Luftaufnahme eines Rapsfeldes
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EU-Agrarreform steht

Mehr Geld für Klimaschutz geplant

Die EU-Staaten und das Europaparlament haben sich nach jahrelangem zähen Streit über die Reform der milliardenschweren europäischen Agrarpolitik auf einen Kompromiss geeinigt. Künftig sollen mehr Mittel des 270 Milliarden Euro umfassenden Budgets in Umwelt- und Klimaschutz investiert werden, so der Vorsitzende des Agrarausschusses, Norbert Lins (CDU), am Freitag.

Die Einigung über die EU-Agrarpolitik für die Jahre 2023 bis 2027 muss nun noch formell von EU-Rat und EU-Parlament bestätigt werden. In einem nächsten Schritt müssen die EU-Länder ihre nationalen Pläne für die Umsetzung der Reform bei der EU-Kommission einreichen. Österreich will seinen Plan bis Jahresende fertigstellen. Für die Jahre 2021 bis 2027 haben die EU-Staaten rund 387 Milliarden Euro zur Unterstützung der Landwirtschaft vorgesehen.

Geeinigt haben sich EU-Länder und -Parlament darauf, dass künftig ein bestimmter Teil der Agrargelder in Ökoregelungen – also Gelder, die an Umweltauflagen geknüpft sein sollen – fließen soll. Wie diese konkret aussehen, steht aber noch nicht abschließend fest. Konkret werden es bis zu 25 Prozent der Direktzahlungen, wobei einige Ausnahmen diesen Anteil de facto drücken können.

Lins: Mehr Geld für kleine Betriebe

Das Parlament war in diesem Punkt mit einem deutlich größeren Anteil von 30 Prozent in die Verhandlungen gestartet, während die EU-Länder zwischenzeitlich weniger als 20 Prozent durchsetzen wollten. Zudem betonte Lins, es gebe erstmals eine verpflichtende Umverteilung der Direktzahlungen, um gezielt Bäuerinnen und Bauern mit kleineren Höfen zu unterstützen.

Vorsitzende des EU-Agrarausschusses, Norbert Lins
APA/AFP/Kenzo Tribouillard
Der CDU-Mann Lins musste als Chefverhandler des Parlaments viele verschiedene Positionen unter einen Hut bringen

Die EU-Kommission hatte bereits 2018 einen Vorschlag über die Reform veröffentlicht. Damals war vorgesehen, dass diese bereits für die Jahre 2021 bis 2027 greifen soll. Da sich die verschiedenen Institutionen aber nicht schnell genug einigen konnten, gilt für 2021 und 2022 eine Übergangsphase und es wird sich – Stand jetzt – frühestens ab 2023 etwas ändern.

Größter Posten im EU-Budget

Die Agrargelder sind der größte Posten im EU-Budget, und die Landwirtschaft ist für einen großen Teil der EU-Treibhausgasemissionen verantwortlich. Jüngst hatte der Europäische Rechnungshof diese mit zehn Prozent beziffert und kritisiert, sie seien seit 2010 nicht gesunken.

Die bisherige Geldverteilung wird für das Höfesterben und für Umweltbelastungen durch die Landwirtschaft mitverantwortlich gemacht. Unter anderem wird kritisiert, dass bisher der Löwenanteil der EU-Zahlungen an Flächen der Landwirte gekoppelt ist. Dadurch gehen rund 80 Prozent der Fördermittel an ungefähr 20 Prozent der Betriebe.

Köstinger begrüßt Einigung

Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) zeigte sich zufrieden. Sie verteidigte die Einigung: Sie sei „ein Öko-Meilenstein und bringt die europäische Agrarpolitik auf den Weg der nachhaltigen Landwirtschaft“. Künftig würden mehr als 72 Milliarden Euro für die ganze Laufzeit bei den Direktzahlungen für Klima- und Umweltleistungen zweckgewidmet.

Grüne zerreißen Einigung in der Luft

Der österreichische Grünen-EU-Abgeordnete Thomas Waitz kritisierte hingegen, dass die Kompromisse weit hinter den Ankündigungen des Grünen Deals zurückbleiben würden. Die Ökomaßnahmen von 25 Prozent, mit einer einjährigen Lernphase von 20 Prozent, seien unzureichend und könnten weiter verwässert werden. Auch eine Deckelung der Flächenprämien werde es weiter nicht geben.

Die EU-Grünen kündigten bereits an, eine Mehrheit im Parlament gegen den Deal zu organisieren – ein Gelingen gilt aber als fraglich. Auch der SPÖ-EU-Abgeordnete Günther Sidl ließ kein gutes Haar an der Einigung und sprach von einer „Enttäuschung auf ganzer Linie“.

Umweltschutzeffekt noch offen

Inwieweit die neuen Regelungen effektiv der Natur zugutekommen, muss sich erst zeigen. Der EU-Rechnungshof hatte kritisiert, dass in den vergangenen Jahren selbst 100 Milliarden Euro aus dem EU-Agrarbudget, die explizit dem Klimaschutz zugutekommen sollten, ihre Wirkung verfehlt hatten. Doch es geht nicht nur um Emissionen, auch die Artenvielfalt sehen Umweltschützer durch den Einsatz von Schädlingsbekämpfern und Monokulturen bedroht.

Naturschützerinnen und Naturschützer kritisieren schon lange, dass die Reform hinter ihren hohen Umweltzielen zurückbleiben wird, und sehen sich bestätigt. Fridays for Future fordert schon länger, die Reform in ihrer jetzigen Form wegen mangelnden Nutzens für die Umwelt zurückzuziehen. Greenpeace bezeichnete sie als Greenwashing, also nur scheinbar umweltfreundlich.

Soziale Mindeststandards verschoben

Eine direkte Koppelung der Fördergelder an soziale Mindeststandards gibt es vorerst nicht. Eine Verpflichtung ist laut nunmehrigem Kompromiss erst ab 2025 vorgesehen. Dann müssen Vergehen zudem erst ausjudiziert werden. Arbeits- und Sozialrechtsregelungen in den landwirtschaftlichen Beratungsdiensten für die Betriebe wurden im finalen Kompromiss aufgenommen.

Zwei Milliarden jährlich in Österreich

In Österreich fließen über die Gemeinsame Agrarpolitik dank heimischer Aufzahlungen bisher jährlich rund zwei Mrd. Euro in die Landwirtschaft. 80 Prozent der heimischen Landwirte nehmen am Agrarumweltprogramm teil. Mit der Berücksichtigung des Agrarumweltprogramms bzw. der Klima- und Umweltleistungen in der zweiten Säule bei Ökoregelungen wurde das heimische Agrarsystem laut Landwirtschaftsministerium „abgesichert“. Der Löwenanteil des EU-Agrarbudgets fließt freilich in die erste Säule. Dort sind die Förderungen an die Anbaufläche gekoppelt, wovon große Bauern und Agrarunternehmer überproportional profitieren.