Generaldirektorin für öffentliche Gesundheit Katharina Reich
ORF
„Österreich keine Insel“

Impfkoordinatorin mahnt zu Vorsicht

Impfkoordinatorin Katharina Reich hat sich am Dienstagabend in der ZIB2 gegen ein komplettes Aus für die Masken ausgesprochen. Den nahenden Öffnungen sieht sie aber gelassen entgegen – man sei gerüstet.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte eine solche weitere Lockerung vor gut einer Woche in Aussicht gestellt, sofern sich die Situation weiterhin gut entwickelt. „Ich sage es ganz offen, ich bin nicht für ein Ende der Maskenpflicht“, sagte Reich im ORF.

Die Maske sei einfach und billig, die Bevölkerung sei gut daran gewöhnt. Gleichzeitig betonte Reich, sie verstehe, dass man nun ab 1. Juli in fast allen Bereichen von der FFP2-Maske auf den Mund-Nasen-Schutz (MNS) wechseln könne. Die Impfkoordinatorin verwies auf die hohen Temperaturen, die das Tragen der FFP2-Masken schwieriger machen würden.

Gesundheitsexpertin über Impfmüdigkeit

Rund 80 Prozent der Österreicher müssten sich impfen lassen, damit der Delta-Variante entgegengewirkt werden kann, so Katharina Reich (Generaldirektorin für öffentliche Gesundheit). Sie nimmt im Interview dazu Stellung, weshalb das Interesse an Impfungen hierzulande abflaut und warum sie eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen empfehlen würde.

Österreich „keine Insel“

Wenn die Infektionszahlen niedrig und die Temperaturen hoch sind, dann sei der MNS eine „gute Methode“. Aber ganz ohne Mund-Nasen-Schutz in kritischen Bereichen – wie etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln oder im Handel – ist für Reich derzeit „nicht der richtige Zeitpunkt“.

„Die Pandemie ist dann vorbei, wenn sie für die Welt vorbei ist“, sagte sie. „Das wird nicht Ende Juni der Fall sein.“ Auch verwies sie auf die Mobilität: Österreich sei „keine Insel“.

Die ab 1. Juli in Kraft tretenden umfangreichen Öffnungen – etwa das Aufsperren der Nachtgastronomie oder das Wegfallen der Maskenpflicht in zahlreichen Bereichen – verteidigte sie: Es gehe darum, jetzt, wo die Infektionszahlen gut sind, „Dinge“ zu ermöglichen. „Jetzt sind die Jungen dran“, wiederholte sie ein Zitat von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne). Man sei auch „gerüstet“ und könne auch gegen die Delta-Variante einiges tun. Es sei besser, Feiern im kontrollierten Setting zuzulassen, als dass dies ohne Übersicht im privaten Bereich passiere.

Ja zu berufsspezifischer Impfpflicht

Ein klares Ja kam von Reich für eine Impfpflicht in bestimmten Berufssparten: Zwar sei das Sache der Länder, aber es bestehe diesbezüglich eine Empfehlung des Gesundheitsministeriums für Hochrisikoberufe.

Angesprochen auf die schwindende Impfwilligkeit der Bevölkerung, stellte Reich mögliche Anreizsysteme in Aussicht, ohne allerdings konkret zu werden. Man werde aber versuchen, mit der „Impfung mobil zu werden“: So überlege man etwa, mit Impfbussen „alle Winkel Österreichs“ zu erreichen. „Ja, wir denken über ganz viele Methoden nach, vor allem jetzt diejenigen anzusprechen, die auch am längsten warten mussten, mit all den Dingen, die jetzt kommen mit der Öffnung.“

Impfstoffmischung steht infrage

Gefragt, wie viele Personen bis zum Herbst geimpft werden müssten, um gegen die Delta-Variante erfolgreich sein zu können, sagte Reich: „Am liebsten sind uns 80 Prozent“ – oder mehr. Derzeit haben in Österreich etwas mehr als 50 Prozent den Erststich erhalten; 32,7 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen waren Anfang dieser Woche bereits vollimmunisiert.

Angesprochen auf eine neue Studie, wonach eine Erstimpfung mit AstraZeneca und eine Zweitimpfung mit Biontech/Pfizer zu der Bildung von neunmal so vielen Antikörpern führen könnte, sagte Reich: „Das ist ein sogenannter Off-Label-Use. Das heißt, sie ist in (…) in der Gebrauchsanweisung nicht prinzipiell vorgesehen.“ Zumal diese „sehr, sehr hohe Nebenwirkungen“ haben könnte – derzeit sei die Empfehlung des nationalen Impfgremiums die homologe, das heißt, die normale Impfung aufrechtzuerhalten.