SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner
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SPÖ-Vorsitz

75 Prozent „Futter“ für Kritiker

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner ist am Samstag beim Parteitag als Vorsitzende bestätigt worden. Das Ergebnis liegt mit 75 Prozent zwar über ihrem im Vorfeld gesteckten Ziel von 71 Prozent. Für Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle könnte das Resultat SPÖ-interne Debatten allerdings langfristig prägen.

Von den 642 Delegierten gaben 589 ihre Stimme ab, davon waren 588 gültig. Zu verteidigen hatte die Parteichefin 97,8 Prozent, die sie vor drei Jahren erreicht hatte. Als Ziel hatte sie selbst jedoch jene rund 71 Prozent ausgegeben, die sie bei einer Vertrauensfrage an die Basis im Vorjahr erhalten hatte. Am Ende wurde Rendi-Wagner mit 75 Prozent wiedergewählt. Sie versprach, „gerade jetzt“ für sozialdemokratische Inhalte und gegen das „System Kurz“ zu kämpfen.

„Ein Viertel ist offenbar skeptisch, ob Rendi-Wagner die geeignete Parteichefin ist“, sagt Stainer-Hämmerle im Gespräch mit ORF.at. Die Politikexpertin zeigt sich etwas erstaunt über das Ergebnis, da sich die SPÖ in den vergangenen Wochen und Monaten „doch geschlossener“ präsentiert habe und „bekannte Kritiker“ in den Hintergrund getreten seien. „Trotz der Geschlossenheit sind die Zweifel offenbar doch noch sehr groß“, so Stainer-Hämmerle.

Mit 75 Prozent liegt Rendi-Wagner unter ihren Vorgängern. Ex-Kanzler und Ex-Parteichef Werner Faymann hatte seinerzeit mit 83,4 Prozent das bisher schlechteste Abstimmungsergebnis ohne Gegenkandidatin bzw. Gegenkandidaten erhalten. In den Delegiertenreihen gab es nur Spekulationen über die 75 Prozent. Vermutet wurde, dass es vor allem aus Niederösterreich und dem Burgenland nicht allzu viel Zustimmung gegeben haben dürfte. Direkte Kritik an der Vorsitzenden war in keiner einzigen Ansprache geübt worden.

„SPÖ-Länder kommen kaum zum Zug“

„Sie hat die Erwartungen selbst runtergeschraubt, indem sie auf die 71 Prozent des Vertrauensvotums hoffte“, sagt Politikwissenschaftlerin Stainer-Hämmerle. Damit könne Rendi-Wagner zwar betonen, dass sie ihr Ziel sogar überschritten habe, aber das Ergebnis sei „Futter“ für parteiinterne Kritikerinnen und Kritiker, so die Expertin, die insbesondere die Frage nach der nächsten Spitzenkandidatin bzw. den nächsten Spitzenkandidaten für die kommende Nationalratswahl meint.

Burgenlands Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil, der niederösterreichische SPÖ-Landesparteichef Franz Schnabl und Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner
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SPÖ-Burgenland-Chef Hans Peter Doskozil war am Parteitag auch dabei

Diese findet zwar erst in gut drei Jahren statt, allerdings hatten einige Chatenthüllungen und erneute Differenzen zwischen ÖVP und Grünen für Spekulationen über eine Neuwahl gesorgt. „Die SPÖ kann keine Neuwahl vom Zaun brechen. Und auch, wenn sie es könnte: Sie würde es nicht tun“, sagt Stainer-Hämmerle. Bis auf Rendi-Wagner wolle den Job derzeit niemand, eine Alternative tue sich nicht auf. „Aber wenn es um die Spitzenkandidatur geht, wird das Ergebnis von Rendi-Wagner wieder auftauchen.“

Dass die SPÖ in Umfragen etwas bessere Werte hat, liege laut der Expertin weniger an der SPÖ als vielmehr an „den Schwächen der anderen Parteien, insbesondere der Regierung“. Dennoch habe Rendi-Wagner in der Pandemie „eine gute Figur gemacht. Aber im richtigen Moment hat sie sich nicht an die vorderste Position gestellt.“ Etwas überrascht hat Stainer-Hämmerle, dass der Parteitag in Wien stattfand und nicht in Oberösterreich, wo die nächste Landtagswahl stattfindet. „Das ist ein Punkt, der immer wieder kritisiert wird: Die SPÖ-Länder kommen kaum zum Zug.“

Rendi-Wagner: Keine Zusammenarbeit mit Kurz-ÖVP

Rendi-Wagner hatte sich in ihrer Rede vor der Wiederwahl an der ÖVP abgearbeitet und de facto eine Zusammenarbeit mit deren Führung um Sebastian Kurz ausgeschlossen. „Mit mir an der Spitze der Sozialdemokratie wird es keine Regierungskoalition mit dem System Kurz geben“, sagte Rendi-Wagner. Die Abrechnung mit dem „türkisen System“ nahm breiten Raum in der großteils frei vorgetragenen Rede ein. Ein nie da gewesener moralischer Tiefstand sei erreicht worden.

Rede der Bundespartei- und Klubvorsitzenden Pamela Rendi-Wagner

Auch inhaltlich positionierte sich die Parteichefin. „Mehr privat, weniger Staat ist gescheitert.“ Sie warb für staatliche Beteiligungen. „Made in Austria“ sollte wieder in den Vordergrund rücken. Auch kürzere Arbeitszeiten stehen weit oben auf Rendi-Wagners Agenda. Die Massenarbeitslosigkeit sei ein „Skandal für das Land“. Es gebe keinen wirksameren Jobmotor als die Verkürzung der Arbeitszeit, warb sie für die staatlich geförderte Viertagewoche.

Die Krisenkosten dürften nicht an den Arbeitenden hängen bleiben, verlangte Rendi-Wagner. Stattdessen müssten die Onlinemultis ihren „gerechten Beitrag“ leisten, auch die Millionäre und Milliardäre über Vermögens- und Erbschaftssteuern: „Breite Schultern müssen schwerere Lasten tragen können.“