Merkel: „Geostrategisches Interesse“ an Westbalkan

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht die sechs Westbalkan-Staaten aus „geostrategischen Gründen“ als künftige Mitglieder der Europäischen Union. „Es liegt im ureigenen Interesse der EU, hier den Prozess voranzutreiben“, sagte Merkel heute in Berlin nach der virtuellen Westbalkan-Konferenz unter deutscher Leitung. In diesem Zusammenhang deutete Merkel den Einfluss von Russland und China in der Region an, ohne die beiden Länder aber beim Namen zu nennen.

Es gebe bei der seit 2014 durch den „Berliner Prozess“ geförderten stärkeren regionalen Zusammenarbeit bereits erste Erfolge wie etwa die gerade in Kraft getretene Roaming-Vereinbarung, sagte sie. An der Konferenz nahmen die Regierungschefs von Serbien, Albanien, Nordmazedonien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro und Kosovo sowie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen teil. Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) beteiligte sich an der Videokonferenz und präsentierte Österreich dabei als Fürsprecher einer raschen EU-Annäherung des Westbalkans.

Merkel nahm Frankreich gegen den Vorwurf in Schutz, die Annäherung der sechs Staaten aufzuhalten. Der französische Präsident Emmanuel Macron habe sich in der Videokonferenz „ganz klar“ zu der Beitrittsperspektive der sechs Staaten bekannt, betonte Merkel. Bulgarien oder die Niederlande bremsten in der EU, in Deutschland gebe es teilweise ebenfalls sehr hohe Anforderungen an die Westbalkan-Staaten.

„Licht und Schatten“

In der Region kritisierte die deutsche Regierungschefin vor allem die Lage in Bosnien-Herzegowina, wo sich die drei Volksgruppen dringend auf ein gemeinsames Wahlgesetz einigen müssten. In den vergangenen Jahren habe es auf dem Westbalkan „Licht und Schatten“ gegeben, bilanzierte Merkel. Handlungsbedarf gebe es etwa bei der Korruption. Zugleich räumte sie ein, dass der Beitrittsprozess „länger dauert und langsamer geht, als sich das viele erhofft haben“.

Kurz: „Österreich immer an der Seite des Westbalkan“

Kurz hob in seiner Wortmeldung den Einsatz Österreichs für die EU-Annäherung des Westbalkan hervor und erwähnte diesbezüglich den Gipfel, den er Mitte Juni für die Regierungschefs der Region in Wien ausgerichtet hatte. „Österreich wird immer an der Seite des Westbalkan stehen“, betonte er nach Angaben des Bundeskanzleramtes.

Angesichts der „Frustration“ wegen der Rolle der EU am Westbalkan müsse die Union ihr Engagement stärken. „Wir müssen unsere Versprechen einhalten“, sagte Kurz mit Blick auf die vor über einem Jahr vereinbarte Eröffnung von Beitrittsgesprächen mit Albanien und Nordmazedonien. Er hoffe auf Fortschritte unter der slowenischen Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr. „Ich begrüße Janez Jansas Initiative, einen Westbalkan-Gipfel im Oktober in Slowenien abzuhalten, sehr“, so Kurz in Richtung des slowenischen Ministerpräsidenten, der ebenfalls am Videogipfel teilnahm.

Weiters solle die Zusammenarbeit im Migrationsbereich verstärkt werden. „Die Zahlen steigen wieder, und wir müssen unsere Partner an der Frontlinie noch mehr unterstützen.“ Zugleich stellte sich der Kanzler hinter den Investitionsplan für den Westbalkan.