Militärschiffe im Schwarzen Meer während der Militärübung Sea Breeze 2020
Reuters/Ukrainian Defence Ministry
Militärmanöver

Ringen um Einfluss am Schwarzen Meer

Wenige Tage nach einem Zwischenfall mit einem britischen Kriegsschiff im Schwarzen Meer läuft dort von Montag an ein internationales Manöver – trotz heftiger Kritik Russlands. Das vor allem von der NATO und der Ukraine geführte Manöver hat Moskau auf den Plan gerufen. Die Region ist eine geopolitisch sensible Einflusszone, in der sich zahlreiche geostrategische Interessen kreuzen.

An der Militärübung „Sea Breeze“ (Meeresbrise), die von den USA und der Ukraine geführt wird, werden sich Tausende Soldaten sowie Dutzende Schiffe und Flugzeuge aus insgesamt 32 Ländern beteiligen. Das Manöver solle etwa zwei Wochen dauern, teilte das US-Militär mit. Nach Angaben der US-Marine ist die diesjährige Übung im Schwarzen Meer, die seit 1997 regelmäßig abgehalten wird, die bisher größte dieser Art. Moskau empfindet das vor eigenem Territorium als Provokation und forderte Washington deshalb auf, darauf zu verzichten.

Kurz nach dem Appell an die USA war es am Mittwoch nahe der von Russland einverleibten ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim zu einem Vorfall gekommen. Nach Angaben aus Moskau drängte die russische Küstenwache den britischen Zerstörer „HMS Defender“ mit Warnschüssen und Bombenabwürfen aus den eigenen Gewässern. Britische Medienberichte stützen diese Angaben teilweise, betonen aber, das Schiff habe Kurs gehalten.

Lenkwaffenzerstörer USS Porter im Schwarzen Meer während der Militärübung Sea Breeze 2020
Reuters/Ukrainian Defence Ministry
Ein Bild zum Auftakt des Manövers im Vorjahr

London: „Harmlose Durchfahrt“

Die Regierung in London hatte hingegen von einer russischen Militärübung gesprochen, die nicht der „Defender“ gegolten habe. Nach Darstellung Moskaus war das britische Kriegsschiff drei Kilometer in russisches Gebiet eingedrungen. Die Briten hatten argumentiert, es habe sich lediglich um eine „harmlose Durchfahrt“ durch ukrainische Gewässer gehandelt. Die Einverleibung der Halbinsel Krim 2014 durch Russland wird international als illegal eingestuft.

Moskau wird nun wohl genau beobachten, wenn bei der Übung „Sea Breeze“ 5.000 Soldaten, 32 Schiffe und 40 Flugzeuge im Schwarzen Meer gemeinsam trainieren. Bereits am Samstag überwachte die russische Marine den US-Zerstörer „USS Ross“, als dieser ins Schwarze Meer einlief, wie die Agentur Interfax unter der Berufung auf das Verteidigungsministerium in Moskau meldete.

US-Marine: „Aggressive Akteure abschrecken"“

Die US-Navy hatte zum Abschluss der Übung im vergangenen Sommer gesagt, das Schwarze Meer sei eine wesentliche Wasserstraße, die für den Seehandel und die Sicherheit in ganz Europa von entscheidender Bedeutung sei. Daher beteiligten sich regelmäßig auch NATO-Staaten jenseits der unmittelbaren Schwarzmeer-Region. Es sei im Interesse der Welt, „eine stabile, wohlhabende Schwarzmeer-Region zu erhalten und aggressive Akteure abzuschrecken, die zu ihrem eigenen Vorteil eine Destabilisierung anstreben“.

Russland hatte sich bereits mit deutlichen Worten an die USA gewandt: „Das Ausmaß und die offensichtlich aggressive Art der militärischen Übungen entsprechen in keiner Weise den tatsächlichen Sicherheitsbedürfnissen in der Schwarzmeer-Region“, hieß es. Die Sprecherin von Außenminister Sergej Lawrow, Maria Sacharowa, nannte die Übung eine Provokation, die auch zum Ziel habe, Waffen und militärische Ausrüstung in die Ukraine zu bringen.

Grafik zeigt Informationen zum NATO-Manöver im Schwarzen Meer
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Wenige Monate nach Einmarschsorgen

Zwischen Moskau und dem Westen ist der Ton ohnehin seit dem Frühjahr noch einmal schärfer geworden. Im April hatten russische und ukrainische Truppenaufmärsche entlang des Konfliktgebiets Ostukraine Sorge ausgelöst, dass der seit Jahren andauernde Konflikt zwischen Russland und der Ukraine erneut eskalieren könnte.

Seit etwa sieben Jahren werden Teile der ostukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk entlang der russischen Grenze von moskautreuen Aufständischen kontrolliert. Nach UNO-Schätzungen sind seit Ausbruch des Konflikts 2014 mehr als 13.000 Menschen getötet worden. Ein 2015 vereinbarter Friedensplan unter deutscher und französischer Beteiligung liegt auf Eis.