Zerstörung nach dem Tornado im tschechischen Dorf Mikulcice
APA/AFP/Michal Cizek
Tornado in Tschechien

Mindestens fünf Tote, Suche nach Vermissten

Am Tag nach den schweren Unwettern mit einem Tornado im Südosten Tschechiens wird das verheerende Ausmaß des Schadens langsam klar. Mindestens fünf Menschen kamen laut offiziellen Angaben ums Leben, es gibt Hunderte Verletzte. Hilfe war in der Nacht auch von österreichischer Seite gekommen. Notarzthubschrauber brachten zwei Schwerverletzte nach Wien. Derweil wird unter den Trümmern zahlreicher eingestürzter Häuser nach Vermissten gesucht.

In Tschechien meldete allein das Krankenhaus in Hodonin rund 200 Verletzte. Bilder und Videos zeigen schwere Schäden. In mehreren Dörfern wurden Dächer abgedeckt, Fensterscheiben zerstört, Bäume stürzten um, Autos wurden herumgeschleudert.

Auch umgeknickte Strommasten waren zu sehen, zudem seien mehrere Busse umgestürzt, berichtete der Fernsehsender CT. Der Wetterdienst CHMU bestätigte, dass es sich um einen Tornado gehandelt habe. Dieser sei für Europa unüblich stark gewesen. Auch in Tschechien gilt ein Tornado als seltene Erscheinung, den letzten gab es vor drei Jahren. Nach Auskunft eines TV-Meteorologen erreichte er eine Geschwindigkeit von bis zu 330 km/h. Das wäre der stärkste Wirbelsturm in der jüngeren Geschichte Tschechiens.

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Große Schäden nach dem Tornado in Tschechien
APA/Helmut Fohringer
Die 2.600-Einwohner-Stadt Moravska Nova Ves wurde verwüstet
Verwüstungen nach dem Tornado in Tschechien
AP/Horakova Lenka
Ein völlig zerstörtes Haus im Ort Luzice – das ganze Ausmaß des Schadens wurde am Freitag offenkundig
Menschen in Mikulcice (Tschechien) begutachten die Zerstörung nach dem Tornado
Reuters/David W Cerny
Unzählige Häuser wurden abgedeckt, viele wurden völlig zerstört
Verwüstung in Mikulcice (Tschechien) nach einem Tornado
APA/AFP/Michal Cizek
Der Tornado schleuderte auch Autos durch die Luft
Zerstörte Autos in Moravska Nova Ves (Tschechien)
APA/Helmut Fohringer
Noch ist das ganze Ausmaß des Schadens unklar
Zerstörung in Moravska Nova Ves (Tschechien)
AP/CTK/Vaclav Salek
Der Tornado erreichte laut Meteorologen eine Geschwindigkeit von bis zu 330 km/h
Ein Mann fährt mit seinem Kind mit dem Fahrrad durch das durch einen Tornado zerstörte tschechische Dorf Mikulcice
APA/AFP/Michal Cizek
Ganze Orte wurden verwüstet, Ministerpräsident Babis sprach von einer „Apokalypse“

„Halber Ort dem Erdboden gleichgemacht“

Tschechien mobilisierte alle Kräfte. Besonders schwer getroffen wurden offenbar die Ortschaften Hrusky mit rund 1.500 und Moravska Nova Ves mit etwa 2.600 Einwohnerinnen und Einwohnern. Der stellvertretende Bürgermeister des Dorfes Hrusky sagte der tschechischen Nachrichtenagentur CTK, dass der halbe Ort dem Erdboden gleichgemacht worden sei.

„Geblieben sind nur die Mauern, ohne Dach, ohne Fenster“, sagte er. Die Menschen hätten sich vor dem Unwetter nicht schützen können. Mehrere Rettungsstaffeln mit Hunden waren unterwegs ins Einsatzgebiet, um in Gebäuden nach möglichen Verschütteten zu suchen.

„Hölle auf Erden“

Das Krankenhaus in Hodonin nahm laut CTK Dutzende Verletzte aus der Region auf. Auch in Mikulov direkt an der niederösterreichischen Grenze wurden schwere Schäden gemeldet. Die Autobahn D2, die von Brno nach Breclav führt, war nicht befahrbar, weil Hochspannungsleitungen auf die Fahrbahn gestürzt waren. Umgestürzte Strommasten blockierten eine zentrale Autobahnverbindung zwischen Prag und der slowakischen Hauptstadt Bratislava. „Es ist die Hölle auf Erden“, sagte Regionalgouverneur Jan Grolich nach einem Besuch in der Region.

Zerstörte Autos nach einem Tornado
Reuters/David W Cerny
Am Morgen danach zeigte sich das ganze Bild der Verwüstung

Zehntausende Haushalte ohne Strom

Am Freitagvormittag waren weiterhin 78.000 Haushalte und Unternehmen in der Region ohne Strom. Die Situation dort sei wie in einem Krieg, sagte Gesundheitsminister Adam Vojtech im Fernsehen. „Hier herrscht großes Chaos, große Panik“, sagte ein Augenzeuge in der Gemeinde Luzice dem Sender CT. Viele Häuser sollen einsturzgefährdet sein. Alle verfügbaren Einsatzkräfte seien auf dem Weg in die Region, sagte Innenminister Jan Hamacek am Abend: „Alles, was Arme und Beine hat, fährt dorthin.“ Die Regierung in Prag versetzte Kräfte der Armee für einen möglichen Hilfseinsatz in Bereitschaft.

Zerstörung nach dem Tornado in Tschechien
Reuters/David W Cerny
Teile von Häusern wurden durch den Tornado weggerissen

Babis: „Apokalypse“ für Tschechien

Ministerpräsident Andrej Babis nannte die Naturkatastrophe eine „Apokalypse“ für Tschechien, wie er sie nie zuvor gesehen habe. Er drückte vor Journalisten in Brüssel den Angehörigen der Todesopfer Mitgefühl aus und kündigte an, seine Regierung werde allen Betroffenen möglichst rasch helfen.

Man werde auch versuchen, Mittel aus dem EU-Krisenfonds zu lukrieren wie Kroatien nach einem schweren Erdbeben im Jahr 2020. Babis sagte weiters, er habe bereits mit dem slowakischen Regierungschef Eduard Heger, Ungarns Premier Viktor Orban und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) über die ausländischen Hilfseinsätze gesprochen, und er bedankte sich bei allen Einsatzkräften und Helfern.

Hilfe aus Österreich

Aus Österreich war rasch Hilfe gekommen: Die Notarzthubschrauber Christophorus 2 und 9 brachten je ein schwer verletztes Opfer nach Wien. Die beiden waren kurz vor Mitternacht ins AKH bzw. in die Klinik Donaustadt gebracht worden. „Einer der Schwerverletzten ist nach einer Notoperation mittlerweile stabil, um das Leben einer zweiten Patientin wird zur Stunde noch gerungenen“, sagte Michael Binder, Medizinischer Direktor des Wiener Gesundheitsverbundes.

Zudem war das niederösterreichische Rote Kreuz noch in den späten Abendstunden mit rund 40 Fahrzeugen und mehr als 100 Helfern in den Südosten Tschechiens ausgerückt. An Ort und Stelle waren auch Kräfte aus dem Bundesland.

Zerstörung nach dem Tornado in Tschechien
Reuters/David W Cerny
Die Zerstörung im betroffenen Gebiet ist enorm

Hagelkörner in Tennisballgröße

Den ganzen Abend zogen schwere Sommergewitter durch Südmähren, insgesamt sieben Dörfer wurden verwüstet. In den Verwaltungsbezirken Breclav und Hodonin fielen laut Berichten in sozialen Netzwerken Hagelkörner von der Größe von Tennisbällen. Am Schloss Valtice, das zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt, entstand Millionenschaden. An dem Barockbau aus dem 17. Jahrhundert barsten zahlreiche Fensterscheiben.

ORF-Reporter Rohrhofer aus Moravska Nova Ves

Wie ist die Lage im benachbarten Tschechien, ist schon Hilfe angekommen? Gernot Rohrhofer berichtet.

„Unser Mitgefühl gilt den Opfern und den Familien der Opfer“, sagte Kanzler Kurz am Rande des EU-Gipfels in Brüssel zu den Vorfällen. Kurz dankte Freitagfrüh den österreichischen Einsatzkräften, die grenzüberschreitend tätig seien und versuchten, einen Beitrag zu leisten. Die Region an der Grenze zu Österreich ist als Weinanbaugebiet bekannt und auch bei Touristen und Touristinnen beliebt.

Umgeknickter Strommast in Tschechien
AP/CTK/Vaclav Salek
Die Wucht des Tornados verursachte schwere Schäden

1.600 Helfer in Niederösterreich im Einsatz

Hagel- und Sturmunwetter forderten am Donnerstagabend und in der Nacht auf Freitag auch die Helfer in Niederösterreich. Insgesamt standen 1.600 Mitglieder von 110 Feuerwehren im Einsatz, berichtete das Landeskommando Freitagfrüh. Die Hotspots lagen im Wald- und Weinviertel. Hauptsächlich betroffen waren die Bezirke Hollabrunn, Mistelbach, Gmünd, Horn, Zwettl und Waidhofen a. d. Thaya – mehr dazu in noe.ORF.at.