Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP)
APA/Helmut Fohringer
Coronavirus

Kurz appelliert, „Gräben zuzuschütten“

Die Bundesregierung hat sich am Dienstag bei der Wissenschaft für deren Einsatz in der Pandemie bedankt. Die Pandemie habe gezeigt, wozu die Wissenschaft in der Lage sei, so Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Vor allem die rasche Impfstoffentwicklung sei in der Krise entscheidend gewesen. In der Gesellschaft entstandene „Gräben“ sollen nun zugeschüttet werden.

Diese Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Fachleuten aus dem Gesundheitsbereich und der Politik habe im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie eine bedeutende Rolle gehabt, so Kurz bei der Veranstaltung in der Aula der Wissenschaften. Im Vorfeld hieß es, dass man sich bei jenen Expertinnen und Experten bedanken wolle, die der Politik während dieser Zeit mit ihrem Wissen zu Verfügung gestanden sind.

Die Pandemie sei „bestimmt noch nicht vorbei“, so Kurz – aber man habe die „berechtigte Hoffnung“, dass durch die Impfung nun „das Schlimmste hinter uns liegt“. Er bedankte sich bei den anwesenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern für die Unterstützung, für die „Gespräche teilweise kurz vor dem Schlafengehen und gleich wieder nach dem Aufstehen“. Vor allem anfangs sei es „fast unmöglich“ gewesen, Fakten und eine klare Einschätzung zu erhalten.

Die Krise habe gezeigt, „wozu die Menschheit heutzutage fähig ist“, sie habe „wahre Helden des Alltags vor den Vorhang gebracht“, sagte Kurz und dankte jenen, die etwa im Gesundheits- und Sicherheitsbereich oft „Übermenschliches“ geleistet hätten. Vor allem habe die Krise gezeigt, wozu die Wissenschaft fähig sei.

Kurz sieht „Phase des Aufschwungs“

„Vor uns liegt eine Phase des Aufschwunges“, so Kurz. Politisch brauche es eine Phase der „entschlossenen Modernisierung“, und diesen Pfad werde man jetzt einschlagen. Der Kanzler sagte, er wolle sicherstellen, dass alle Menschen in Österreich von dieser „Boom-Phase“ profitieren könnten. Ein „Herzstück“ der kommenden ökosozialen Steuerreform werde eine weitere Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen und insbesondere der Familien sein, so Kurz.

Diskussionsrunde mit Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl, ORF-Wissenschaftsjournalist Günther Mayr, Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Oswald Wagner (Vize-Rektor MedUni Wien)
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Im Anschluss fand eine gemeinsame Diskussionsrunde von Fachleuten und Politik statt

Auch sprach sich Kurz für „Steuergerechtigkeit“ unter Unternehmen aus. Großkonzerne, die in der Krise gewachsen seien, sollten einen größeren Beitrag leisten. Man werde weitere nationale Schritte gehen, um kleine und mittlere Einkommen weniger und große Technologieunternehmen mehr zu besteuern.

Bei Digitalisierung „noch nicht dort, wo wir sein sollten“

In seiner Rede verwies Kurz auch auf die große Bedeutung der Digitalisierung in der Pandemie – und darauf, dass es noch Aufholbedarf gebe: Man sei „noch nicht dort, wo wir sein sollten“. Er verwies auf die Pläne der Regierung, 1,4 Milliarden Euro in den Breitbandausbau zu investieren, und darauf, in der Schule und in der Verwaltung die Digitalisierung voranzubringen. Die Pandemie habe aufgezeigt, wo „unsere Schwächen sind“ – und „gleichzeitig, was hier alles möglich ist“, so Kurz.

„Gräben zuschütten“

Schon eingangs erwähnte Kurz, dass die Pandemie neben gesundheitlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen auch zu „Gräben in unserer Gesellschaft“ geführt habe. Menschen, die besorgt gewesen seien, seien nicht gleich „Hypochonder“, und Menschen, die sich um die Freiheit sorgten, nicht automatisch „Verschwörungstheoretiker“. Es gelte jetzt, diese Gräben „gemeinsam zuzuschütten“.

Manche hätten besonders unter der Krise gelitten, so Kurz. Gerade Kinder mit sozial schwachem Hintergrund, die vielleicht zu Hause nicht die nötige Unterstützung hatten, seien in ihrem Lernerfolg eingeschränkt worden. Es brauche daher gerade jetzt einen Fokus auf bestmögliche Unterstützung aller Kinder.

Für die Zukunft wünsche er sich, dass man das „Zusammenspiel zwischen Wissenschaft und Politik“ fortsetze, „vielleicht nicht nur in der Krise“, so der Kanzler, sondern im Kontext der „Modernisierung und des Aufschwungs“.

Diskussionsrunde von Expertinnen und Experten

Im Anschluss an Kurz’ Rede stand eine Runde mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Elisabeth Puchhammer-Stöckl, Leiterin des Zentrums für Virologie der MedUni Wien und Wissenschaftlerin des Jahres, und Oswald Wagner, Vizerektor der MedUni Wien, auf dem Programm.

Puchhammer-Stöckl erinnerte sich an den Beginn der Pandemie. Was da auf „uns zukommen kann, war nicht abzusehen“, sagte sie. Die Informationen aus China Ende 2019 habe man zuerst nicht einschätzten können. Nach eineinhalb Jahren Pandemie gibt es nunmehr zahlreiche Erkenntnisse. Laut dem derzeitigen Wissensstand ist das Coronavirus von Fledermäusen über einen anderen Wirt auf den Menschen übergesprungen. 100-prozentige Sicherheit gebe es noch nicht, „solange man den Zwischenwirt nicht gefunden hat“, die Wahrscheinlichkeit für dieses Szenario sei aber „extrem hoch“, sagte Puchhammer-Stöckl.

Kogler: Zusammenarbeit hat „hervorragend funktioniert“

Kogler freute sich, „vertraute Gesichter, die in der Entscheidungsphase noch vertrauter geworden sind“, zu begrüßen. Er sagte, dass die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft „hervorragend funktioniert“ habe, auch die Politik habe sich damals „schnell zusammengegroovt“. Ganz anders als im herkömmlichen Politikbetrieb seien die „Entscheidungsgeschwindigkeiten“ gewesen.

Er hoffte, dass es in der Pandemie auch gelungen sei, „junge Menschen für die Wissenschaft zu begeistern“, sagte Kogler. „Oft wäre es gut, wenn wir gemeinsam Richtung Transformation arbeiten und nicht in Depression verhaftet bleiben. Da kann die Wissenschaft einen ganz großen Beitrag leisten“, so der Vizekanzler.

Mückstein-Appell für Impfung

Danach traten Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne), ÖVP-Wissenschaftsminister Heinz Faßmann, Ursula Wiedermann-Schmidt, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Vakzinologie und Mitglied des Nationalen Impfgremiums, sowie Niki Popper, Simulationsforscher der TU Wien, gemeinsam auf.

Mückstein bedankte sich in der Gesprächsrunde mit Faßmann bei den Fachleuten. Derzeit seien die Wissenschaftler etwa durch Modellrechnungen zur neuen Delta-Variante gefordert, sagte Mückstein. Die Delta-Variante mache mittlerweile über die Hälfte der Fälle aus. Es gebe inzwischen genügend Impfstoff, appellierte Mückstein einmal mehr, sich immunisieren zu lassen: „Bitte, bitte impfen gehen!“