Autos auf einem Schutthaufen nach dem Tornado in Tschechien
APA/Helmut Fohringer
Tote und Vermisste

Tornado „Apokalypse“ für Tschechien

Nach dem verheerenden Tornado im Südosten Tschechiens geht die Suche nach möglichen Vermissten weiter. Mindestens fünf Menschen starben bei den schweren Unwettern Donnerstagabend, Hunderte wurden verletzt. Ganze Dörfer wurden verwüstet, viele Häuser sind einsturzgefährdet, Zigtausende Haushalte ohne Strom. Ministerpräsident Andrej Babis sprach von einer „Apokalypse“ für das Land.

Der Tornado beschädigte laut Babis rund 2.000 Häuser, der Schaden belaufe sich auf Hunderte Millionen tschechische Kronen. Babis, der anlässlich des EU-Gipfels in Brüssel war, drückte den Angehörigen der Todesopfer sein Mitleid aus und kündigte an, dass die Regierung des Landes den Betroffenen möglichst rasch helfen werde. Man werde auch versuchen, Mittel aus dem EU-Krisenfonds zu lukrieren.

Die Situation in der betroffenen Region sei wie in einem Krieg, sagte Gesundheitsminister Adam Vojtech im Fernsehen. Innenminister Jan Hamacek sprach an Ort und Stelle von einer „gewaltigen Katastrophe“. „Hier herrscht großes Chaos, große Panik“, sagte ein Augenzeuge in der Gemeinde Luzice dem TV-Sender CT. Viele Häuser sollen einsturzgefährdet sein.

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Große Schäden nach dem Tornado in Tschechien
APA/Helmut Fohringer
Die 2.600-Einwohner-Stadt Moravska Nova Ves wurde verwüstet
Verwüstungen nach dem Tornado in Tschechien
AP/Horakova Lenka
Ein völlig zerstörtes Haus im Ort Luzice – das ganze Ausmaß des Schadens wurde am Freitag offenkundig
Menschen in Mikulcice (Tschechien) begutachten die Zerstörung nach dem Tornado
Reuters/David W Cerny
Unzählige Häuser wurden abgedeckt, viele wurden völlig zerstört
Verwüstung in Mikulcice (Tschechien) nach einem Tornado
APA/AFP/Michal Cizek
Der Tornado schleuderte auch Autos durch die Luft
Zerstörte Autos in Moravska Nova Ves (Tschechien)
APA/Helmut Fohringer
Noch ist das ganze Ausmaß des Schadens unklar
Zerstörung in Moravska Nova Ves (Tschechien)
AP/CTK/Vaclav Salek
Der Tornado erreichte laut Meteorologen eine Geschwindigkeit von bis zu 330 km/h
Ein Mann fährt mit seinem Kind mit dem Fahrrad durch das durch einen Tornado zerstörte tschechische Dorf Mikulcice
APA/AFP/Michal Cizek
Ganze Orte wurden verwüstet, Ministerpräsident Babis sprach von einer „Apokalypse“

Babis sagte weiters, er habe bereits mit dem slowakischen Regierungschef Eduard Heger, Ungarns Premier Viktor Orban und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) über die ausländischen Hilfseinsätze gesprochen, und er bedankte sich bei allen Einsatzkräften und Helfern. Der Premier soll Freitagnachmittag die Unglücksregion besuchen.

Sieben Dörfer direkt betroffen

Die Katastrophe ereignete sich etwa 270 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Prag. Sieben Dörfer waren direkt vom Tornado betroffen: Häuser wurden zerstört, Dächer abgedeckt, Stromleitungen niedergerissen und Autos umhergeschleudert. Auch umgeknickte Strommasten waren zu sehen, zudem seien mehrere Busse umgestürzt, berichtete CT.

60 Verletzte mussten stationär in Krankenhäusern behandelt werden. Zwei Schwerverletzte, ein etwa 50-Jähriger und eine Jugendliche, wurden in Wiener Spitälern versorgt. Während sich der Zustand des Mannes offenbar sehr gut entwickelte, musste die junge Frau in künstlichen Tiefschlaf versetzt werden, ihr Zustand sei aber stabil hieß es. Sie wurden verletzt, als der Tornado einen Bus gut 70 Meter weit von der Straße in ein Feld fegte.

Grafik zum Tornado in Tschechien
Grafik: OSM/ORF.at; Quelle: novinky.cz

Suche nach möglichen Vermissten

Die Suche nach möglichen Verschütteten dauerte am Freitag an. Hunderte Feuerwehrleute gingen in den zerstörten Gemeinden von Haus zu Haus. Spürhunde halfen bei der Suche. Aus anderen Teilen des Landes machte sich weitere Verstärkung auf den Weg. Die Armee schickte Soldaten mit schwerer Technik.

Zerstörte Autos nach einem Tornado
Reuters/David W Cerny
Am Morgen danach zeigte sich das ganze Bild der Verwüstung

Besonders schwer getroffen wurden offenbar die Ortschaften Hrusky mit rund 1.500 und Moravska Nova Ves mit etwa 2.600 Einwohnerinnen und Einwohnern. Der stellvertretende Bürgermeister des Dorfes Hrusky sagte der tschechischen Nachrichtenagentur CTK, dass der halbe Ort dem Erdboden gleichgemacht worden sei. „Geblieben sind nur die Mauern, ohne Dach, ohne Fenster“, sagte er. Die Menschen hätten sich vor dem Unwetter nicht schützen können.

Hölle auf Erden"

Auch in Mikulov direkt an der niederösterreichischen Grenze wurden schwere Schäden gemeldet. Die Autobahn D2, die von Brno nach Breclav führt, war nicht befahrbar, weil Hochspannungsleitungen auf die Fahrbahn gestürzt waren. Strommasten blockierten eine zentrale Autobahnverbindung zwischen Prag und der slowakischen Hauptstadt Bratislava. „Es ist die Hölle auf Erden“, sagte Regionalgouverneur Jan Grolich nach einem Besuch in der Region.

Unterdessen wurde der zweite Block des Atomkraftwerkes Temelin heruntergefahren. Das teilte der oberösterreichische Umweltlandesrat Stefan Kaineder (Grüne) in einer Presseaussendung mit. Er warnte vor einem ähnlichen Zwischenfall beim AKW Dukovany. Der Grund dürfte ein Schaden durch schwere Gewitter an einer abführenden 400-kV-Hochspannungsleitung zwischen dem Kraftwerk und der Schaltanlage Kocin sein, so Kaineder, der eine umfassende Aufklärung forderte – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Der Tornado war der erste im Land seit 2018. Er erreichte nach Auskunft eines TV-Meteorologen eine Geschwindigkeit von bis zu rund 330 Stundenkilometern. Das wäre der stärkste Wirbelsturm in der jüngeren Geschichte Tschechiens. Er sei zunächst als Tornado der Kategorie F3 klassifiziert, hieß es von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). In Österreich ereignen sich pro Jahr durchschnittlich vier Tornados.

Hagelkörner in Tennisballgröße

Den ganzen Abend zogen schwere Sommergewitter durch Südmähren, insgesamt sieben Dörfer wurden verwüstet. In den Verwaltungsbezirken Breclav und Hodonin fielen laut Berichten in sozialen Netzwerken Hagelkörner von der Größe von Tennisbällen. Am Schloss Valtice, das zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt, entstand Millionenschaden. An dem Barockbau aus dem 17. Jahrhundert barsten zahlreiche Fensterscheiben.

ORF-Reporter Rohrhofer aus Moravska Nova Ves

Wie ist die Lage im benachbarten Tschechien, ist schon Hilfe angekommen? Gernot Rohrhofer berichtet.

„Unser Mitgefühl gilt den Opfern und den Familien der Opfer“, sagte Kanzler Kurz am Rande des EU-Gipfels in Brüssel zu den Vorfällen. Kurz dankte Freitagfrüh den österreichischen Einsatzkräften, die grenzüberschreitend tätig seien und versuchten, einen Beitrag zu leisten. Die Region an der Grenze zu Österreich ist als Weinanbaugebiet bekannt und auch bei Touristen und Touristinnen beliebt.

Umgeknickter Strommast in Tschechien
AP/CTK/Vaclav Salek
Die Wucht des Tornados verursachte schwere Schäden

Die Notarzthubschrauber Christophorus 2 und 9 brachten noch in der Nacht zwei Opfer nach Wien. Zudem war das niederösterreichische Rote Kreuz noch in den späten Abendstunden mit rund 40 Fahrzeugen und mehr als 100 Helfern in den Südosten Tschechiens ausgerückt. An Ort und Stelle waren auch Kräfte aus dem Bundesland.

1.600 Helfer in Niederösterreich im Einsatz

Hagel- und Sturmunwetter forderten am Donnerstagabend und in der Nacht auf Freitag auch die Helfer in Niederösterreich. Insgesamt standen 1.600 Mitglieder von 110 Feuerwehren im Einsatz, berichtete das Landeskommando Freitagfrüh. Die Hotspots lagen im Wald- und Weinviertel. Hauptsächlich betroffen waren die Bezirke Hollabrunn, Mistelbach, Gmünd, Horn, Zwettl und Waidhofen a. d. Thaya – mehr dazu in noe.ORF.at.