Polizeikräfte stehen neben halb verschütteten Bus
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Schlammlawine in Japan

Schwierige Suche nach Vermissten

Eine gewaltige Schlammlawine infolge sintflutartiger Regenfälle hat in Japan am Wochenende mindestens drei Menschenleben gefordert und enorme Verwüstungen angerichtet. Die Bilder aus dem für seine heißen Thermalbäder bekannten Küstenort Atami in der Präfektur Shizuoka erinnerten an Szenen der Tsunami-Katastrophe 2011.

Dutzende wurden am Montag weiterhin vermisst. Das Schicksal von 80 Menschen sei noch ungeklärt, sagte ein Sprecher des Katastrophenschutzes am Montag. Zuvor hatten die Helfer ein drittes Todesopfer geborgen. Die Einsatzkräfte suchten unter den Schlamm- und Geröllmassen weiter nach Überlebenden. Soldaten und andere Rettungskräfte durchsuchten die Erdmassen mit Stöcken. Auch Bagger und Spürhunde kamen zum Einsatz. „Sie tun ihr Bestes, um möglichst viele Menschen möglichst bald zu retten“, sagte Regierungschef Yoshihide Suga.

Zunächst war von rund 20 Vermissten die Rede gewesen. Am Montag teilten die Behörden dann mit, das Schicksal von 113 Menschen, die sich während des Erdrutsches am Unglücksort aufgehalten haben sollen, sei ungeklärt. Diese Zahl habe sich nun auf derzeit 80 reduziert, sagte der Sprecher des städtischen Katastrophenschutzes, Hiroki Onuma. Es werde mit Hochdruck daran gearbeitet, die Angaben weiter zu präzisieren.

Mann neben von Erdrutsch zerstörtem Auto
APA/AFP/JIJI PRESS
Die Aufräumarbeiten gestalten sich schwierig – im Bild ein durch die Schlammmassen mitgerissenes Auto

Erdmassen kamen in mehreren Schüben

Die Schlammlawine war am Samstag mit donnerndem Getöse einen Bergabhang hinabgerauscht und hatte alles niedergewalzt, was ihr in den Weg kam: Strommasten, Autos, ganze Wohngebäude, die wie Kartenhäuser einstürzten. Straßen versanken im Morast. „Die Erde rutschte bis zur Vorderseite des Geschäfts. Es klang wie ein Bagger, der ein Haus zertrümmert“, erzählte der Mitarbeiter eines Glasstudios in Atami japanischen Reportern. Davor geparkte Autos seien weggespült worden.

Die Lawine erreichte laut Expertinnen und Experten eine Geschwindigkeit von etwa 40 km/h. Sie erstreckte sich über eine Länge von rund zwei Kilometern bis nahe an die Küste. Laut Augenzeugen rutschten die Erd- und Sandmassen in mehreren Schüben den Abhang herab. Rund 130 Häuser wurden zerstört. Der Gouverneur der Präfektur Shizuoka, Heita Kawakatsu, kündigte eine Untersuchung an, um herauszufinden, ob möglicherweise Waldrodungen für Bauprojekte dazu geführt haben, dass der Boden der Berghänge erosionsgefährdet war.

Nach Angaben der Präfekturverwaltung ergossen sich rund 100.000 Kubikmeter Erde in einen nahen Fluss. Dieser ist normalerweise nur zwei Meter breit, schwoll durch die gigantischen Erdmassen jedoch nach Aussagen eines Augenzeugen auf mehrere Dutzend Meter Breite an.

Warnung vor weiteren Erdrutschen

Rund 1.000 Rettungskräfte, darunter auch Angehörige des Militärs, setzten am Sonntag die Suche nach den Vermissten unter Trümmerbergen und Schlammmassen fieberhaft fort. Angesichts der aufgeweichten Böden warnten die Behörden auch in anderen Gebieten vor weiteren Erdrutschen und Überschwemmungen, zumal auch in den nächsten Tagen Regenfälle erwartet werden.

Rettungskräfte suchen in Schlammmassen
APA/AFP/Charly Triballeau
Die Suche nach Vermissten läuft, während vor weiteren Erdrutschen gewarnt wurde

Die Behörden gaben für Atami die höchste Warnstufe aus und riefen zwischenzeitlich 25.000 Haushalte auf, sich in Sicherheit zu bringen. Auch an anderen Orten entlang der Pazifikküste des Landes wurden Bewohner unterdessen gewarnt, sich vor anschwellenden Flüssen, Überflutungen und möglichen Erdrutschen in Sicherheit zu bringen. Die heftigen Niederschläge führten auch zu Unterbrechungen im Bahnverkehr. Der Betrieb von Shinkansen-Hochgeschwindigkeitszügen zwischen Tokio und Shin-Osaka fiel am Wochenende für kurze Zeit aus.

Im Zuge der globalen Klimaerwärmung verzeichnet Japan zunehmend starke Regenfälle, wodurch es auch öfter zu Erdrutschen kommt. In den zurückliegenden zehn Jahren gingen nach amtlichen Angaben jährlich im Schnitt fast 1.500 Erdrutsche in dem bergigen Inselreich ab – fast doppelt so viele wie in den zehn Jahren zuvor.