SPÖ-Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner
APA/Helmut Fohringer
Personaldebatte abgedreht

Rendi-Wagner stellt sich Wiederwahl

Öffentliche Kritik aus den eigenen Reihen und eine Vorsitzdebatte bleiben der SPÖ und ihrer Chefin Pamela Rendi-Wagner am Parteitag am Samstag erspart. Um die Partei ist es ruhiger geworden – personell, aber auch bei der Themensetzung. Gegenkandidaten für ihre Wiederwahl hat Rendi-Wagner nicht zu erwarten. Der Politologe Peter Filzmaier sieht aber die „nachhaltige Themensetzung als Schlüsselfrage“.

Als Messlatte für die Wahl legte sich die SPÖ-Chefin 71,4 Prozent Zustimmung. Diesen Wert erhielt die ausgebildete Ärztin im vergangenen Jahr bei einem von ihr selbst initiierten Vertrauensvotum, das SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch inzwischen als „Zäsur“ Richtung mehr Geschlossenheit bezeichnet. Als Rendi-Wagner 2018 nach dem Rücktritt ihres Vorgängers und Ex-Bundeskanzlers Christian Kern an die Spitze der SPÖ gewählt wurde, erreichte sie allerdings knapp 98 Prozent. Ex-SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann bekam bei seiner ersten Wiederwahl knapp 94 Prozent.

Parteiinterne Kritiker gingen entweder auf Abstand wie der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil oder wurden von Rendi-Wagner in den Führungskreis der Partei geholt. In der SPÖ-Wählerschaft kommt Rendi-Wagner als Spitzenkandidatin jedenfalls besser an als Doskozil. 45 Prozent der SPÖ-Wähler und -Wählerinnen plädieren für Rendi-Wagner an der Parteispitze, neun Prozent für ihren burgenländischen Parteikollegen. Das zeigen aktuelle Umfragewerte des Meinungsforschers Peter Hajek.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ)
APA/Helmut Fohringer
Rendi-Wagners offen kritischer Parteikollege Doskozil verzichtete auf die Teilnahme an Bundesgremien

„Führungsrolle stabilisiert“

Über die eigenen Parteigrenzen hinaus sieht die Situation anders aus. In der Gesamtbevölkerung sehen 26 Prozent Doskozil als den besseren Spitzenkandidaten, Rendi-Wagner nur 20 Prozent. Der burgenländische Landeshauptmann hatte Rendi-Wagner einmal ausgerichtet, dass die SPÖ bei der nächsten Nationalratswahl von jenem Politiker angeführt werden sollte, der die besten Umfragewerte hat.

Inzwischen habe Rendi-Wagner ihre „Führungsrolle stabilisieren“ können, sagte Filzmaier gegenüber ORF.at. Ein Grund dafür sei auch die starke Unterstützung durch den Wiener Bürgermeister Michael Ludwig. Dieser sei an Stabilität interessiert. Für eine Diskussion über Spitzenkandidaten vor der nächsten geplanten Bundeswahl 2024 sei es noch zu früh, analysierte der Politologe.

Doskozil zog sich zurück

Personaldiskussionen gibt es daher derzeit nicht. Doskozil fokussiert sich auf das Burgenland. Er verzichtete schon vor einigen Wochen auf eine Mitgliedschaft in allen Bundesgremien – auch nach deutlicher Kritik Rendi-Wagners wegen des früheren Ausscherens des Burgenlandes aus dem im Osten Österreichs verhängten Lockdown im Frühling. Filzmaier: „Doskozil war als mediales Störfeuer nicht mehr kalkulierbar.“

Die restliche rote Führungsprominenz wird im verkleinerten Präsidium zu Stellvertretern von Rendi-Wagner gekürt: Neben den Landeshauptmännern Peter Kaiser in Kärnten und Ludwig in Wien sollen auch die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures und der Niederösterreicher Franz Schnabl – er galt auch als Kritiker der Bundesparteispitze und war eher auf Distanz zu Rendi-Wagner – in diese Position kommen. Die SPÖ-Chefin von Oberösterreich, Birgit Gerstofer, gilt ebenso als fix.

Kampf um den Frauen-Vorsitz

Bis zuletzt offen war, wer als Frauenvorsitzende in die Stellvertreterposition kommen wird. Gabriele Heinisch-Hosek hatte den Vorsitz der Teilorganisation zwölf Jahre inne und wollte mit der 28-jährigen Nationalratsabgeordneten Eva-Maria Holzleitner einen Generationswechsel einleiten. Diese Nachfolgefrage verlief aber nicht ganz friktionsfrei.

SPÖ-Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner
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Holzleitner übernimmt von Vorsitz der Teilorganisation SPÖ Frauen

Beworben hatten sich auch die Wiener Gemeinderätin Mireille Ngosso und – einen Tag vor Fristende – die Chefin der SPÖ-Frauen in Niederösterreich, Elvira Schmidt. Er nehme diese Bewerbung zur Kenntnis, hieß es von SPÖ-NÖ-Chef Schnabl am Freitag im Ö1-Morgenjournal. Er wies zurück, Schmid bekniet zu haben, gegen Holzleitner anzutreten. Heinisch-Hosek glaubt aber nicht an Querschüsse: „Rendi-Wagner ist konsolidiert.“

Holzleitner gewann am Freitagnachmittag letztlich in einer Stichwahl gegen Ngosso mit 55,21 Prozent. Schmidt war schon in der ersten Runde ausgeschieden. Holzleitner zeigte sich über das Vertrauen „überwältigt und auch total gerührt“. Rendi-Wagner nahm die ungewöhnliche Kandidatur von drei Frauen gelassen: „Das zeichnet uns aus.“ Es zeige, dass viele bereit seien, Verantwortung zu übernehmen.

Dornauer und Lercher wieder in Führungsgremien

In das elfköpfige Präsidium soll auch der Tiroler SPÖ-Chef Georg Dornauer einziehen. Ihm war am Parteitag 2018 wegen einer als frauenfeindlich empfundenen Aussage von Rendi-Wagner persönlich ein Antreten als stellvertretender Bundesparteichef verwehrt worden. Nun werden einzig Vorarlberg und das Burgenland nicht mehr im Präsidium vertreten sein.

Ebenfalls ins Präsidium einziehen sollen der Vorsitzende des Wirtschaftsverbands, Christoph Matznetter, die Abgeordnete Selma Yildirim und der steirische SPÖ-Chef Anton Lang. Der von Rendi-Wagner abgesetzte Ex-Bundesgeschäftsführer Max Lercher aus der Steiermark zieht in den Vorstand.

Kürzere Arbeitszeit, mehr Urlaub, Vermögenssteuern

Parteipräsidium und -vorstand müssen am Samstag per Wahl bestätigt werden. Im Fokus steht aber Rendi-Wagner. Wer außer ihr und dem Wiener Bürgermeister Ludwig als Gastgeber am Rednerpult vor den 642 geladenen Delegierten in der Wiener Messehalle etwas sagen möchte, muss auf die Antragsdebatte warten. Rund 200 Anträge und Resolutionen wurden eingebracht. Die Parteiführung stellte zehn Leitanträge mit unterschiedlichen Themen zusammen.

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ)
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Ludwig (l.) gibt Rendi-Wagner die notwendige Rückendeckung

Ein großes Augenmerk liegt auf dem Vorstoß der Arbeitszeitverkürzung – weniger Arbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Debattiert werden soll aber auch über eine sechste Urlaubswoche für alle, die Abschaffung der Selbstbehalte im Gesundheitswesen, bessere Öffnungszeiten von Kindergärten und die Klassiker Vermögens- und Erbschaftssteuern.

„Nachhaltige Themensetzung“ fehlt

Filzmaier vermisst aber eine „nachhaltige Themensetzung“ etwa beim Thema Arbeitsplätze durch die Partei und nicht nur die Gewerkschaft, unabhängig von den Personen. Das sei „die Schlüsselfrage für den Parteitag“. Der Aufschwung in den Umfragen sei aufgrund der Schwächen der anderen Parteien zustande gekommen – wie etwa Ermittlungen im ÖVP-Umfeld und Führungsdebatten bei der FPÖ.

Selbst die von der SPÖ angestoßene Debatte über einen einfacheren Zugang zur Staatsbürgerschaft fehlt auf dieser Themenliste. Hier gibt sich die Partei sogar sehr zurückhaltend. Anträge wie jener der SPÖ Wien-Alsergrund, Doppelstaatsbürgerschaften einfacher zugänglich zu machen, sollen am Parteitag bloß der Arbeitsgruppe Migration zugewiesen werden. Eine Annahme empfohlen wird hingegen für einen Antrag der SPÖ Wien-Landstraße, EU-Bürger auch an Nationalrats- und Landtagswahlen teilnehmen zu lassen.

Nur kleine Statutendiskussion

Auch eine Statutendebatte will sich die Parteiführung am Samstag ersparen. Eine Diskussion darüber wird es aber wohl geben. Denn die steirische SPÖ und Jugendorganisationen beantragen eine Direktwahl der Vorsitzenden durch die Basis. Darüber wie über einen Antrag, die Basis über einen künftigen Koalitionsvertrag abstimmen zu lassen, soll eine Statutenkommission beraten, die erst noch gebildet werden muss. Am Samstag entscheiden jedenfalls noch die Delegierten.