500-Euro-Geldscheine
ORF.at/Günther Rosenberger
Kritik nach Einigung

Globale Mindeststeuer für viele zu dürftig

130 Länder haben sich am Donnerstag auf eine Mindeststeuer für Großkonzerne verständigt. Sie soll nach OECD-Angaben bei „mindestens 15 Prozent“ liegen und sicherstellen, dass große multinationale Unternehmen dort Steuern zahlen, wo sie tätig sind und ihre Gewinne erzielen. Doch es gibt Widerstand in einigen Staaten – und Kritik, dass der Durchbruch in den Verhandlungen nicht ausreiche.

Seit fast zehn Jahren wurde über das Projekt unter dem Dach der Industriestaatenorganisation OECD verhandelt, zuletzt von 139 Ländern, die zusammen für über 90 Prozent der Weltwirtschaft stehen. Neun Staaten machen zunächst aber nicht mit, darunter aus Europa Irland, Ungarn und Estland.

Der irische Finanzminister Paschal Donohoe sagte jedoch, er hoffe noch auf eine Lösung, die das Niedrigsteuerland unterstützen könne. Irland hat einen Mindeststeuersatz von 12,5 Prozent und damit die europäischen Niederlassungen von US-Technologiekonzernen wie Facebook, Google und Apple angelockt. Zuletzt hatte es außerdem Berichte über mögliche Ausnahmen für den Finanzplatz London gegeben.

Die Finanzminister der 20 größten Industrie- und Schwellenländer (G-20), die alle mit an Bord sind, werden kommende Woche in Venedig über das Thema beraten. Die Umsetzung einer weltweiten Mindestbesteuerung für große Unternehmen dürfte letztlich ein langwieriges Unterfangen werden. Gelten sollen die neuen Regeln ab 2023, was als ambitioniert und noch nicht gesichert gilt.

Steuerschwelle weit unter Schnitt

Während offiziell von einem historischen Durchbruch gesprochen wird, bemängeln Kritikerinnen und Kritiker, dass die Einigung mit vielen Ausnahmen erkauft worden und die niedrige Schwelle von 15 Prozent nicht ausreichend sei. Die Ökonomen Gabriel Zucman und Thomas Piketty etwa verwiesen darauf, dass die durchschnittliche Körperschaftssteuer weltweit von 50 Prozent im Jahr 1985 auf heute 22 Prozent gesunken sei.

Auch Entwicklungshilfeorganisationen wie Oxfam International kritisieren, dass die geplante weltweite Mindeststeuer den niedrigen Steuersätzen in Steueroasen wie Irland, der Schweiz und Singapur zu ähnlich sei. Die Organisation International Tax Justice Network, die sich für Steuergerechtigkeit einsetzt, hält die Pläne zudem für unfair: Nur die reicheren Länder würden bei dieser Regelung davon profitieren. Ein Steuersatz von weniger als 25 Prozent bedeute, den Wettlauf nach unten am Leben zu erhalten.

ATTAC: Nur reiche Länder profitieren

Selbiges hieß es am Freitag von dem globalisierungskritischen Netzwerk ATTAC: Der geplante Mindeststeuersatz sei viel zu niedrig und berge die Gefahr, dass das globale Steuerdumping fortgesetzt werde. Dadurch, dass die zusätzlichen Einnahmen der Mindeststeuer an die Konzernsitzländer, also die reichsten Staaten, fallen sollen, würden ärmere Länder fast leer ausgehen. ATTAC fordert, dass die zusätzlichen Einnahmen der Mindeststeuer an jene Länder gehen, in denen die Gewinne tatsächlich erwirtschaftet werden.

Eigentliches Ziel der Reform ist es, die Steuerregeln an das Digitalzeitalter anzupassen. Global agierende Konzerne verlegen seit Jahrzehnten Gewinne geschickt in Länder, die mit immer niedrigeren Steuersätzen locken – und zahlen am Ende vergleichsweise geringe Steuern. Vor allem Technologiekonzerne verlagern besonders häufig Gewinne aus Patenten, Software und Lizenzeinnahmen, die auf geistigem Eigentum basieren.

Einigung auf Mindeststeuer

Weltweit tätige Konzerne müssen sich auf eine höhere Besteuerung einstellen. 130 Länder haben am Donnerstag eine umfassende Steuerreform beschlossen. Diese enthält eine globale Mindeststeuer von 15 Prozent. Ein kolossaler Schritt für mehr Steuergerechtigkeit sei das, sagte etwa der deutsche Finanzminister Olaf Scholz. Auch sein österreichischer Amtskollege Gernot Blümel (ÖVP) zeigte sich hocherfreut.

OECD rechnet mit 150 Mrd. Dollar Mehreinnahmen

Die geplante Mindeststeuer soll Steuerdumping vermeiden und richtet sich vor allem gegen Steueroasen. Laut OECD dürfte es dadurch Mehreinnahmen von rund 150 Milliarden Dollar pro Jahr geben. Zur Kasse gebeten werden Firmen ab einem Jahresumsatz von 750 Millionen Euro. Experten zufolge betrifft das weltweit 7.000 bis 8.000 Konzerne.

In der anderen Säule der Reform sollen die Marktstaaten bessergestellt werden, wo Konzerne wie Amazon, Apple und Facebook viel Geschäft machen, aber kaum Steuern zahlen. Diese sollen zusätzlich mehr als 100 Milliarden Dollar lukrieren. „Es soll sicherstellen, dass große multinationale Unternehmen dort Steuern zahlen, wo sie tätig sind und ihre Gewinne erzielen“, so die OECD. „Zudem sorgt es für dringend notwendige Sicherheit und Stabilität im internationalen Steuersystem.“ In dieser Säule werden rund 100 Konzerne mit einem Jahresumsatz von mehr als 20 Milliarden Euro und einer Profitabilität von über zehn Prozent ins Visier genommen.

Monetäre Erwartungen wohl zu hoch gegriffen

Für die Europäische Union geht die EU-Steuerbeobachtungsstelle von fast 50 Milliarden Euro zusätzlich aus. Für Österreich schätzt Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) das zusätzliche Steueraufkommen auf 600 bis 700 Mio. Euro jährlich – die von der EU-Kommission angegeben drei Mrd. für Österreich hält er für zu hoch. Für Deutschland geht die EU von 5,7 Mrd. aus, manche Fachleute sogar von zehn bis 20 Mrd.

Nur zu einem Bruchteil davon kommt die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte, wie der „Spiegel“ online berichtete. Alle Maßnahmen zusammengerechnet würden die Reformen höchstens 700 Millionen Euro zusätzlich in die deutsche Staatskasse spülen. „Gemessen an dem Compliance-Aufwand, der auf die Unternehmen zukommt, werden die deutschen Steuermehreinnahmen überschaubar sein“, wurde Björn Heidecke, Steuerexperte bei Deloitte Deutschland, zitiert. In den meisten anderen Industriestaaten werde das Ergebnis ähnlich ausfallen.