acht Millionen) 124 und in der Zwölfmillionenmetropole Shenzhen sieben.