Polizist Derek Chauvin vor Gericht
AP/Court TV
Tötung von George Floyd

22,5 Jahre Haft für Chauvin

Bereits Ende April ist der weiße Ex-Polizist Derek Chauvin schuldig gesprochen worden, den Afroamerikaner George Floyd getötet zu haben. Am Freitag verkündete das Gericht in Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota das Strafmaß: 22,5 Jahre Haft.

Die Staatsanwaltschaft hatte 30 Jahre Haft gefordert, die Verteidigung eine Bewährungsstrafe. Geschworene hatten den 45-jährigen Chauvin im April unter anderem des Mordes zweiten Grades schuldig gesprochen. Dabei muss nach dem Recht des Bundesstaates Minnesota kein Vorsatz vorliegen. Richter Peter Cahill hielt sich bei der Urteilsverkündung kurz und betonte, die bereits fertig verfasste, 22-seitige Begründung ergehe schriftlich.

Cahill betonte, seine Aufgabe als Richter sei es nur, den individuellen Fall zu beurteilen, allein auf Grundlage der Fakten, nicht von Emotionen. Er betonte aber, dass er den Schmerz aller Angehörigen, insbesondere der Floyd-Familie, spüre. Der Fall hatte US-weit Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt befeuert und die Auseinandersetzung mit der andauernden systemischen Schlechterstellung von und Gewalt gegen Afroamerikaner in den USA intensiviert.

Floyd-Familie: „Historischer Schuldspruch“

Floyds Familie zeigte sich zufrieden mit dem Urteil: „Dieser historische Schuldspruch bringt die Floyd-Familie und unsere Nation der Heilung einen Schritt näher, indem sie einen Abschluss und Rechenschaft liefert“, teilten Anwälte der Angehörigen zusammen mit der Familie Floyds am Freitag mit. Dieser „bedeutende Schritt“ sei in den USA vor kurzer Zeit noch undenkbar gewesen. Mit dem Strafausmaß zeigte sich die Familie allerdings nicht zufrieden, sie hofft auf eine zusätzliche Strafe im Verfahren vor einem Bundesgericht.

Reverend Al Sharpton und Verwandte von George Floyd
Reuters/Nicholas Pfosi
Reverend Al Sharpton mit Angehörigen Floyds nach dem Urteilsspruch

US-Präsident Joe Biden wertete die verhängte Haftstrafe als angemessen. In einer ersten Reaktion sagte Biden, er kenne zwar nicht alle Umstände, die berücksichtigt worden seien. Das Strafmaß erscheine aber angemessen.

Chauvin wandte sich erstmals an Floyds Angehörige

Chauvin hatte sich zuvor erstmals an die Angehörigen gewandt. „Ich möchte der Familie Floyd mein Beileid aussprechen“, hatte Chauvin am Freitag in dem Gerichtssaal vor der Verkündung des Strafmaßes gesagt. Wegen eines gerichtlichen Bundesverfahrens und einer möglichen Berufung könne er zur Zeit aber keine vollständige Stellungnahme abgeben.

Floyds Bruder: „Was ging dir durch den Kopf?“

Zuvor hatten sich Floyds Brüder emotional geäußert. „Was hast du gedacht, was ging dir durch den Kopf, als du auf dem Nacken meines Bruders knietest?“, sagte Terrence Floyd am Freitag in dem Gerichtssaal in Anwesenheit des Verurteilten. Während seiner kurzen Rede musste Floyd immer wieder mit den Tränen kämpfen. Er forderte die „maximale Strafe“ für Chauvin.

Fall George Floyd: 22,5 Jahre Haft für Tötung

13 Monate nachdem George Floyd in Minneapolis starb, weil ein Polizist minutenlang auf ihm kniete, reagierte ein großer Teil der USA mit Erleichterung auf das Urteil.

Auch George Floyds zweiter Bruder, Philonise, musste um Fassung ringen, als er am Freitag vor dem Gericht darüber redete, dass der Getötete seine kleine Tochter Gianna nie wieder sehen werde: „Er wird niemals den Gang bei ihrer Hochzeit entlangschreiten können“, bei ihrem 16. Geburtstag da sein oder sie ihren Schulabschluss machen sehen, sagte er. Seit dem Tod seines Bruders habe er keine Nacht ruhig schlafen können und stattdessen Floyds Tod wieder und wieder durchlebt.

George Floyds siebenjährige Tochter Gianna Floyd sagte in einem abgespielten Video „ich vermisse und liebe dich“ in Richtung ihres Vaters. Floyds Neffe Brandon Williams klagte: „Unsere Familie ist für immer zerbrochen.“

Schuldspruch bereits im April

Die Geschworenen hatten Chauvin im April in allen Anklagepunkten für schuldig befunden. Der gravierendste Anklagepunkt lautete auf Mord zweiten Grades ohne Vorsatz. Darauf stehen in Minnesota bis zu 40 Jahre Haft. Zudem war Chauvin wegen Mordes dritten Grades und Totschlags zweiten Grades angeklagt. Chauvin hatte auf nicht schuldig plädiert. Die Verteidigung hatte eine Bewährungsstrafe gefordert, da der Ex-Polizist nicht vorbestraft war: „Er glaubte, seinen Job zu machen“, sagte sein Verteidiger Eric Nelson.

Richter Peter Cahill sprach von einer besonderen Schwere der Tat. Chauvin habe seine Machtstellung missbraucht, keine Erste Hilfe geleistet und Floyd in Anwesenheit von Kindern mit „besonderer Grausamkeit“ behandelt.

Wandbild am Georg-Floyd-Platz in Minneapolis
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Wandbild auf dem George-Floyd-Platz, wo Chauvin minutenlang auf Floyd kniete und so seinen Tod auslöste.

Biden traf Angehörige zum Jahrestag

Der 46-jährige Floyd war am 25. Mai 2020 bei einem brutalen Polizeieinsatz ums Leben gekommen. Zum Jahrestag der Tötung Floyds trafen sich Präsident Joe Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris mit den Angehörigen des Opfers im Weißen Haus. Die USA seien an einem „Wendepunkt“ angekommen.

Floyd war bei dem Polizeieinsatz festgenommen worden, weil er eine Zigarettenpackung mit einem falschen 20-Dollar-Schein bezahlt haben soll. Videos von Passanten dokumentierten, wie Polizisten den unbewaffneten Mann zu Boden drückten. Chauvin presste dabei sein Knie gut neun Minuten lang auf Floyds Nacken, während dieser immer wieder flehte, ihn atmen zu lassen. Floyd verlor das Bewusstsein und starb wenig später.

Statue von George Floyd in New York City
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Ein erst vor wenigen Tagen in New York enthülltes Floyd-Denkmal wurde beschmiert

Auslöser für Protestbewegung

Floyds Tod löste zahlreiche Demonstrationen und eine Protestbewegung gegen Rassismus und Polizeigewalt. Er steht stellvertretend für systematische Diskriminierung und Brutalität gegenüber Schwarzen. Entsprechend groß waren auch die Erwartungen an das Verfahren gegen Chauvin. Floyds Hilferuf „Ich kann nicht atmen“ wurden zur Metapher für weit verbreiteten Rassismus und Polizeigewalt gegenüber Afroamerikanern und anderen Minderheiten in den USA.

Erst am Donnerstag beschmierten Unbekannte ein Denkmal, das an Floyd erinnert, mit schwarzer Farbe. Auf der fast zwei Meter großen Büste sei am Donnerstag die Aufschrift „Patriot Front“, der Name einer Neonazi-Gruppierung, gefunden worden, teilte die Polizei von New York mit. Ein rassistisch motivierter Hintergrund der Tat werde untersucht. Das Denkmal war erst am Samstag eingeweiht worden.

Proteste in South Carolina nach dem Tod von George Floyd
Reuters/Sam Wolfe
Black-Lives-Matter-Proteste in South Carolina kurz nach der Tötung Floyds

Fall noch nicht beendet

Beendet ist der Fall mit der Verkündung des Strafausmaßes noch nicht. Chauvin kann Berufung einlegen. Neben dem Verfahren in Minnesota wurde gegen ihn auch vor einem Bundesgericht Anklage erhoben. Das US-Justizministerium teilte zur Begründung mit, dem Beschuldigten werde vorgeworfen, Floyd vorsätzlich seiner verfassungsmäßigen Rechte beraubt zu haben.

Zivilrechtlich hatte sich Floyds Familie mit der Stadt Minneapolis auf eine Entschädigungszahlung von 27 Millionen Dollar (23 Mio. Euro) geeinigt. Das ist nach Angaben der Anwälte ein Rekord in einem solchen Fall. Darüber hinaus wurden drei weitere am Einsatz gegen Floyd beteiligte Ex-Polizisten angeklagt. Ihr Verfahren wird aber erst im März kommenden Jahres starten. Ihnen wird Beihilfe zur Last gelegt. Auch ihnen drohen mehrjährige Haftstrafen.