Landesgericht für Strafsachen in Wien
ORF.at/Zita Klimek
Blümel-Akten

Suche als „Wettlauf mit der Zeit“

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Mittwoch angekündigt, das Straflandesgericht Wien mit der „Durchsetzung“ des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) im Zusammenhang mit der Aktenlieferung von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) an den „Ibiza“-Untersuchungsausschuss zu befassen. Für den Verfassungsjuristen Karl Stöger handelt es sich um eine nachvollziehbare und „durchaus weise“ Entscheidung – fest stehe aber auch: Für das Gericht wird die Klärung der Causa ein „Wettlauf mit der Zeit“.

„Ein Ausschuss ist befristet, und wenn der zu Ende ist, dann sind die entsprechenden Beweise nicht mehr weiter zu erheben“, so Stöger, der in der ZIB2 von einer großen Herausforderung für die von Van der Bellen nun beauftragten Richterinnen und Richter spricht.

Inwieweit sich das angeordnete „Verfahren zur Informationssicherung“ angesichts des mit 15. Juli auslaufenden „Ibiza“-U-Ausschusses ausgeht, erscheint fraglich. „Ich glaube, das wird schwierig, und das ist ja auch hier der kritische Punkt“, so Stöger, der auf die Frage, ob es theoretisch sein könne, dass die Opposition recht bekomme, aber nichts mehr davon hat, noch anmerkte: „Das könnte passieren, ja.“

Verfassungsjurist zur Aktenlieferung

Nachdem der VfGH den Ball an den Bundespräsidenten zurückgespielt hatte, hat der eine historische Entscheidung getroffen. Ein Richter des Straflandesgerichts Wiens soll im Auftrag von Alexander Van der Bellen das VfGH-Erkenntnis zu den Mails aus dem Finanzministerium exekutieren. Verfassungsjurist Karl Stöger analysiert die Ereignisse.

Verfassungsrechtlich gebe es dann entweder die Möglichkeit eines Misstrauensvotums oder „das härtere Instrument einer Anklage wegen einer Gesetzesverletzung an den Verfassungsgerichtshof“. Voraussetzung dafür sei, dass „wirklich festgestellt ist, dass er (Blümel, Anm.) seinen Aufgaben, nämlich dem U-Ausschuss alles zur Verfügung zu stellen, nicht nachgekommen ist“.

„Gibt offenbar Hinweise“

Stöger sagte, er könne Van der Bellens Vorgangsweise nachvollziehen – und das betrifft auch die neuerliche Klärung der Causa durch den VfGH. „Er wollte offenbar auf Nummer sicher gehen, weil die Angelegenheit sehr heikel ist.“ Klar sei aber auch, dass der Präsident, sofern er nicht gänzlich davon überzeugt ist, dass alles geliefert wurde, für die Klärung etwaiger offener Fragen sorgen muss: „Und offensichtlich bestehen bei ihm so viele Zweifel, dass er es jetzt für notwendig hält, nachschauen zu lassen.“

Aufgabe des Wiener Straflandesgerichts sei es nun, Akten zu sichern und dann einen Abgleich mit jenen Akten vorzunehmen, die dem U-Ausschuss schon zur Verfügung stehen. Die Rede ist von Hinweisen auf gewisse Aktenstücke, bei denen das offenbar strittig sei. Sollten tatsächlich Aktenstücke gefunden werden, die noch nicht beim U-Ausschuss waren, dann muss laut Stöger in einem nächsten Schritt geklärt werden, was öffentlich und was privat ist.

„Haltlos“

Privates habe in der Öffentlichkeit nichts zu suchen, merkte Van der Bellen in seinem Pressestatement am Mittwoch dazu an. Erklärtes Ziel sei es, Klarheit zu schaffen, so Van der Bellen, der weder Blümel etwas vorwirft noch der Opposition recht gibt. Blümel bezeichnete die Vorwürfe in einer ersten Reaktion als „haltlos“ – er sei „froh“, dass Van der Bellen die „Informationssicherstellung“ eingeleitet habe.

Was die Vorwürfe der Opposition betrifft, geht es laut Ö1-Morgenjournal unter anderem um Hinweise, dass die Akten vorsortiert worden sein könnten – konkret seien die Daten nach Themen und nicht chronologisch geliefert worden. Zudem seien von leitenden Beamtinnen und Beamten ungewöhnlich wenige E-Mails gekommen.

Opposition: Verzögerungstaktik

Die Opposition wirft Blümel und der ÖVP angesichts des anstehenden U-Ausschuss-Endes seit Wochen eine Verzögerungstaktik vor. Diese Taktik sei „ja schon erfolgreich“ gewesen, sagte die NEOS-Fraktionsführerin im U-Ausschuss, Stephanie Krisper, am Donnerstag im Ö1-Morgenjournal. Die Frage sei nun, ob sich das Bild erhärte, wonach Finanzminister Blümel „den Rechtsstaat ignoriert hat, und was uns hier alles vorenthalten wurde“, so Krisper: „Verwenden können wir es nur mehr schwer.“

Exekutionsanordnung übermittelt

Die Anordnung zur Exekution des VfGH-Erkenntnisses wurde von der Hofburg Donnerstagvormittag an das Straflandesgericht Wien übermittelt, wie die Präsidentschaftskanzlei mitteilte. Diese Anordnung wurde auch Blümel, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), den Fraktionsführerinnen bzw. Fraktionsführern im U-Ausschuss sowie VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter zur Kenntnis gebracht.

Beim Landesgericht für Strafsachen sei der Antrag des Bundespräsidenten mittels Zufallsgenerator im Sinne der Geschäftsverteilung einer Haft- und Rechtsschutzrichterin zugewiesen worden, wie es hieß. Sie sei nach Prüfung nun für alle weiteren Schritte zuständig. Ihre Aufgaben seien, die Daten sicherzustellen und zu prüfen, welche Daten privat sind, diese auszuscheiden sowie die Daten so weit möglich bis zum 15. Juli dem Ausschuss vorzulegen.