Direktor des Bundesverwaltungsgerichts Gernot Maier.
ORF
Asyl

BFA-Direktor nimmt Justiz in die Pflicht

Im Fall der tatverdächtigen Afghanen, die für die Tötung einer 13-Jährigen in Wien verantwortlich sein sollen, hat der Direktor des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die Justiz in die Pflicht genommen. Für die Dauer des Verfahrens habe seine Behörde „keine Kompetenz mehr und ist hier Passagier“, sagte BFA-Direktor Gernot Maier am Montag in der ZIB2.

Von den vier Verdächtigen waren drei straffällig geworden und hätten abgeschoben werden können. Die drei Männer hatten vom BFA einen negativen Asylbescheid erhalten, dagegen aber beim Bundesverwaltungsgerichtshof (BVwG) Berufung eingelegt. Nach Ansicht der Justiz hätte das Bundesamt in diesen Fällen Fristsetzungsanträge einbringen können. Das hätte zur Folge gehabt, dass das BvWG spätestens nach drei Monaten eine Entscheidung hätte treffen müssen.

Im konkreten Fall hätte das BFA im Innenministerium selbst die Möglichkeit gehabt, dieses Verfahren mit Fristsetzungsanträgen zu beschleunigen, hatte Justizministerin Alma Zadic (Grüne) der „Kronen Zeitung“ gesagt. „Es führt ja auch die Abschiebungen durch. Man hätte dort bei einer Gefährdung für die öffentliche Sicherheit oder öffentliche Ordnung die aufschiebende Wirkung aberkennen können.“

BFA-Direktor Maier über Zuständigkeit bei Abschiebungen

Gernot Maier, Direktor des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl spricht im ZIB2-Interview über die Zuständigkeitsbereiche von Asyl und Abschiebungen.

Gegenüber der ZIB2 wies Maier zurück, dass ein Fristsetzungsantrag die Entscheidung beschleunigt hätte. Man müsse die Verantwortung dort lassen, „wo sie ist“, was in diesem Fall bei der Justiz sei. „Dort liegt sie auch gut, aber die muss sich halt auch darum kümmern“, so Maier. Es gebe grundsätzliche Entscheidungsfristen. Diese seien im Jahr 2017 für straffällige Asylwerber verkürzt worden, für das BFA als erste und das BvWG als zweite Instanz. Allerdings würden mehr als die Hälfte der entsprechenden Verfahren am BvWG erst nach der gesetzlichen Frist abgeschlossen, sagte Maier.

BFA ortet Versäumnisse bei BVwG

Zuvor hatte das BFA bereits seine Sicht mit Verweis auf die konkreten Fälle zweier Betroffener untermauert. Die teils vorbestraften Männer aus Afghanistan werden verdächtigt, das Mädchen missbraucht und getötet zu haben. Drei Verdächtige im Alter von 16, 18 und 23 Jahren befinden sich in Haft, ein weiterer 22-Jähriger ist flüchtig.

Bereits letzte Woche hatte das BFA mit Blick auf einen gefassten 18-jährigen Verdächtigen Versäumnisse beim BVwG geortet: Der subsidiäre Schutz sei dem Betroffenen seitens des BFA aberkannt worden, das vom Tatverdächtigen dagegen im November 2019 eingebrachte Beschwerdeverfahren aber bis zuletzt beim BVwG anhängig. Solange es dazu keine Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht gibt, könne das BFA aber keine weiteren Maßnahmen (die Abschiebung) setzen.

Vom Prinzip ähnlich gelagert sind laut BFA die Fälle des zuletzt gefassten 23-Jährigen sowie des flüchtigen vierten mutmaßlichen Täters, wie das BFA am Montag mit Beschreibung der Chronologie der beiden Asylfälle schilderte. Der dritte Tatverdächtige habe im Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich gestellt, im Februar 2018 erließ dann das BFA einen vollinhaltlich negativen Bescheid; auch subsidiärer Schutz oder ein anderer Aufenthaltstitel wurden nicht vergeben. Das BFA erließ eine Rückkehrentscheidung und erklärte die Abschiebung für zulässig.

BFA: Gericht „nachweislich“ informiert

Im März 2018 erhob der heute 23-Jährige dann Beschwerde gegen den BFA-Bescheid beim Bundesverwaltungsgericht. Ende 2019 wurde der Betroffene straffällig, das BFA habe das BVwG im Dezember 2019 „nachweislich“ über diese Straffälligkeit informiert. Im Mai 2020 erfolgte die rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten wegen Körperverletzung, versuchter schwerer Nötigung sowie Nötigung zu einer geschlechtlichen Handlung – der Mann wurde danach entlassen, da er den unbedingten Teil der Haftstrafe während der U-Haft schon abgesessen hatte.

Streit um Zuständigkeit von Abschiebungen

Im Fall der getöteten 13-Jährigen sind drei der vier verdächtigen Asylwerber aus Afghanistan mehrfach straffällig geworden. Justiz und Innenministerium streiten nun darüber, wer für die Abschiebungen zuständig sei.

Während der Bewährungszeit habe das BVwG das Beschwerdeverfahren dann eingestellt – aufgrund „unbekannten Aufenthalts des Beschwerdeführers“, wie das BFA mitteilte. Obwohl der Betroffene sich wenige Tage später im Melderegister meldete, sei das Verfahren nicht fortgesetzt worden.

BVwG um „Versachlichung“ bemüht

Zuvor hieß es seitens des Bundesverwaltungsgerichts zur APA, man sei um „Versachlichung“ bemüht und beabsichtige deshalb nicht, Verfahren über die Medien zu führen. Vielmehr sollten diese bei den zuständigen Richtern geführt werden.

Schon zuvor hatte sich das Innenministerium darüber beschwert, dass man zwei der Verdächtigen trotz Vorstrafen nicht habe abschieben können, weil das Bundesverwaltungsgericht jahrelang nicht über deren Beschwerde gegen die Abschiebung entschieden habe.

Die Verzögerung bestreitet man im BVwG grundsätzlich nicht: Man sei mit einem Überhang an Verfahren konfrontiert, weshalb nicht alle fristgerecht entschieden werden könnten, bekräftigte ein Sprecher am Montag. Der Höchststand seien 2019 rund 40.000 Verfahren gewesen, davon etwa 80 Prozent Asylverfahren.

Jährlich zwischen 25.000 und 27.000 Entscheidungen

Die rund 200 Richterinnen und Richter am BVwG fällen laut Gericht jährlich zwischen 25.000 und 27.000 Entscheidungen, betonte der Sprecher. „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, den Verfahrensrückstand abzubauen.“ Der Abbau an Altverfahren schreite „sehr gut voran“, betonte das BVwG gegenüber dem „Kurier“: Ende Jänner 2021 habe der Rückstau rund 18.000 Fälle betragen.