„Die Regierung hat die Pandemiebekämpfung nicht wirklich ernst genommen“, hieß es von der SPÖ-Fraktionsvorsitzenden Karin Greiner in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit FPÖ-Fraktionsführer Wolfgang Zanger und seinem NEOS-Kollegen Douglas Hoyos. Zanger bezeichnete die ÖVP als „Corona-Korruptionspartei“ und wertete das Vorgehen der türkisen Regierungsmitglieder als „arrogant, präpotent und abgehoben“.
Die Regierung habe viel Geld für PR ausgegeben, Geld, das man für die Gesundheit hätte ausgeben können, sagte Hoyos. Er hob die erfolgreiche Kontrollarbeit des Unterausschusses hervor. Ziel sei es gewesen, aus dieser Krise zu lernen. Lediglich die ÖVP sei daran nicht interessiert gewesen. Fraktionsvorsitzender Andreas Hanger sei mit seinem „Geschwurbel“ einzig darauf aus gewesen, das „Establishment der Türkisen“ zu schützen.
Bundes-Beschaffungen: Oppositionskritik, ÖVP verteidigt Vorgehen
Die drei Oppositionsfraktionen SPÖ, FPÖ und NEOS haben dem Rechnungshofausschuss des Nationalrats am Montag ihren Minderheitsbericht zum „kleinen U-Ausschuss“ zu den Beschaffungen des Bundes während der Pandemie vorgelegt. Das Urteil darin fällt harsch aus, vor allem was den Kauf der Impfstoffe betrifft. Die ÖVP weist das Fazit der Opposition zurück und spricht von „Skandalisierung“.
Hanger: „Einwandfrei und professionell“ gelaufen
Auch ÖVP-Fraktionsführer Hanger reagierte bei einer eigenen Pressekonferenz: Der Unterausschuss habe „einwandfreie und professionelle Corona-Beschaffungen“ bestätigt. Wieder einmal habe es sich gezeigt, dass es der Opposition nur um Skandalisierung gehe, meinte Hanger. Überhaupt interessiere sich in Österreich niemand mehr für dieses Thema, so Hanger sinngemäß.

„Spardiktat“ geortet
Der Bericht der Opposition fokussiert unter anderem auf die Impfstoffbeschaffung des Bundes. Die Opposition sieht hier das „Spardiktat“, welches das ÖVP-geführte Finanzministerium dem grünen Gesundheitsressort auferlegt habe, als Kardinalfehler. „Aus den übermittelten Unterlagen geht hervor, dass das Gesundheitsministerium ursprünglich ‚mehr als 200 Mio. Euro‘ festschreiben wollte, sich am Ende das Finanzministerium mit einem Kostendeckel von 200 Mio. Euro durchsetzen konnte – mit immensen gesundheitlichen und finanziellen Schäden für die Bevölkerung und Wirtschaft“, wie es im Bericht heißt.
Die Regierung habe nicht nur deswegen auf 1,5 Mio. Dosen von Johnson & Johnson verzichtet, sich beim teureren Impfstoff von Biontech/Pfizer zurückgehalten und in erster Linie auf den am billigsten angebotenen Impfstoff von AstraZeneca gesetzt. Die Impfstrategie der Bundesländer sei undurchsichtig gewesen, gerade die ältere Bevölkerung habe im Frühjahr 2021 sehnsüchtig auf einen Impftermin gewartet. „Mit mehr Geld hätte man zum frühestmöglichen Zeitpunkt mehr Impfstoff beschaffen können“, so Greiner.
ÖVP: Kein Kostendeckel
Die ÖVP wies zurück, dass es einen Kostendeckel von 200 Mio. Euro gegeben habe – Hanger verwies dabei auf die vergleichsweise hohe Impfquote in Österreich im Vergleich mit anderen Ländern. Man habe die 200 Mio. Euro reingeschrieben, doch sei klar gewesen: „Wenn im Gesundheitsministerium jemand die Hand gehoben hätte und gesagt hätte, man braucht mehr Geld, dann hätte es dieses Geld auch gegeben“, so Hanger. „Alles andere wäre ja absurd.“

„Versprochene Ziele mehrmals nach hinten verschoben“
„Die von Bundeskanzler (Sebastian, Anm.) Kurz versprochenen Ziele mussten bereits mehrmals nach hinten verschoben werden. Um vom eigenen Versagen abzulenken, erklärte BK (Bundeskanzler, Anm.) Kurz den Beamten Clemens Martin Auer aus dem Gesundheitsministerium für ‚hauptschuldig‘, dabei hat Kurz das Thema Impfen selbst zur Chefsache erklärt“, so die Oppositionssicht.
„Um die zerstrittene Koalition offenbar nicht weiter zu gefährden, hat der damalige BM (Bundesminister; Rudolf, Anm.) Anschober diesem die Agenden fürs Impfen entzogen. Dabei ist es höchst unglaubwürdig, dass weder Bundesminister Anschober noch Bundeskanzler Kurz von alldem nichts wussten und ein Beamter im Alleingang Österreich in dieses Chaos gestürzt hat.“
„Nebelgranaten wie Sputnik“
Dann seien noch „Nebelgranaten wie Sputnik“ gezündet worden: „Keine einzige Dosis wurde bis dato geliefert. Vom russischen Impfstoff fehlt also nicht nur jede Spur – es kennt auch niemand – zumindest im Gesundheitsministerium und im BKA (Bundeskanzleramt, Anm.) auch nur einen Vertragsentwurf zur Lieferung von Sputnik.“
Fazit: „Die Ankündigung, man stehe in Sachen Sputnik im April 2021 kurz vor den ersten Lieferungen, kommt also einer groß angelegten Lüge nahe.“ Die ÖVP dazu sinngemäß: In Zeiten der Impfstoffknappheit habe man sich alle Optionen offenhalten müssen. „Es war richtig und gut, die Option zu prüfen“, so Hanger.
Kritik an Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz
Kritik übt die Ausschussminderheit auch an Intransparenz in der Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz, etwa was den Kauf von Schutzmasken und Schutzausrüstung betrifft, aber auch bei der Arbeit im Krisenstab oder bei den Projekten „Schau auf dich, schau auf mich“ bzw. „Österreich impft“ und der „Corona-App“. Die ÖVP wies die Darstellung zurück, alle vergaberechtlichen Vorgaben seien eingehalten worden, wie Hanger bei seiner Pressekonferenz sagte.
Zudem hinterfragt die Opposition die Rolle der Bundesbeschaffungs GmbH (BBG), etwa bei der „fragwürdigen Auftragsvergabe für Massentestungen“. Ob der Ausnahmetatbestand der „Dringlichkeit“ auch noch im Herbst und Winter 2020 gegeben war, ist aus Sicht der Opposition zu hinterfragen.
Kritik an mangelnder Transparenz bei Massentests
Bei den Massentestungen fehle es ebenfalls an Transparenz. „Die Bürgerinnen und Bürger sollten ein Recht darauf haben, den Entscheidungsfindungsprozess der Bundesregierung hinsichtlich eines mit Steuergeld finanzierten Großauftrages im Wert von rund 67 Mio. Euro gegebenenfalls im Detail nachvollziehen zu können“, so die Forderung der Opposition.
Bezüglich Hygiene Austria schreiben SPÖ, FPÖ und NEOS vom „fragwürdigen Wunsch nach einem heimischen Hersteller“ inmitten einer globalen Gesundheitskrise. Von wem genau dieser ausgegangen sei, bleibe unklar. SPÖ-Fraktionsführerin Greiner ortete eine „auffallende persönliche Nähe des Bundeskanzleramts zur Hygiene Austria“, Verhandlungen seien „wochenlang exklusiv geführt“ worden.
„In jedem Fall wurde im Zuge des Ausschusses ersichtlich, dass die Republik rund neun Millionen Euro an Steuergeld einsparen konnte, nachdem die inoffizielle Vorgabe, einen heimischen Hersteller zu beauftragen, fallen gelassen worden war und das BMSGPK (Gesundheitsministerium, Anm.) die Auftragsvergabe für rund die 18 Mio. FFP2-Schutzmasken der ‚Aktion 65+‘ doch ausschreiben ließ.“
Wahrheitspflicht gefordert
In der Pressekonferenz pochten die drei Fraktionsführerinnen und -führer der Opposition unisono auf eine Wahrheitspflicht für Auskunftspersonen. „Regierungsmitglieder fühlen sich offensichtlich nicht der Wahrheit verpflichtet, das geht so nicht“, so SPÖ-Fraktionsführerin Greiner – und weiter: „Die Bevölkerung anzulügen ist nicht zu akzeptieren“, so Greiner. Auch FPÖ („haben keine Handhabe bei Falschaussagen“) und NEOS forderten hier Änderungen. Hanger von der ÖVP dazu: „Die Wahrheitspflicht muss immer gelten.“