Tüte mit Kokain
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UNO-Drogenbericht

Höherer Kokainkonsum in Europa befürchtet

Immer mehr und immer billigeres Kokain gelangt nach Europa. Deshalb sei ein Anstieg des Kokainkonsums zu erwarten, schrieb das UNO-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) am Donnerstag in seinem jährlichen Weltdrogenbericht. Zudem sei in der Pandemie eine höhere Nachfrage nach Drogen mit beruhigender Wirkung zu verzeichnen. Die Behörde geht zudem davon aus, dass die Pandemie langfristige Auswirkungen auf Angebot und Nachfrage von verbotenen Substanzen haben wird.

Prinzipiell treibt die Coronavirus-Pandemie laut dem Bericht mehr Menschen zum Drogenmissbrauch. Durch die Pandemie verstärkte Faktoren für Drogensucht wie Ungleichheit, Armut und psychische Probleme würden die Lage voraussichtlich auf Jahre hinaus verschlimmern, warnte das UNODC bei der Präsentation des Berichts am Donnerstag in Wien. Wegen der wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Krise drohe zudem der illegale Anbau der Heroin- und Kokainrohstoffe Schlafmohn und Koka zuzunehmen.

Insgesamt hätten im vergangenen Jahr 275 Millionen Menschen weltweit Drogen konsumiert, 36 Millionen davon würden unter Abhängigkeit oder anderen Drogenproblemen leiden, so das UNODC in einer Aussendung. Zwischen 2010 und 2019 sei die Zahl der Drogenkonsumentinnen und -konsumenten zudem um 22 Prozent gestiegen. Zum Teil lasse sich das jedoch auch auf das allgemeine Bevölkerungswachstum zurückführen.

Weltdrogenbericht 2021 von UNODC
unodc.org
Der UNO-Drogenbericht gibt Einblicke, wie die Pandemie das Drogengeschehen veränderte

Internationaler Drogenschmuggel nahm zu

Das UNODC hält fest, „dass die Drogenmärkte ihre Aktivitäten nach der anfänglichen Unterbrechung zu Beginn der Pandemie schnell wieder aufgenommen haben“. Dazu komme: Wegen der Wirtschaftskrise, die von der Pandemie ausgelöst wurde, werde es zum Beispiel in Afghanistan immer attraktiver, Geld mit der Produktion von Opium zu verdienen. Dort stieg die Anbaufläche im Vorjahr um 37 Prozent. Das Land entwickle sich außerdem zu einem wichtigen Amphetaminlieferanten in der Region.

Weltdrogenbericht

Für den Weltdrogenbericht trägt das UNODC eigene Informationen, Behördenangaben der UNO-Mitgliedsstaaten, öffentlich zugängliche Analysen und Berichte sowie Medienberichte zusammen.

Obwohl der internationale Flugverkehr durch die Pandemie weitgehend lahmgelegt wurde, habe der internationale Schmuggel illegaler Drogen weiter zugenommen, heißt es im Jahresdrogenbericht weiter. Auch Schulschließungen wegen der Pandemie haben Auswirkungen: Aus Lateinamerika gebe es Berichte über kriminelle Gruppen, die Kinder für die Drogenproduktion rekrutierten, sagte UNODC-Chefanalystin Angela Me.

Konkurrenz durch Banden vom Balkan

Zudem würden Verbrecherbanden aus der Balkan-Region spanischen und italienischen Gruppen zunehmend Konkurrenz beim Import dieser Drogen aus Südamerika machen, hieß es. Diese neuen Akteure auf dem Drogenmarkt arbeiten teils ohne Zwischenhändler und beziehen das weiße Pulver direkt aus den Anden.

Das habe zu „verstärktem Wettbewerb und verstärkter Effizienz“ geführt, heißt es in den Bericht. Auch die Vertriebswege für die Kokainlieferungen nach Europa wurden laut Bericht weiter ausgebaut, sodass die Droge günstiger geworden sei.

Hohe Kokainwerte in den Niederlanden

Durch die veränderten Handelsrouten und den steigenden Wettbewerb kommt nicht nur mehr und günstigeres, sondern auch reineres Kokain nach Europa. Der Reinheitsgrad ist laut UNODC im vergangenen Jahrzehnt um 40 Prozent gestiegen. Bereits vor der Pandemie hatte die weltweite Kokainproduktion aber deutlich zugenommen: Zwischen 2014 und 2019 verdoppelte sie sich und erreichte einen neuen Höchststand von schätzungsweise 1.784 Tonnen.

Der Bericht nannte die Hafenstädte Antwerpen, Rotterdam, Hamburg und Valencia als wichtige Umschlagplätze. Abwasseranalysen würden besonders hohe Kokainwerte in den Niederlanden, Belgien, Großbritannien und in westdeutschen Städten zeigen, sagte UNODC-Analyst Thomas Pietschmann.

Mohnfeld in Jalalabad
AP/Rahmat Gul
Mohnfeld in Afghanistan: 2020 nahm die Fläche für den illegalen Anbau von Drogen um 37 Prozent zu

Dark Web als Vertriebskanal

Weltgrößter Kokainproduzent ist weiterhin Kolumbien. Allerdings ging die dortige Kokaproduktion dem Bericht zufolge 2019 erstmals seit sechs Jahren nennenswert zurück. Auf globaler Ebene trug das zu einem Rückgang des Kokaanbaus um fünf Prozent bei. Wegen der Kontaktbeschränkungen wurden „Partydrogen“ wie Kokain und Ecstasy im Vorjahr zudem weniger konsumiert.

Eine weitere Bezugsquelle für den Drogenhandel stelle natürlich das Dark Web dar. Rund 315 Millionen Dollar (264 Mio. Euro) Umsatz im Jahr erfolge bereits über das anonyme Onlinenetz. Diese leichte Verfügbarkeit könnte zu einer Beschleunigung des globalen Drogenkonsums führen und Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit haben, heißt es in dem Report.

Cannabis und Sedativa stark nachgefragt

Während der Coronavirus-Pandemie wurden laut UNO-Angaben mehr Cannabis und Beruhigungsmittel konsumiert als zuvor. In einer Umfrage unter Gesundheitsexperten in 77 Ländern sei aus 66 Prozent der Länder eine häufigere Nutzung gemeldet worden, berichtete das UNODC. Die Behörde geht in ihrem Bericht davon aus, dass die Pandemie langfristige Auswirkungen auf Angebot und Nachfrage von verbotenen Substanzen haben wird.

Der Gehalt der psychoaktiven Substanz Tetrahydrocannabinol (THC) in dieser Droge habe sich während der letzten zwanzig Jahre in den USA vervierfacht und in Europa verdreifacht. Ebenso habe sich der Anteil jener Personen erhöht, die Cannabis als harmlos einstufen, „trotz Beweisen, dass der Konsum von Cannabis insbesondere bei Langzeitkonsumenten mit Gesundheitsschäden verbunden ist“, hieß es unter Verweis auf Studien unter Kindern und jungen Erwachsenen in westlichen Ländern.

Geringeres Gefahrenbewusstsein, höherer Konsum

Das sei auch eine der „Schlüsselerkenntnisse“ des Berichts: Eine geringere Wahrnehmung der Risiken führe zu einem höheren Konsum. Vor diesem Hintergrund gehe es folglich darum, die Menschen über etwaige Gefahren aufzuklären und das öffentliche Bewusstsein zu stärken, um so den Drogenkonsum einzudämmen, so UNODC-Generaldirektorin Ghada Waly.

Auf Twitter schrieb das UNODC, jeder und jede könne helfen, das weltweite Drogenproblem unter Kontrolle zu bekommen, indem man „Fakten teilt“ und so „Leben retten“ könne. Laut den jüngsten verfügbaren Zahlen starben im Jahr 2019 eine halbe Million Menschen an den Folgen von Drogenkonsum. Mehr als die Hälfte der Todesfälle war auf Hepatitis zurückzuführen, die durch Injektionsnadeln übertragen werden kann. Die vielen Überdosis-Fälle mit Opioiden wie Fentanyl spielten ebenfalls eine wichtige Rolle, berichtete das UNODC.