Die Kontroverse dreht sich um Gesetzespläne, mit denen die Regierung gegen „Doxxing“ vorgehen will – eine Art Cyberbelästigung, bei der private Informationen online gestreut werden. Während der Proteste 2019 hatten Regierungsgegner persönliche Daten von Polizisten oder deren Familien offengelegt. Das führte zu Drohungen gegen die Betroffenen. Das Gesetz könnte diesen Monat vom nicht frei gewählten Hongkonger Parlament angenommen werden.
Das Gesetzesvorhaben sei zu weit gefasst, sodass freie Meinungsäußerung gefährdet werde, heißt es in dem Brief. Auch sei es „unangemessen und unnötig“, lokale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter strafrechtlich zu verfolgen, wenn ihre im Ausland ansässigen Unternehmen nicht Inhalte wie von Behörden gefordert von ihren Plattformen beseitigen. „Der einzige Weg für Technologieunternehmen, diese Strafen zu vermeiden, wäre, davon abzusehen, in Hongkong zu investieren und ihre Dienste anzubieten.“
„Problematische Zweideutigkeit“
Die Industrievereinigung teilte die „ernste Sorge“ über „Doxxing“, betonte aber, dass Gesetze dagegen „auf den Grundsätzen der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit aufgebaut sein müssen“. In dem Gesetzesvorhaben fehle eine Definition von „Doxxing“, was eine „problematische Zweideutigkeit“ schaffe. Es lasse zu Recht die Sorge aufkommen, dass der Begriff „übermäßig breit interpretiert“ werde.
Die Debatte erfolgt vor dem Hintergrund wachsender Einschränkungen der politischen Freiheiten in Chinas Sonderverwaltungszone. Die chinesische Führung hatte schon vor einem Jahr ein umstrittenes „Sicherheitsgesetz“ erlassen, das sich gegen Aktivitäten richtet, die Peking als umstürzlerisch, separatistisch, terroristisch oder verschwörerisch ansieht. Damit gehen die Behörden zunehmend gegen die Demokratiebewegung in der früheren britischen Kronkolonie vor.
Gezielt gegen Opposition gerichtet
Die pekingtreue Regierungschefin Carrie Lam spielte die Bedenken gegen das Anti-„Doxxing“-Gesetz herunter. Jedes neue Gesetz sorge für Aufregung, wie auch schon das „Sicherheitsgesetz“. Doch würden sich die Sorgen mit der Zeit zerstreuen, zitierte sie der Sender RTHK. Aus Sicht von Kritikern zielt das Sicherheitsgesetz klar auf die Opposition.
Die Internetvereinigung warnte, dass künftig selbst eine nicht böswillige Verbreitung von Informationen online als gesetzwidrig angesehen werden könnte. Das Gesetz könne auch angewandt werden, wenn jemand beispielsweise Zwischenfälle an Medien berichte, bei denen es um persönliche Informationen gehe.
In der Diskussion gaben Juristen zu bedenken, dass im öffentlichen Raum aufgenommene Fotos einer Person oder eines Polizeibeamten schon als schutzwürdige persönliche Information gewertet werden könnten, deren Verbreitung in sozialen Netzwerken dann gesetzwidrig wäre. Alles mit einem Bezug zu einer Person könnte im engeren Sinne dazugehören.