SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner
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SPÖ-Parteitag

Rendi-Wagner schießt sich auf ÖVP ein

Pamela Rendi-Wagner hat sich in ihrer Rede am SPÖ-Parteitag an der ÖVP abgearbeitet und de facto eine Zusammenarbeit mit deren Führung um Sebastian Kurz ausgeschlossen. „Mit mir an der Spitze der Sozialdemokratie wird es keine Regierungskoalition mit dem System Kurz geben“, so Rendi-Wagner am Samstagvormittag vor den rund 600 Delegierten.

Die Abrechnung mit dem „türkisen System“ nahm breiten Raum in der großteils frei vorgetragenen Rede ein. Ein nie da gewesener moralischer Tiefstand sei erreicht worden, so die SPÖ-Chefin in ihrer dreiviertelstündigen Ansprache. Von „zügellosem Treiben“ und „Hochmut“ war die Rede. Justiz, Medien, Kunst und Kultur und katholische Kirche würden von einer „türkisen Führungstruppe“ unter Druck gesetzt, „die eine ehemals staatstragende Partei gekidnappt hat“.

„Wie weit soll dieses zügellose Treiben noch gehen? Wir werden uns diesem Hochmut mit aller Kraft entgegenstellen“, so Rendi-Wagner.
Auch inhaltlich positionierte sich die Parteichefin. „Mehr privat, weniger Staat ist gescheitert.“ Sie warb daher für staatliche Beteiligungen. „Made in Austria“ sollte wieder in den Vordergrund rücken. Auch kürzere Arbeitszeiten stehen weit oben auf Rendi-Wagners aktueller Agenda. Die Massenarbeitslosigkeit sei ein „Skandal für das Land“. Es gebe keinen wirksameren Jobmotor als die Verkürzung der Arbeitszeit, warb sie für die staatlich geförderte Vier-Tage-Woche.

Rendi-Wagner vor Wiederwahl

Die Krisenkosten dürften nicht an den Arbeitenden hängen bleiben, verlangte Rendi-Wagner. Stattdessen müssten die Online-Multis ihren „gerechten Beitrag“ leisten, auch die Millionäre und Milliardäre über Vermögens- und Erbschaftssteuern: „Breite Schultern müssen schwerere Lasten tragen können.“

Rendi-Wagner wird auf dem Parteitag als Vorsitzende wiedergewählt. Zu verteidigen hat die Parteichefin 97,8 Prozent, die sie vor drei Jahren in Wels erreicht hatte. Als Ziel gab Rendi-Wagner jedoch nur jene rund 71 Prozent aus, die sie bei einer Vertrauensfrage an die Basis im Vorjahr bekommen hatte. Motto des Parteitags ist „Sozial.Demokratisch.jetzt.“. Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch betonte dazu in seiner Auftaktrede, dass man die SPÖ gerade jetzt bei der Bekämpfung der Pandemieauswirkungen besonders brauche.

Der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer
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Auch Altbundespräsident Heinz Fischer ist bei dem Parteitag dabei

Künftig nur noch sechs Stellvertreter

Beim Parteitag werden auch die Gremien der Partei verkleinert, die Vorsitzende hat künftig nur noch sechs Stellvertreter, darunter Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser, die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures und die frisch gekürte Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner. Während interne Kritiker wie der niederösterreichische Landeschef Franz Schnabl und Ex-Bundesgeschäftsführer Max Lercher in Präsidium bzw. Vorstand integriert werden, verzichtet der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil auf eine Kandidatur am Parteitag. Er ist bei der Veranstaltung aber anwesend.

Inhaltlich stehen zehn Leitanträge im Mittelpunkt, in denen unter anderem eine Arbeitszeitverkürzung, Reichen- und Erbschaftssteuern sowie die Abschaffung von Selbstbehalten im Gesundheitswesen gefordert werden. Die Anträge gibt es übrigens erstmals nicht in Papierform, sie sind nur auf einer eigens eingerichteten Website Parteitag.spoe.at abrufbar.

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig
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Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig ist auch Gastgeber des Parteitags

Nur eingeschränkt Gäste im Saal

Gastgeber Michael Ludwig rührte gleich zu Beginn die Werbetrommel für Rendi-Wagner. „Was für ein Glück, dass wir dich an der Spitze unserer Bundespartei haben, Pam“, sagte der Wiener Bürgermeister und würdigte, dass sie in der Pandemie mit ruhiger Hand agiert habe. Er habe wegen der Delta-Variante „große Sorgen“. Der Regierung warf der Bürgermeister PR-getriebene Politik und mangelnde Einbindung der rot-regierten Länder vor. Die ÖVP attackierte er wegen der Aktenaffäre rund um den U-Ausschuss und sah eine reale Gefahr für die Demokratie herannahen.

Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky
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Alt-SPÖ-Chef und Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky

Es herrschte am Veranstaltungsort die „3-G-Regel“. Masken durften nur am Sitzplatz abgenommen werden. Gäste waren nur eingeschränkt im Saal zugelassen, darunter neben dem Ehemann der Vorsitzenden Alt-Bundespräsident Heinz Fischer, Ex-Kanzler Franz Vranitzky und zahlreiche ehemalige Minister wie Peter Jankowitsch, Lore Hostasch und Hannes Androsch. Grußbotschaften per Video kamen u. a. von den Ministerpräsidenten Spaniens, Dänemarks, Schwedens und Portugals, Pedro Sanchez, Mette Frederiksen, Stefan Löfven und Antonio Costa.

Rendi-Wagner stellt sich Wiederwahl

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner stellt sich beim SPÖ-Parteitag der Wiederwahl. Konkurrenz für das Amt hat Rendi-Wagner keine.

ÖVP kritisiert „Aggressivität“

„Die heute von der SPÖ während ihres Bundesparteitags zur Schau gestellte Aggressivität ist äußerst bedauerlich und vollinhaltlich abzulehnen“, hieß es in einer Reaktion der ÖVP. Die Zeiten absoluter Mehrheiten seien „längst vorüber, dementsprechend wichtig ist es, Brücken zu bauen, anstatt Brücken mit aller Gewalt einzureißen“, so ÖVP-Generalsekretär Axel Melchior in einer Aussendung. Seitens der Volkspartei sehe man „zurzeit überhaupt keine Notwendigkeit, über allfällige Koalitionsmöglichkeiten in der Zukunft zu spekulieren“.

Fest stehe aber, „als Volkspartei würden wir niemals eine andere Partei als potenziellen Partner ausschließen, da wir der Überzeugung sind, dass es in einer Demokratie notwendig ist, Respekt vor allen demokratisch legitimierten Parteien und deren demokratisch gewählten Vertreterinnen und Vertretern zu haben“. Anderen Parteien „präventiv eine Koalitionsabsage zu erteilen und auf einem sturen Nein zu beharren, wird die Probleme unseres Landes nicht lösen“, so Melchior.

Kampf um den Frauen-Vorsitz

Bis zuletzt offen war, wer als Frauenvorsitzende in die Stellvertreterposition kommen wird. Gabriele Heinisch-Hosek hatte den Vorsitz der Teilorganisation zwölf Jahre inne und wollte mit der 28-jährigen Nationalratsabgeordneten Eva-Maria Holzleitner einen Generationswechsel einleiten. Diese Nachfolgefrage verlief aber nicht ganz friktionsfrei.

SPÖ-Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner
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Holzleitner übernimmt von Vorsitz der Teilorganisation SPÖ Frauen

Beworben hatten sich auch die Wiener Gemeinderätin Mireille Ngosso und – einen Tag vor Fristende – die Chefin der SPÖ-Frauen in Niederösterreich, Elvira Schmidt. Er nehme diese Bewerbung zur Kenntnis, hieß es von SPÖ-NÖ-Chef Schnabl am Freitag im Ö1-Morgenjournal. Er wies zurück, Schmidt bekniet zu haben, gegen Holzleitner anzutreten. Heinisch-Hosek glaubt aber nicht an Querschüsse: „Rendi-Wagner ist konsolidiert.“

Holzleitner gewann am Freitagnachmittag letztlich in einer Stichwahl gegen Ngosso mit 55,21 Prozent. Schmidt war schon in der ersten Runde ausgeschieden. Holzleitner zeigte sich über das Vertrauen „überwältigt und auch total gerührt“. Rendi-Wagner nahm die ungewöhnliche Kandidatur von drei Frauen gelassen: „Das zeichnet uns aus.“ Es zeige, dass viele bereit seien, Verantwortung zu übernehmen.

Filzmaier: SPÖ-Aufschwung durch Schwächen der anderen

Rendi-Wagner habe inzwischen ihre „Führungsrolle stabilisieren“ können, sagte der Politologe Peter Filzmaier im Vorfeld des Parteitags gegenüber ORF.at. Ein Grund dafür sei auch die starke Unterstützung durch den Wiener Bürgermeister Ludwig. Dieser sei an Stabilität interessiert. Für eine Diskussion über Spitzenkandidaten vor der nächsten geplanten Bundeswahl 2024 sei es noch zu früh, analysierte der Politologe.

Personaldiskussionen gibt es daher derzeit nicht. Doskozil fokussiert sich auf das Burgenland. Er verzichtete schon vor einigen Wochen auf eine Mitgliedschaft in allen Bundesgremien – auch nach deutlicher Kritik Rendi-Wagners wegen des früheren Ausscherens des Burgenlandes aus dem im Osten Österreichs verhängten Lockdown im Frühling. Filzmaier: „Doskozil war als mediales Störfeuer nicht mehr kalkulierbar.“

Filzmaier vermisst aber eine „nachhaltige Themensetzung“ etwa beim Thema Arbeitsplätze durch die Partei und nicht nur die Gewerkschaft, unabhängig von den Personen. Der Aufschwung in den Umfragen sei aufgrund der Schwächen der anderen Parteien zustande gekommen – wie etwa Ermittlungen im ÖVP-Umfeld und Führungsdebatten bei der FPÖ.