Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP)
APA/Helmut Fohringer
Asylrecht

Zadic gegen, Nehammer für Verschärfungen

Der Fall einer 13-Jährigen, die mutmaßlich von mehreren Afghanen missbraucht und getötet worden ist, sorgt in der türkis-grünen Regierung für Dissens. Während Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) Änderungen der internationalen Bestimmungen fordert, sieht Justizministerin Alma Zadic (Grüne) keinen Anlass für Verschärfungen der Gesetze.

„Das Asylrecht wurde in den letzten Jahren bereits mehrfach verschärft. Unsere Gesetze bieten genügend Möglichkeiten, man muss sie aber auch konsequent anwenden“, sagte Zadic in der „Kronen Zeitung“ (Sonntag-Ausgabe). Und sie deutete mehrmals an, dass das Innenministerium die Möglichkeit gehabt hätte, „die aufschiebende Wirkung“ der Beschwerden der vorbestraften Afghanen gegen ihre Abschiebung aufzuheben.

Das Innenministerium beschwerte sich zuletzt darüber, dass man zwei der Verdächtigen trotz Vorstrafen nicht habe abschieben können, weil das Bundesverwaltungsgericht jahrelang nicht über deren Beschwerde gegen die Abschiebung entschieden habe.

Zadic: Schuld nicht hin- und herschieben

Man solle jetzt nicht die Schuld hin- und herschieben, antwortete Zadic in der „Krone“ auf diese Vorwürfe. „Es ist wichtig, den Fall jetzt rasch aufzuklären. Und alles zu tun, damit so etwas in Zukunft nicht mehr passieren kann. Ich habe in meinem Bereich beauftragt zu schauen, wo man Verbesserungen vornehmen kann. Aber auch das Innenministerium muss prüfen, wie in Zukunft Fehler vermieden werden können. Jeder muss in seinem Zuständigkeitsbereich Handlungen setzen.“

Sie habe mit dem Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts gesprochen, der diesen Fall sofort geprüft habe. Bei ihrem Amtsantritt habe es „einen Rückstau von 33.000 Beschwerdeverfahren“ gegeben. „Diese Zahl konnten wir immerhin auf 18.500 senken, also knapp die Hälfte“, sagte Zadic der „Krone“.

Im konkreten Fall hätte das Bundesamt für Fremdenrecht und Asyl (BFA) im Innenministerium selbst die Möglichkeit gehabt, dieses Verfahren mit Fristsetzungsanträgen zu beschleunigen, sagte die Justizministerin. „Es führt ja auch die Abschiebungen durch. Man hätte dort bei einer Gefährdung für die öffentliche Sicherheit oder öffentliche Ordnung die aufschiebende Wirkung aberkennen können.“

BFA weist Zadic-Aussagen zurück

Das BFA wies die Darstellung als falsch zurück. Eine aufschiebende Wirkung könne nur „gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz“ erfolgen. Ein solcher Fall liege hier allerdings nicht vor. Hier gehe es um eine Aberkennung eines bereits erteilten Schutzstaus aufgrund von Straffälligkeit, also ein Aberkennungsverfahren und nicht um ein Zuerkennungsverfahren, erklärte das BFA in einer Aussendung.

Auch die Behauptung, das BFA hätte die Gerichtsentscheidung über die Beschwerde gegen die Abschiebung beschleunigen können, wies das Amt zurück. Das Bundesverwaltungsgericht wäre gesetzlich grundsätzlich zu einer Entscheidung binnen drei Monaten verpflichtet gewesen, ein Fristsetzungsantrag sei daher eigentlich nicht notwendig. Das Gericht sei über die Straffälligkeit informiert gewesen.

Nehammer: EU-Asylsystem „falsch aufgesetzt“

Innenminister Nehammer übte seinerseits im Interview mit der Tageszeitung „Österreich“ (Sonntag-Ausgabe) Kritik am bestehenden Asylsystem: „Das EU-Asylsystem ist völlig falsch aufgesetzt. Die Genfer Flüchtlingskonvention und ihr ursprünglicher Gedanke wird lange nicht mehr gelebt. Denn die Flüchtlingskonvention besagt, dass Menschen Schutz vor Verfolgung bekommen sollen im nächstgelegenen sicheren Land, und nicht, dass sich ein Asylwerber das Land, in dem er leben will, aussuchen kann. Das ist ein grundlegender Fehler unserer EU-Gesetze, die uns dazu zwingen, jeden Asylwerber ins Land zu lassen, egal woher er kommt.“

Das EU-Recht blockiere Abschiebungen, bevor das Gericht entschieden habe. „Wir sind gezwungen, die Entscheidungen abzuwarten, obwohl es sich um Straftäter handelt.“ Nehammer will sich nun für Änderungen der Asylgesetze auf EU-Ebene einsetzen: „Das EU-Asylsystem kann so nicht funktionieren. Straffällige müssen sofort außer Landes gebracht werden können – sie haben unser Gastrecht missbraucht und hier nichts verloren.“

Nehammer gegen Abschiebestopp nach Afghanistan

Scharf in die Kritik nimmt der Innenminister beim Thema Asyl auch den grünen Koalitionspartner: „Die Grünen und die SPÖ haben vor Kurzem noch einen Abschiebestopp nach Afghanistan gefordert. Das wird es mit mir sicher nicht geben.“ Auf die Frage, ob Abschiebungen auch nach Syrien möglich sein sollen, sagt Nehammer: „Wir prüfen das permanent.“

Zadic hatte Mitte Juni am Rande einer Pressekonferenz eine Kritik an der Abschiebepraxis Österreichs nach Afghanistan geübt und eine Evaluierung verlangt. Dabei sollten jedenfalls die entsprechenden Stellungnahmen des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) eine wichtige Rolle spielen, so Zadic.

Nehammer erklärte damals gegenüber ORF.at, er lehne es ab, Abschiebungen nach Afghanistan auszusetzen: „Österreich wird nach wie vor sowohl freiwillige als auch zwangsweise Rückführungen nach Afghanistan durchführen“, so Nehammer. Rund 40 Prozent der abgeschobenen Afghanen wurden laut Nehammer in Österreich straffällig – „das zeigt, wie wichtig ein konsequentes Vorgehen ist“.

FPÖ ortet Versagen der Regierung

Die FPÖ warf in dem Fall der Bundesregierung und den Behörden Versagen vor. „Dieser sehr traurige Fall zeigt immer mehr, dass die Regierung nichts getan hat, um unsere Bevölkerung vor kriminellen Migranten zu schützen“, sagte FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz in einer Aussendung. Er forderte Verschärfungen im Asyl- und Fremdenrecht, „insbesondere was die leichtere Beendigung von Asylverfahren krimineller Asylwerber und die Asylaberkennungsverfahren betrifft“.